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ROHRAU / Haydn-Geburtshaus: Festivalstart mit Kammermusik

In illustrer Gesellschaft: Joseph Haydn im Großen Michaelerhaus

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Das Pleyel Trio. Alle Fotos: Haydnregion Niederösterreich / Tobias Müller

ROHRAU / Haydn-Geburtshaus:  Kammermusik zum Start des regionalen Haydnfestivals

23. März 2024

Von Manfred A. Schmid

Wie sehr das kulturelle Leben in Niederösterreich nicht nur in den traditionellen Hotspots stattfindet, sondern landesweit fein gegliedert und regional facettiert ist, zeigt das Festival „Zum Haydn“, das mit einem Programm aufwarten kann, das, über die „Haydnregion“ verstreut, hochkarätigen Musikgenuss verspricht. Den Auftakt macht ein exquisites kammermusikalisches Konzert im Geburtshaus von Joseph und Michael Haydn, für das der künstlerische Leiter Michael Linsbauer einen besonderen roten, pardon: blau-gelben Faden gefunden hat: „Ein ehrenwertes Haus – Kohlmarkt 11“ in Wien. Musikgeschichtliche Bedeutung erlangte dieses auch „Großes Michaelerhaus“ genannte Gebäude durch den Umstand, dass, über einen bestimmten Zeitraum im 18. Jahrhundert hinweg, gleich mehrere illustre Bewohner darin gewohnt und miteinander zu tun hatten. Ganz oben, in einem kleinen Stübchen, in das es oft durch das lecke Dach hineinregnete, hauste der damals noch mittellose, sich mit Musikunterricht und Mitwirkung bei Konzerten und Messen kärglich ernährende junge Joseph Haydn. Im ersten Stock, der Belletage, residierte die Altfürstin und Mutter von Fürst Paul II. Anton Esterházy, bei dem der aufstrebende Komponist, einige Jahre später, eine Stelle als Kapellmeister an dessen Hof in Eisenstadt bekommen sollte. Im zweiten Stock lebte der berühmte Dichter und Opernlibrettist Metastasio, eine maßgebliche Figur des Kulturlebens am Wiener Kaiserhaus. Im Stockwerk darüber hatte der angesehene Komponist und Gesangslehrer Nicola Antonio Porpora seine geräumige Wohnung, in der er Gesangsunterricht erteilte und dafür Haydn als Korrepetitor engagierte. Die Wohnung nebenan gehörte Marianna Martines, Wunderkind, Komponistin und Klavier-Virtuosin, die als Schülerin von Haydn gilt, später sehr erfolgreich war, nach ihrem Tod 1812 aber in Vergessenheit geriet und deren Bedeutung für das Musikleben jener Zeit und deren Stellenwert als eine der wenigen Komponistinnen, die sich durchsetzen konnten, erst heute allmählich wiederentdeckt wird. Besonders dieser Musikerin angenommen hat sich die Musikwissenschafterin und ORF-Sendungsgestalterin Irene Suchy, die in einem Vortrag vor dem Konzert über diese außergewöhnliche Künstlerin referierte. Die Pianistin Varvara Manukiyan spielte im Rahmen dieser höchst informativen Veranstaltung im vollbesetzten Konzertsaal die dreisätzige Sonate A-Dur von Marianna Martines am Hammerflügel und gab damit einen ersten Eindruck vom Schaffen dieser außergewöhnlichen Komponistin, die mit ihrer melodiösen Erfindungsgabe, kontrapunktischer Versiertheit und dramatischer Gestaltung bei Carl Philipp Emanuel Bach anknüpft und sich so durchaus als ernstzunehmende weibliche Gestalt der Wiener Klassik erweist.

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Varvara Manukyan (Cembalo).

Das anschließende Abendkonzert wird durch eine weitere Klaviersonate von Marianna Martines eröffnet, in E-Dur, von Varvara Manukyan nun am Cembalo dargeboten, was dem begeisterten Publikum ein weiteres, an der historischen Aufführungspraxis orientiertes Klangerlebnis beschert. Es folgt ein Trio für Klavier, Violine und Violoncello von Martines‘ Lehrer Joseph Haydn, nunmehr dargeboten vom Pleyel Trio, zu dem neben der Pianistin Manukyan von Cornelia Löscher, Violine, und Arne Kircher, Violoncello, komplettiert wird. Die Wiedergabe ist voll von frohgemuter Spiellaune und geht auch genüsslich auf Haydns Freude an musikalischen Überraschungen und Späßen ein.

Nach der Pause steht die Sonate B-Dur für Klavier, Violine und Víoloncello, KV 10, auf dem Programm, komponiert vom erst achtjährigen Mozart und noch durchaus mit spätbarocken Elementen ausgestattet. Eine sinnvolle Bereicherung, auch wenn Mozart nicht zu den „illustren Bewohnern“ des Hauses am Michaelerplatz gehörte, sich aber als junger Komponist stark an Joseph und Michael Haydn orientiert hatte. Den tatsächlich krönenden Abschluss macht ein brillantes, mitreißendes Konzert für Violoncello, Streicher und Basso continuo von Nicola Antonio Porpora, bei dem das Pleyel Trio durch Maximilian Bratt, 2. Violine, und Herwig Neugebauer, Violone, verstärkt wird und in dem der Cellist Kircher virtuos das Ensemble anführt und zu einer packenden Leistung anspornt.

Das Publikum applaudiert voll entzückt und feiert damit auch die Rezitatorin Chris Pichler, die zwischen den Nummern in anekdotischen Erzählungen das Leben und Treiben im „Großen Michaelerhaus“ beleuchtet. Als Zugabe wird die Zuhörerschaft noch mit einem armeníschen Volkslied aus der Heimat der Pianistin Manukyan beglückt. Auch das hat Bezug zu Haydn, der sich beim Komponieren gerne von Volksliedern inspirieren ließ, die er als Kind, von seiner Mutter gesungen, gehört hatte, wie man an Hand von Tonbeispielen im angeschlossenen Haydn-Museum erfahren kann.

 

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