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Robert-Tarek Fischer: ÖSTERREICHS KREUZZÜGE

15.05.2022 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

buch kreuzzüge~1

Robert-Tarek Fischer:
ÖSTERREICHS KREUZZÜGE
DIE BABENBERGER UND DER GLAUBENSKRIEG 1096-1230
232 Seiten, Böhlau Verlag,  2021

Mehr als hundert Jahre, also über mehrere Generationen hinweg, dauerte eine Entwicklung, die man heute „die Kreuzzüge“ nennt. Es war der Versuch katholischer Herrscher des Abendlandes, das „Heilige Land“ (Jerusalem und das umliegende Gebiet) aus der Hand der Moslems zu befreien. Losgetreten von einer Brandrede von Papst Urban II. im November 1095, setzten sich ganze Heerscharen in Richtung Osten in Bewegung, meist über Land, teilsweise auch auf dem Meer. In jedem Fall war es extrem anstrengend, logistisch fordernd und lebensgefährlich.

Wer in Österreich „Babenberger“ sagt, denkt meist nicht weiter als an den Schleier der Markgräfin Agnes, an die Gefangennahme von Richard Löwenherz und an ein paar Klöster, die mit dieser Familie eng verbunden sind. Dass im 12. Jahrhundert Generationen von Babenbergern loszogen, um an den Kreuzzügen teilzunehmen, zeichnet nun der Historiker Robert-Tarek Fischer auf. Dieser Autor  hat schon mit Biographien über Richard Löwenherz und Wilhelm I., den ersten deutschen Kaiser, bewiesen, wie ungemein lesbar und spannend er Geschichte gestalten kann. Dabei beeindruckt immer wieder sein Zugang, die Vergangenheit nicht an den Wertmaßstäben der Gegenwart zu messen (und entsprechend abzuurteilen), sondern die Kreuzritter „in ihrer Zeit und ihren Zeitumständen“ zu betrachten.

Die Babenberger besaßen in ihren Anfängen ein eher kleines Gebiet am Ostrand des Reiches – umso wichtiger für seine Fürsten, bei den Kreuzzügen, wo sich alles beteiligte, was Rang und Namen hatte, Flagge zu zeigen, das heißt, auch dabei zu sein. Dem hat sich kaum ein Babenberger entzogen, ob sie nun besonders fromm waren oder nur Pragmatiker, die das politisch Nötige taten.

Einen Clou gibt es jedenfalls gleich zum Beginn der Kreuzzugs-Geschichte der Familie. Da machte sich nämlich eine Frau auf den Weg. Das war kein absoluter Einzelfall unter adeligen Damen, aber doch immerhin spektakulär genug, dass die Zeitgenossen es stark beachteten. Markgräfin Ida war die Witwe von Markgraf Leopold II.  Sie hatte nur einen Sohn, der eben die Herrschaft angetreten hatte – sein Leben (und damit die ganze Herrschaft der Dynastie) zu riskieren, wäre nicht opportun gewesen. Also zog Ida los, und sie reiste in prominenter Gesellschaft, mit den vereinigten Zügen von Welf  IV. von Bayern und Wilhelm IX. von Aquitanien. Was nicht heißt, dass sie ihres Lebens sicher gewesen wäre. Sie durfte zwar Konstantinopel bewundern, was ihr als glitzernde Großstadt den Unterschied zu den schäbigen niederösterreichischen Dörfern klar machte, aus denen sie kam. Aber Jerusalem erreichte sie (wie so viele) nicht, die meisten (später auch Kaiser Friedrich Barbarossa) blieben in jener Landmasse stecken, die wir heute als Türkei kennen. Nach der Schlacht von Herakleia galt Ida als verschollen. Die Zeitgenossen dichteten ihr alle möglichen dramatischen Schicksale an (etwa, dass sie von einem muslimischen Fürsten noch ein Kind bekam), aber der Autor weiß sehr wohl, dass die Überlieferung aus dem Mittelalter alles andere als verlässlich ist…

Idas Sohn, Leopold III., gelang es, sich persönlich um einen Kreuzzug zu drücken, obwohl er den Beinamen „der Heilige“ trägt. Er hat durch seine Hochzeit mit Agnes von Waiblingen am meisten zur Stabilität der Familie beigetragen. Ein Sohn aus ihrer ersten Ehe mit Friedrich von Schwaben wurde als Konrad III. römisch-deutscher König (das war eine familiäre Beziehung, die die Babenberger im Reich ungemein aufwertete), und sie hatte mit Leopold noch so viele Kinder, dass man gleich zwei auf den mittlerweile zweiten Kreuzzug schicken konnte – den als Wissenschaftler bekannten Otto von Freising und Heinrich „Jasomirgott“, der nicht so fromm war, wie sein Name glauben macht. Er hatte übrigens Glück: In Byzanz wollte König Konrad den Bund mit dem dortigen König stärken und wählte seinen Halbbruder aus, um die Nichte von König Manuel zu heiraten. Hohe Verwandtschaft also und wieder ein Prestigegewinn für die Familie, und ein Herzog, der immerhin vom Kreuzzug heimkehrte.

Am spektakulärsten war das Schicksal von Leopold V. beim dritten Kreuzzug, wo er prominent und erfolgreich unterwegs war. Was zwischen ihm und dem englischen König Richard Löwenherz vorfiel, ist historisch nicht genau festzumachen – nur, dass der Zorn groß genug war, den Engländer bei seiner Durchreise durch Österreich nach dem Kreuzzug gefangen zu nehmen. Das brachte Leopold V. zwar dann eine erkleckliche  Summe Lösegeld ein, aber auch den Zorn des Papstes. Und das mussten seine Söhne dann auslöffeln, die Vaters „Schuld“ nur durch Teilnahme am Kreuzzug tilgen konnten.

Dabei ist Friedrich I., Leopolds erster Sohn, dann ums Leben gekommen, während der nächste Sohn, Leopold VI., auch er mit einer Byzantinerin verheiratet, den fünften Kreuzzug höchst erfolgreich absolvierte. Mit seinem Sohn Friedrich, genannt der Streitbare, starben die Babenberger allerdings aus und die Stunde der Habsburger schlug, aber da war die Zeit der Kreuzzüge auch nach einem guten, unendlich blutigen Jahrhundert vorbei und das Heilige Land für das Christentum verloren.

Neben den spannenden Erlebnissen der einzelnen Babenberger-Fürsten berichtet das Buch noch ausführlich über die Realität dieser Kreuzzüge, den religiösen Hintergrund (die Kirche hämmerte den Menschen ihre „Sündhaftigkeit“ ein, und viele zogen nur in Richtung Jerusalem, um sich das Himmelreich zu sichern), die praktische Durchführung, die wirtschaftlichen Implikationen, die politischen Folgen. Tatsache ist jedenfalls, dass erstmals der Fokus darauf gerichtet wurde, dass die Babenberger im Heiligen Land keinesfalls nur eine Nebenrolle gespielt haben.

Renate Wagner  

 

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