Robert-Tarek Fischer
DIE KREUZZÜGE DER DEUTSCHEN
DIE STAUFER UND DER GLAUBENSKRIEG 1124 – 1250
272 Seiten, Böhlau Verlag, 2023
Der Tod im Osten
Mit der Rede von Papst Urban II. am 27. November 1095 änderte sich das Schicksal Europas hundert Jahre lang grundlegend. Nachdem ihn die Bitte des Kaisers von Konstantinopel erreicht hatte, Unterstützung gegen die feindlichen Seldschuken zu schicken, forderte Urban II.
„in einer flammenden Ansprache (..) die in unzählige Fehden verstrickte Ritterschaft auf, ihren kriegerischen Tatendrang gottgefälligen Zielen zuzuwenden und die Christen im Osten von ihrer angeblich grausamen Unterdrückung durch den Islam zu befreien.“
So beginnt Autor Robert-Tarek Fischer seine Geschichte der Kreuzzüge der Deutschen – jene der Babenberger hat der österreichische Historiker schon im Buch geschildert und sich mit Österreich und dem Nahen Osten in vielen Spezialpublikationen auseinander gesetzt. Hier geht es nun wieder um die Kreuzzüge, das Aufeinanderprallen zwischen „Abendland“ und „Morgenland“ mit grauenvollem Blutzoll auf beiden Seiten, wo sich die Europäer letztlich geschlagen zurück ziehen mussten.
Wenn es Fischer nun um die Kreuzzüge der „Deutschen“ geht, dann stellt er die Staufer in den Mittelpunkt. Denn sie haben durch vier Generationen hindurch die höchstkarätigen Protagonisten ins Spiel gebracht und am teuersten dafür bezahlt – der Berühmteste unter ihnen, Friedrich Barbarossa, ertrank am 10. Juni 1190 im Fluss Saleph in der heutigen Türkei (damals „Kleinarmenien“)…
Fischer, der reichlich historische Quellen der Zeit befragt, ist ein Historiker, der die Dinge aus der Zeit begreift. Er will dem Leser vermitteln, warum sich Menschen nicht von Berufswegen, sondern aus religiösem Enthusiasmus, ja Fanatismus auf den Weg machten. Wenn der Autor die unendlichen Schwierigkeiten schildert, denen sich die Teilnehmer an den Kreuzzügen in ihrem rund 3000 Kilometer langen Marsch (nur die Reichen hatten Pferde) ausgesetzt sahen, weiß er, dass heutzutage vermutlich das Verständnis für dieses Wahnsinns-Unternehmen fehlt. Und doch kann man es aus der damaligen Zeit und Welt begreiflich machen. Es geht um Organisation und Logistik, es geht um Querelen der Beteiligten, es geht um Strategie und Fehlentscheidungen, um Rivalitäten und Verwandtschaften, um tragische Ereignisse im Lauf des Geschehens.
Und man begreift natürlich auch (politische Erwägungen ändern sich nicht so sehr…)., dass für die Staufer, die während der Kreuzzüge als Familie die Kaiserränge erklommen (und kurz nach den Kreuzzügen wieder aus der Geschichte verschwanden!), diese Aktionen auch als politisches Prestige-Projekt sowohl in deutschen Landen selbst wie im europäischen Gefüge ungemein wichtig waren.
Konrad von Hohenstaufen, der 1138 als Erster seines Hauses zum römisch-deutschen König gewählt wurde, machte sich einige Jahre nach seiner Krönung als Konrad III. auf, „das Kreuz zu nehmen“, wie es damals hieß, und zog in den Osten. Damals schon war sein Neffe, Friedrich von Schwaben, später als Barbarossa bekannt, erstmals dabei. 1147 brach das deutsche Heer auf. Konrad kam zwar bis Jerusalem, konnte aber keine nachhaltigen Siege erringen und starb 1152 bald nach seiner Heimkehr.
Im „Heiligen Land“ übernahm der legendäre Sultan Saladin Jerusalem ein, erneut rief der Papst zum Kreuzzug auf, und Friedrich I. , genannt Barbarossa, der als Nachfolger seines Onkels für die Staufer sogar die Kaiserwürde errungen hatte, brach 1188, nun schon knapp 70 Jahre alt, erneut in den Osten auf, wo er ein Jahr später den Tod fand. In einer Gegend, wo die Hitze erdrückend, der Weg unbeschreiblich schwer war, stürzte er sich in die Fluten des eiskalten Flusses und wurde vom Strudel hoffnungslos in die Tiefe gezogen. Um diesen Tod ranken sich Legenden aller Art, legen ein romantisches Flair um das Leben dieses Mannes, der für die deutsche Identität so wichtig wurde.
Aber die Tragödien für die Staufer hörten nicht auf – sein zweitgeborener Sohn, Friedrich von Schwaben, der den Vater auf dem Kreuzzug begleitet hatte, wurde als dessen Nachfolger eingesetzt, starb aber schon im Jahr darauf an einer Malariaerkrankung. Er erlebte seinen 24. Geburtstag nicht.
Barbarossas älterer Sohn, als Heinrich VI. deutscher Kaiser, kam über die Absicht, einen Kreuzzug zu unternehmen, nicht hinaus. Er starb im Jahr 1197, erst 32jährig, in Sizilien, dessen Erbin er geheiratet hatte. Sein Sohn, der legendäre Friedrich II., war ideologisch nüchterner als seine Vorfahren und hegte keinen Enthusiasmus, selbst an einem Kreuzzug teil zu nehmen, tat es aber dann doch und konnte 1229 Jerusalem erobern. Es war ein kurzfristiger Sieg, für die Europäer war im Nahen Osten vorläufig nichts mehr zu gewinnen. Und das Geschlecht der Staufer endete mit Friedrichs Enkel Konradin.
Doch es waren die Staufer, die den deutschen Teil der Kreuzzüge beherrschten, und auch hierbei kann der Autor noch interessante Überlegungen anknüpfen. Denn sie hatten mit ihren deutschen Heeren im Osten nicht nur mit den dortigen Feinden zu kämpfen, es bestanden auch hohe Animositäten zwischen den Soldaten der einzelnen Länder – vielleicht lässt sich eine ewige, gewissermaßen instinktive Feindschaft der Franzosen und der Deutschen schon damals festmachen, als sie sich weniger als Verbündete denn als Gegner in ihren Eroberungsgelüsten verstanden. Hier mögen Wurzeln eines Nationalismus liegen, der mit dem Kreuzzugs-Tod von Barbarossa noch verklärt werden konnte…
Renate Wagner