Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

Robert Fürstenthal: Lieder und Balladen vom Leben und Vergehen

13.02.2017 | cd, CD/DVD/BUCH/Apps

CD Cover Fürstenthal~1

Robert Fürstenthal:
Lieder und Balladen vom Leben und Vergehen
Rafael Fingerlos, Bariton / Sascha El Mouissi, Klavier
Toccara Classics

Wer ist bzw. wer war Robert Fürstenthal? Auch bestens informierte Musikfreunde werden sich nicht genieren, hier Unkenntnis einzugestehen. Einer von vielen Komponisten, die durch Vertreibung und Exil um die Früchte ihrer Arbeit, um die Anerkennung ihres Ruhms gebracht wurden? Ja, und doch nicht ganz. Fürstenthal, der am 16. November 2016 im Alter von 96 Jahren in Kalifornien starb, hatte das Komponieren – so gut er es offenbar beherrschte – erst in seinen späten Jahren zu seinem Lebensinhalt machen können.

Geboren am 27. Juni 1920 in Wien, war er 19, als er über England den Weg in die Emigration antrat und sein Leben in den Vereinigten Staaten verbrachte. Und das in „bürgerlichen“ Berufen – er war während des Krieges bei der US-Army, wurde Wirtschaftsprüfer und arbeitete auch für die Regierung. Was man sonst im Internet über ihn erfährt, sind schmale Auskünfte auf einer Exil-Website, die allerdings seine Kompositionen aufzählt – Lieder, Lieder, Lieder, dazu kammermusikalische Werke.

Wenn nun auf einer CD zwanzig seiner Lieder veröffentlicht werden, für das amerikanische und englischsprachige Publikum unter dem Titel „Songs and Ballads of Life and Passing“, so hilft das gleichfalls englische Booklet, Fürstenthal vor allem durch die Informationen seiner Witwe etwas näher zu kommen. Ein hochmusikalischer Junge, der gut Klavier spielte, Amateursänger begleitete (vor allem für Schubert) und schon als Teenager Liebeslieder schrieb – vor allem für Francoise, die seine erste Liebe war. Jeder von ihnen ging durch eine unglückliche Ehe, bevor sie sich in späteren Jahren nach 35jähriger Trennung (!) wieder fanden und 1974 heirateten.

Robert hatte nach seiner Flucht nie wieder komponiert – doch nach der Hochzeit begann er erneut, wobei er auf die großen deutschen Dichter zurückgriff. Erst später entdecke er auch Joyce oder Yeats als mögliche „Text-Lieferanten“. Aber erst nach seiner Pensionierung 1985 (er war 65) wandte er sich „full time“ wieder dem Komponieren zu und neben im Ganzen rund 160 Liedern entstand einiges an Kammermusik. 1975 schon, erinnert sich die Witwe, wären Fürstenthals Weinheber-Lieder in Wien im Palais Palffy aufgeführt worden – „the audience went ballistic“, schildert Francoise Farron-Fürstenthal das Ereignis.

Ein zweiter Artikel des Booklets von Michael Haas schildert, wie das Wien der zwanziger und dreißiger Jahre den jungen Robert prägte, die (an Hugo Wolf aufgezeigte) „fiebrige“ Mischung aus „Slavic delirium, Latin passion and Teutonic understated beauty“. Diese Einflüsse des „alten Wien“ haben ihn – und das hört man auf der CD genau – stärker geprägt als die Errungenschaften der modernen Kollegen.

Es sind nun 20 Lieder, die man kennenlernt, wobei Fürstenthal bei den Vorlagen nach Qualität entschied – Eichendorff, Hofmannsthal und immer wieder Weinheber, ein Dichter, der trotz seiner herausragenden Beherrschung der Sprache heute vergessen im Hintergrund steht, weil seine Sympathien für den Nationalsozialismus ihn aus dem Bewusstsein gefegt haben. Fürstenthal komponierte ihn, und es ehrt einen jüdischen Künstler, dass er über das Ideologische hinaus gewählt hat.

Salzburger Festspiele 2015   Die Teilnehmer am YSP - Young Singers Project beim Fototermin im Festspielhaus Foto: Franz Neumayr     29.7.2015 Im Bild der Salzburger Rafael Fingerlos

Rafael Fingerlos (Foto Website)

Und es ehrt den gerade 30jährigen Salzburger Bariton Rafael Fingerlos, dass er seine erste CD Liedern von Fürstenthal widmet Es ist natürlich auch klug, sich nicht mit Schubert, Schumann, Wolf gleich den höchsten Vergleichen auszusetzen, vielmehr an der österreichischen Erinnerungskultur zu arbeiten und Vergessenes an die Öffentlichkeit zu holen.

Es sind weitgehend tonale Lieder von tiefer Stimmung, denen der schöne, große, warme Bariton von Fingerlos die wahren „Schwingungen“ verleiht. Der israelische Pianist Sascha El Mouissi begleitet unendlich gefühlvoll – und das ist ja auch das Grundelement dieser Werke. Es sind vor allem traurige Texte und traurige Stimmungen. Ob Fürstenthal nun so richtig „entdeckt“ wird (denn die meisten Werke entstanden ja in den letzten Jahrzehnten in den USA, sind also nicht vergessen, sondern nur nicht gekannt), sei dahingestellt. Aber wer immer sich einen seiner Zyklen in ein Liederabendprogramm hinein nimmt, findet wirkungsvolle Werke vor, an denen man Stimmschönheit und tiefes Gemüt demonstrieren kann.

Renate Wagner

 

Diese Seite drucken