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Richard Strauss: SYMPHONIA DOMESTICA, METAMORPHOSEN

04.02.2017 | cd, CD/DVD/BUCH/Apps

0747313902187

Richard Strauss:
SYMPHONIA DOMESTICA, METAMORPHOSEN

SWR Music CD

Tondichtungen Vol. 5 – ein Wurf!

Francois-Xavier Roth, seit 2011 Chefdirigent des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg befasst sich ebenso gerne mit Pierre Boulez wie Richard Strauss, Beethoven oder John Cage. Bei der Tour de Force aller Tondichtungen von Richard Strauss ist Roth nun bei Vol. 5 angekommen. Unter den berühmten Strauss‘schen Tondichtungen fristet das sinfonische Selbst- und Familienporträt „Symphonia domestica“ ungerechterweise ein relatives Schattendasein. Dieses quirlige, prächtig humorige und deftig lautmalerische Stück liegt Roth und seinen Mitstreitern des SWR ganz besonders gut. Seien es die Selbstcharakterisierung des Komponisten mit träumerischen, mürrischen, temperamentvollen Motiven, die klangliche Vision seiner Gattin Pauline, sensible Sängerin und bisweilen ruppige Partnerin oder die liebevollen dem Sohn Franzi gewidmeten Sequenzen, Roth legt ein charaktervolles, ausdrucksstarkes Klangkleid über die einzelnen Szenen. Das Alltagsleben der Familie Strauss ersteht vor dem inneren Ohr und der Hörer ist fast unfreiwillig „voyeuristischer“ Zeuge, wie „Mama Bubi zu Bett bringt, Papa arbeitet oder Papa und Mama alleine sind“.

Ein von Strauss verfasster Formplan gliedert das Werk in vier Sätze. Einer Einleitung folgt das Scherzo mit Elternglück, kindlichen Spielen, Wiegenlied, dann schlägt die Glocke 7 Uhr abends. Das Adagio als introspektiverer Teil handelt vom „Schaffen und Schauen“, enthält eine Liebesszene, und setzt mit „Träumen und Sorgen“ fort, bevor die Glocke 7 Uhr morgens kündet. Im rasanten Finale nach dem Erwachen samt lustigem Streit setzt Strauss einen gar fröhlichen Beschluss in Ton. Roth nutzt alle Finessen der üppigen Instrumentierung, vergisst auch das Augenwinkern nicht. Schließlich ist die Symphonia domestica nichts anders als eine unglaublich hingebungsvolle, leicht exhibitionistische, bisweilen bombastisch ironische Hommage an all die Lieben, die abseits des großen Ruhms in Wahrheit doch am meisten dazu beitragen. Vielleicht ist diese Interpretation die gelungenste von allen Einspielungen des ganz fabelhaften Dirigenten Roth.

Bei den Metamorphosen, einem symphonischen Trauergesang um das in Trümmer liegende München, hängt die Qualität der Wiedergabe vorwiegend von den 23 Solo-Streichern ab. Der Klang muss hier verschleierter sein, die weitaus geringeren Kontraste bedürfen einer großen Farbpalette an „Sound“. Die tapferen Freiburger haben hier im Vergleich etwa zu berühmten Einspielungen der Wiener Philharmoniker das Nachsehen. Aber wie Roth das späte Werk formal auffächert, dynamisch verdichtet und die dramatischen Brüche schärft, ist faszinierend.

Fazit: Eine der auch klangtechnisch besten Einspielungen der Symphonia Domestica im Katalog. Herausragend!

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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