Niederösterreich/Retz/Stadtpfarrkirche St.Stephan: ORPHEUS VON GEORG PHILIPP TELEMANN – EINE WUNDERBARE AUFFÜHRUNG (5.Juli 2012)
Gäbe es einen Preis für „Die beste Wiederentdeckung eines exzellentenMusikdramas“ –Retz hätte diese Auszeichnung schon öfters bekommen müssen: „ Dido und Aeneas“ von Henry Purcell im Sommer 2010 oder Benjamin Brittens „Die Jünglinge im Feuerofen“ im Vorjahr gehört in diese Kategorie ebenso – aber vor allem die heurige Aufführung von „Orpheus oder die wunderbare Beständigkeit der Liebe“ von Georg Philipp Telemann aus dem Jahr 1726. Sie ist eine jener zahllosen Versionen über Orpheus und Euridike, von denen zumeist nur Gluck und Monteverdi aufgeführt werden. Zu Unrecht wie man sich im nördlichen Weinviertel überzeugen konnte. Der Zeitgenosse und Freund von Georg Friedrich Händel bearbeitet den berühmten Stoff im Alter von 45 Jahren als Direktor der Hamburger Oper. Und lässt durch die Aufwertung von Nebenhandlungen – wie er eifersüchtigen Orasia – die Partitur zu einem vielfältigen, packenden Meisterwerk werden. Da wird geschmachtet und getobt, gelockt und betrauert – und nach der Aufführung in der Stadtpfarrkirche von Retz ist fast jeder im Publikum überzeugt, ein vergessenes Meisterwerk wiederentdeckt zu haben. Und das bewährte Team unter Monika Steiner (Regie) und Andreas Schüller (Dirigent) hat wieder großes geleistet. Da muss einmal das Orchester hervorgehoben werden: Das „ensemble continuum“ umfasst auch eine Laute, eine Traversflöte oder ein Cembalo, der Chor, das Labyrinthe-Vocalensemble (Leitung Hannes Marek) leistet außergewöhnliches. Und die Solisten sind exzellent. Mathias Hausmann ist ein elegisch-schwelgerischer, selbstverliebter Orpheus, der im zweiten Teil auch an Dramatik enorm zulegt, Bernarda Bobro eine fulminante Orasia – ihre Liebe à la Königin der Nacht kippt in tödliche Eifersucht, ihr Werben könnte von einer fleischfressenden Orchidee stammen. Hinreißend der Pluto des Yasushi Hirano, sein Bassbariton wird immer schöner, der Vortrag witzig und locker– warum nützt man an der Volksoper dieses außerordentliche Talent aus Japan nicht mehr? Katharina Stummer ist eine innige, schlichte Euridike, Mara Mastalier eine gefährlich-schöne Ismene, Mathias Spielvogel ein fröhlicher Orpheus-Freund Eurimedes. Die Besetzung ist im Grunde perfekt und die moderne Regie deutet mehr an als sie ausführt – aber tolle Licht- und Schatten-Wirkungen erzielen maximalen Effekt – für diesen Rahmen ideal. Ein spezielles Bravo also für die Regie von Monika Steiner, das Bühnenbild von Alexander Löffler, das Lichtdesign von Pepe Starman sowie die Kostüme von Inge Stolterfoht. Retz und das Festival-Team der Stadtpfarrkirche haben wieder eine „wunderbare Vorstellung“ zu Stande gebracht. Die insgesamt nur 4 Reprisen laufen nur mehr bis zum 15.Juli.Karten also rasch besorgen!
Peter Dusek