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RETZ/ Stadtpfarrkirche: LA DECOLLAZIONE DI SAN GIOVANNI BATISTA

RETZ/ Stadtpfarrkirche:
LA DECOLLAZIONE DI SAN GIOVANNI BATISTA
von Antonio Maria Bononcini

11.Juli 2025 (Premiere)

Zu den größten Glücksfällen für Barockfans zählte in den letzten Jahren die Wiederentdeckung von Giovanni Bononcini (besonders sein „Polifemo“. dirigiert von Dorothée Oberlinger, auch als CD).
Jetzt hat das Festival in Retz zu seinem 20.Jubiläum ebenfalls ein Werk von Bononcini aufgeführt – allerdings von seinem (nicht minder begabten) Bruder Antonio Maria : La Decollazione di San Giovanni Battista, vom jüngeren Bononcini 1709 für den Wiener Kaiserhof komponiert.
Der neue Intendant des Retzer Festivals Christian Baier verpasste dem Oratorium verständlicherweise den marketingmässig eingängigeren Titel Salomè (so wie letztes Jahr aus denselben Gründen „La morte di Abele“ in „Kain und Abel“ umbenannt wurde).
Die Musik ist vielschichtig und großartig und wird vom Ensemble Continuum Wien unter Luca de Marchi überzeugend dargeboten. Das ganze Ensemble brilliert sowohl gesanglich als auch spielerisch, herausragend dabei das Frauen-Trio: Carolina Lippo (Herodias), Chiara Brunello (Giovanni Battista) und Anna Piroli (Salomè).
Das Überraschendste an diesem Abend ist aber die Inszenierung von Nicole Aebersold und Jasmin Avissar. Die beiden Damen tappen nicht in die Falle, in der die meisten ihrer Kolleg/innen bei der Begegnung mit Barockopern versinken: sie versuchen erst gar nicht, aus diesem Werk ein veristisches Action-Drama zu machen und dabei die Plastikblutvorräte des Fundus gänzlich aufzubrauchen.
Nein, Aebersold & Avissar sind klug genug, auf stilisierte Gestik und symbolische Ästhetik zu setzen : die Videoeinspielungen von Granatäpfeln und Granatapfelkernen sind schöner und eindrucksvoller und erzählen mehr von der Tragik der Geschichte als alle Blutbeutel dieser Welt.
Alles in allem: die beste Produktion, die man in Retz je gesehen hat und die künstlerisch ernst zu nehmendste Produktion des bisherigen Opernsommers. Hinausfahren! Anschauen! Sie werden es nicht bereuen …

Robert Quitta

 

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