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RESONANZEN 2014/ Wiener Konzerthaus: VON „ADRIANO IN SIRIA“ BIS „ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT“

RESONANZEN 2014 – „QUERKÖPFE“

 KH.GS. 18.1. „ADRIANO IN SIRIA“

 Francesco Maria Veracini (1690-1768) war laut Beschreibung seines Zeitgenossen Charles Burney ein echter „capo pazzo“. Der gebürtige Florentiner verließ seine Heimatstadt fürs erste in Richtung Venedig um als Musiker Arbeit zu finden, dann ging sein Weg weiter nördlich bis Dresden. Diese Stellung verdankte er Prinz Friedrich August von Sachsen, der ein großer Gönner der schönen Künste war. Allerdings war infolge seines schwierigen Charakters sein Pegel an Beliebtheit sehr niedrig, so das er immer wieder Opfer von Neid und Intrigen wurde, und eine Art Verfolgungswahn ausbildete. Demzufolge erklärte er einen Fall aus dem Fenster nicht als Verzweiflungstat sondern als Mordkomplott, angezettelt von seinen Gegner. Er wurde nach diesem Abenteuer vollkommen gesund bis auf ein lebenslanges Hinken, das ihm eine gewisse Diabolik verleite. Aber Deutschland kehrte er den Rücken und ging in seine Heimat Italien zurück.

Die Uraufführung der Oper „Adriano in Siria“ fand am 25. 11. 1741 am Londoner Haymarket Theatre statt. Für diese wurde sogar der große „Farinelli“ Carlo Broschi aufgeboten.

Die Handlung ist nach einem Text von Pietro Metastasio (wer den sonst) das übliche in der Barockoper. Die Protagonisten sind durcheinander immer in den Falschen verliebt, Intrige, Wut, Verzweiflung und Reue jagen sich durch die Akte und am Ende gibt’s die große Versöhnung und jeder bekommt seinen (Traum?) Partner. 

Unter Fabio Biondi, der die Oper für sein „Europa Galante“ rekonstruierte, hörte man fast vier Stunden großartige farbige interessante Barockklänge. Die Rollen sind alle mehr als anspruchsvoll, sogenannte Nebenrollen gibt es nicht. Unter zwei bis sogar vier langen Arien mit endlos Verziehrungen kommt hier niemand weg. Sonia Prina war Adriano, ein Contralto von ungemeiner Modulationsfähigkeit, eigentlich eine ungeheuer „lange“ Stimme, weil auch die Höhe imponierend ist. Ich habe den Eindruck das ihr Vortrag von mal zu mal imponierender wird und die Stimme immer mehr an Volumen in der Tiefe gewinnt, ohne das die Höhe darunter leidet. Die Überraschung des Abends aber war Ann Hallenberg als Farnaspe, der Rolle des Farinelli, Jede Arie so gespickt mit Schwierigkeiten., aber die Dame aus Schweden schaffte es mit höchster Bravour., und schoss damit den Vogel ab. Emirena, Farnaspes Geliebte sang Roberta Invernizzi mit schönen Sopran, auch ihre Arien hatten es in sich, Adrianos Verlobte Sabina war Romina Basso, klang leider ein wenig angeschlagen, konnte aber den schweren Part tapfer durchhalten, auch wenn manchmal ihre Stimme einen leichten „Verhang“ hatte. Der Intrigantin Idalma gab Lucia Cirillo lange markante Klänge. Eine wunderbare samtige Bassstimme hat Ugo Guagliardo. Der einzige Mann in der Damenriege, er war der besiegte Partherfürst Osroa.

Diese Oper hat auch, für diese Zeit ungewöhnlich, ein Duett am Ende. Die Versöhnung zwischen Adriano und Sabina ist nicht nur eine Rezitativausklang, sondern ein echtes melodiöses Duett.

Nach vier Stunden war der Jubel sehr groß, in den Pausen gab es kaum Publikumsschwund.

 KH.MS. 21.1. MALA PUNICA

Ist ein Ensemble, das immer wieder gern gehörter und bewunderter Gast der Resonanzen ist. Das rein religiöse Programm 14. bis frühen 15.Jhdt. mit Werken von Johannes Ciconia (1370-1412), Antonio Zacar da Teramo(1350/60-nach 1413), Matteo da Perugia(1.H. 15Jhdt) und Anonymi wurde ohne Pause wie eine Hohe Messe präsentiert. Immer wieder mit der Begleitung von Glockenklängen, die der Gestaltung eine gewisse Mystik geben. Die weiteren Instrumente waren Orgel und Clavicymbalum/Pablo Kornfeld, zwei Fideln gespielt von Pau(der heißt so, da fehlt kein L) Marcos und Helena Zemanova. Vorzüglich wurden diese Polyphonien gesungen von Barbara Zanichelli und Kathryn Olsen, zwei zarte klare Soprane, ein leichter Alt kam von Marketa Cukrova. Wieder ganz wunderbar die Tenöre Gianluca Ferrarini und Raffaele Giordani. Die Musikalität dieser Künstler ist immer wieder bewundernswert, weil diese Stücke sind zwar sehr alt, aber einfach ist diese Musik nicht und braucht allerhöchste Konzentration..             

Pedro Memmelsdorf, der Vater der Truppe leitete wieder mit ungezügelten Temperament und spielte dirigierend diverse Blockflöten.

 KH.MS.  22. 1.  „GESUALDO PUR“

 Das „Ensemble Arte Musica“ war erstmals Gast bei den Resonanzen und bot ein sehr anspruchvolles Programm mit vokalen Werken von Carlo Gesualdo(1566-1613) sowie Instrumentales von Giovanni Maria Trabaci(1575-1647), Giovanni De Maque(1548-1614) und Ercole Pasquini (Mitte 16Jhdt.-1619). Dieses Programm bot im Gegensatz zum vorhergehenden Abend ein rein weltliches, sehr schwungvolles Programm. Wunderbar die Madrigale des Mörders Gesualdo, Principe di Venosa, der sich nie als Mörder sah, sondern ein Mann der seine Ehre wiederherstellen wollte. Schon sehr grausam, nicht nur die Frau plus Liebhaber zu erschlagen, das hatten wir ja schon bei der Francesca da Rimini, aber auch die Kinder zu töten, weil sie könnten ja nicht seine sein. Die Kirche hatte ihn seinerzeit pardoniert. 

Der Erfolg des Debüts war mehr als groß, wann wird sich sicher wieder über ein Gastspiel dieses Ensembles freuen.

Die Stimmen der Sänger waren ganz besonders schön, die beiden Soprane Lucia Napoli und Damiana Pinti sind ganz klare lyrische Stimmen, sehr ruhig geführt und harmonierten mit den anderen Kollegen sehr gut. Gabriella Martelacci ist ein echter Alt und setzt die Stimme sehr wirkungsvoll ein. Riccardo Pisani/Tenor und Mauro Borgioni/Bariton haben ebenso wirkungsvolle Opernstimme und ganz hervorragend der schwarze Bass von Salvo Vitale. Der Teamchef Francesco Cera leitete sein Ensemble vom Cembalo aus, wobei er zwei Cembalosoli auf einem dafür gestimmten „Extracembalo“ virtuos vortrug. Unterstützt wurden die Sänger von den herrlichen Instrumentalisten Francesco Tomasi/Erzlaute, Silvia De Maria/Diskantgambe, Andrea Lattarulo/Tenorgambe und die Damen auf den Bassgamben Valentina Nicolai und Claudia Pasetto.  Diese Künstler bildeten mit einer Handvoll Instrumente ein Orchester.

 KH.MS. 23. 1. „MALINCONIA“

 Hundert Jahre zurück führte uns das Ensemble „La Capilla“ mit Vokalen und Instrumentalen von Josquin Desprez (1455-1521), einigen Anonymi seiner Zeit und Alexander Agricola(1445- 1506)

Das Programm war zum Teil sakral, aber auch weltlich minniglich. Die Texte stammten zum Teil von Vergil und Jean Lemaire de Belges.

Die Singstimmen sind ausschließlich Männern vorbehalten und dieses Quartett war besonders schön auf einander eingestimmt mit Marnix De Cat/Altus, Tore Denys/Tenor, Lieven Termont/Bariton und Matthew Gouldstone/Bass.  Klar, nicht alle Kompositionen werden im Quartett vorgetragen, auch kleine polyphone Duette oder auch Terzette, a cappella oder mit Begleitung machten den Abend so abwechslungsreich. Instrumental waren Jan Van Outryve/Laute, Patrick Denecker auf Renaissanceblockflöten und Dudelsack sowie Piet Stryckers, Romina  Lischka und Freek Borstlap an der Viola da Gamba.

Ein sehr lyrisch schöner Abend, und schon wie bei den vorangegangenen gab es keine Spur von Leerläufen.

 KH.MS. 25. 1. „OSSI; DER QUERKOPF“

Ein gelungenes Nachmittagsprogramm gestaltet vom österreichischen Ensemble „Unicorn“, gegründet von Michael Posch.

Das Ensemble ist spezialisiert auf alte Musik und Oswald von Wolkenstein ist sozusagen ein Liebling der Künstler. Michael Posch moderierte diese Stunde so hervorragend, dass man sich einfach ins Leben des 15.Jhdts. versetzt fühlte. Ossi, der eigentlich fast ein Rabauke gewesen sein muss, saß ja bekanntlich zweimal im Gefängnis weil er seine Mitmenschen übers Ohr haute. In der Moderation nicht erwähnt, erinnere ich mich an eine Geschichte über ihn, in der er nicht verstehen wollte, dass ihm der Eintritt ins Bordell ohne Zahlung verwehrt wurde.

Seine Musik ist manchmal etwas spröde, fast ein wenig derb, ebenso die Texte, aber so voll Schwung und Lebenslust das man fast mittanzen wollte. Er gehörte zu den Minnesängern die gerne Melodien anderer Kollegen übernahmen und diese dann allerdings mit anderen Texten zum besten gab. Das war absolut traditionell.

Aufgeführt wurde der heitere Nachmittag mit den Vocal Solisten Markus Forster /Countertenor, Hermann Oswald/Tenor, Gernot Heinrich/Tenor und dem Lautenisten Marc Lewon, der auch die Fiedel spielte. An den weiteren Instrumenten werkten Jana Achtmann /Fiedel, Guillermo Perez/Organetto, Wolfgang Reithofer/Perkussion, mindestens vier Trommeln, Albin Paulus mit Löffelspiel und vier Maultrommeln, einfach hinreißend. Michael Posch spielte diverse Blockflöten und leitete den Nachmittag. Wieder hingehen wenn sie wieder spielen und anhören ist ein „Muss“   

 KH: GS. 25. 1  „GRÜNSCHNABELS SCHWANENGESANG“

 Eine große Messe „Missa Omnium Sanctorum a – moll ZWV 21 (1741) und Miserere c-moll ZWV 57 (1738) von Jan Dismas Zelenka..

Eine große Messe aufgeführt vom Collegium 1704 mit Helena Zemanova als Konzertmeisterin und der Chor für beide Werke war das Collegium Vocale 1704.

Das vorangegangene Miserere ist ein großes Chorwerk mit Sopransolo, wunderbar gesungen von Robrta Invernizzi. Die Messe besteht aus sehr viel Chor und den obligaten Sängerquartett wieder Sopran/Roberta Invernizzi, weiters Altus/Terry Wey, Tenor/Julian Pregardien und Bass Tomas Kral, der auch mit dem Chor sang. Die Stimmen waren sehr gut aufeinander abgestimmt, somit waren die Soloensembles sehr harmonisch, aber auch die Solostellen der Einzelstimmen klangen wunderbar. Vaclav Luks begleitete sehr gekonnt und einfühlsam alle beteiligten und war stolz das Werk erstmals aufzuführen. Das sind so Kleinodien die man eigentlich nur bei solchen Festivals zu hören bekommt. Bravo.

 KH. GS.  26. 1.  „ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT“

 Und mit einem großen Barockprogramm wird der Kreis wieder geschlossen. Vor der Pause Instrumentales von Georg Friedrich Telemann (1681 – 1767), Johann David Heinichen (1683-1729), Jean- Philipp Rameau (1683-1764) sowie Johann Adolf Scheibe (1708-1776). Den Abschluss bildete die Kantate „INO“ von Telemann. Schon eine kleine Oper, wenn man an Donizettis Frühwerk „Il Pigmalione“ denkt. Vorgetragen wurde dieses Stück bestehend aus Wehklagen und Lobgesang von der Sopranistin Maria Keohane. Eine lyrische Stimme, die im Piano einen angenehmen Klang zu bieten hat, die Fortehöhen aber an einen Glasschneider von größter Schärfe erinnern. Also blieb die Freude an der schönen, eher einfachen Musik nicht ganz ungetrübt.

Das Concerto Copenhagen unter der Leitung von Lars Ulrik Mortensen leistete virtuos den größten Teil des Programmes. Lars Ulrik Mortensen leitete alles vom Cembalo aus und dies sehr temperamentvoll. Er sang, er litt und er tanzte mit.

 Weitere Höhepunkte instrumental waren am 19. 1. „Bach – gezupft“ , dargeboten von Hopkinson Smith auf der Laute, nahezu meditativ die Cellosonaten auf der Laute , am 20. 1  versammelte der Barockgeigen Spezialist Hiro Kurosaki musizierende Freunde um Dresdner Typen zu präsentieren. Dies alles erlebte man im Mozartsaal.

Am 24. 1. gab es das traditionelle „Essenskonzert“, also ein schwungvoller Konzertgenuss mit Variationen von Costanzo Festa (1485-1545) über andere Komponisten seiner Zeit. Vorgetragen wurde diese sehr heitere Musik vom Ensemble „Capella de la Torre“ unter Katharina Bäuml. Nachher ging es vom Mozartsal in das große Foyer, wo das Menü aufgetragen wurde. Diesmal zu Querköpfen passend sehr eigenwillig von Weinzierl zusammengestellt: Rotkrautsuppe mit Nashi-Beifuß-Ragout, sehr angenehm gewürzt und fein im Geschmack. Sehr zart auch das Huhn Strofganoff mit Senfgurken-Linguini. Die Senfgurke blieb leider unbemerkt. Die Alternative, Borschtfleckerl waren leider zuwenig gewürzt, wären aber einen kräftigeren zweiten Versuch wert. Der gesalzene Apfelstrudel mit kandiertem Kren war ein netter Versuch, wunderbar das Tiramisu von Tonkabohnen mit grüner Pfeffersauce.

 Man kann sich auf die Resonanzen 2015 schon erfreut vorbereiten

Elena Habermann

 

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