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Remastered: LA FANCIULLA DEL WEST

14.05.2017 | cd, CD/DVD/BUCH/Apps

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REMASTERING: Wachsendes Geschäftsfeld auf dem stagnierenden Opernmarkt

LA FANCIULLA DEL WEST: PENTATONE 2 SACD Hybrid Multichannel – Musterbeispiel einer gelungenen klanglichen Auffrischung

Veröffentlichung: 26. Mai 2017

Opern-Studioaufnahmen haben es aktuell schwer. Aus Kostengründen, aber auch weil vielfach keine zwingenden Sängerbesetzungen zur Verfügung stehen, sind aufwändige Einspielungen im klassischen Opernrepertoire – ausgenommen Barockes – quasi ausgestorben wie die Dinosaurier. Vernünftig und geschäftlich/künstlerisch klug scheint es daher, wenn Plattenfirmen, die sich heute hauptsächlich fast-food-mäßig von mehr oder weniger gelungenen Live-Mitschnitten nicht gerade „bio“ nähren, ihre Archivschätze auf Basis der „Masterbänder“ polieren und auf den neuen technischen Stand bringen.

Das Traditionslabel Deutsche Grammophon präsentiert etwa im Mai dieses Jahres drei Neuauflagen legendärer Operneinspielungen von Carlos Kleiber (La Traviata) und Leonard Bernstein (Fidelio). Die Originaltonspuren wurden bei 24-bit / 96KHz neu gemastered, was ein besonders klares Hörerlebnis garantiert. Universal bringt schon seit längerer Zeit sog. Deluxe-Ausgaben kumulativ auf CD und Blu-ray Audio heraus. Der Opernfreund, der über das nötige technische Equipment zu Hause verfügt, kann alle Klangwunder dieser Welt mit großartigen Sängern auf Tonträgern erleben. So mit Turandot – Mehta; Sutherland, Pavarotti, Caballé; L‘Elisir d‘Amore – Bonynge; Pavarotti, Sutherland, La Boheme – Karajan; Freni, Pavarotti oder Elektra und Salome mit Birgit Nilsson unter Sir Georg Solti (letztere werden ab 5.6. im Handel erhältlich sein).

Das Label PENTATONE, das sich beim Remastering legendärer Archivschätze schon in der Vergangenheit besonders hervorgetan hat, hat die von der Deutschen Grammophon im Juni 1977 in der Watford Town Hall in London aufgenommene Fanciulla del West von Puccini technisch beispielhaft restauriert. Die Super Audio-CD (SACD) bietet aufgrund von zwei Schichten, von denen eine das herkömmliche Signal und die andere das Surround Sound Signal enthält, alle Voraussetzungen, die alten Quadrophonic-Aufnahmen wieder dem Musikfreund in nie gekannter akustischer Qualität zugänglich zu machen. Die Toningenieure konnten auf die Original Test- und Messbänder zurückgreifen und somit die ursprünglichen Prozesse auf den analogen Geräten replizieren.

Das Ergebnis kann sich hören lassen. Mehtas neben der oben erwähnten Turandot wohl zweiter Jahrhundertstreich einer Aufnahme aus dem italienischen Repertoire entzündet mit dem Orchester und dem Chor des Royal Opera House Covent Garden in absoluter Bestform ein veristisches Feuerwerk sondergleichen. Diese so schwierig zu realisierende Partitur mit allen rhythmischen Vertracktheiten und enormen dynamischen Kontraste ergießt sich als opulent fließender Klangstrom aus dem Lautsprechern. Arturo Toscanini, der Uraufführungs-Dirigent, hat die Oper als „symphonische Oper“ bezeichnet. In der Harmonik setzte Puccini auf übermäßige Dreiklänge, unaufgelöste Dissonanzen, Ganztonleitern und einige impressionistische Stilmitteln die diese Oper so besonders machen. Placido Domingo glänzt, wie die Wiener das 1979 auch live unter Patané erleben durften, in seiner wohl besten Puccini Rolle als Dick Johnson. Mit immens breitem baritonal gefärbtem Tenor ohne Limit mischt Domingo dramatischen Ausdruck mit einer überreichen stimmlichen Farbpalette. Domingo kann man auch live (neben der späteren Aufnahme aus der MET mit Barbara Daniels unter Leonard Slatkin bei Deutsche Grammophon) in einem Mitschnitt dieser Oper aus der Covent Garden Opera aus dem Jahr 1982 ebenfalls mit der hinreissenden Carol Neblett als Minnie erleben (mit Silvano Carroli unter Nello Santi, Label NVC). Carol Neblett ist (trotz Tebaldi, Nilsson und Zampieri) die sicherlich sanglich beste Minnie auf Tonträgern. Mit allen stimmlichen Attributen einer echten Versimo-Diva à la Magda Olivero oder Renata Scotto ausgestattet, wartet ihr unerschöpflicher Spinto-Sopran mit lichten aufblühenden Höhen noch dazu mit einer ungeheuren Wärme auf, die vom Timbre her noch einen Schuss Sena Jurinac in sich trägt. Von Phrasierung, Textausdeutung und als Partnerin in den Duetten kann man ebenso nur schwärmen. Echt schade, dass diese Sängerin von der Tonträgerindustrie so sträflich vernachlässigt wurde. Kenner werden vielleicht noch ihre Marietta in der Toten Stadt, ihre Musetta unter Levine oder ihre Vitellia in La Clemenza di Tito (ebenfalls Levine) schätzen. Allrounder Sherrill Milnes ist der klangschönste, vielleicht nicht dämonischste aller Bösewichte in der Rolle des Jack Rance.

Fazweit: Eines der besten und wichtigsten Remasterings der letzten Jahre. Unverzichtbar! Es ist sehr zu begrüßen, dass auch die europäischen „Filialen“ von Universal und Pioniere wie Pentatone nicht mehr den Japanern oder den Australiern in der technischen Meisterschaft der Klangaufbereitung klassischer Musik nachstehen.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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