Reinhard Tötschinger:
ROCHADE
Roman, 288 Seiten, Picus Verlag
Das Kunsthistorische Museum in Wien besitzt einen einzigen Vermeer, in den Maßen nicht sehr groß (etwas über einen Quadratmeter), aber eine Kostbarkeit – das Bild heißt „Die Malkunst“, zeigt den Maler selbst mit dem Rücken zum Betrachter an seiner Staffelei, vor ihm eine schöne junge Frau in Blau mit einer Trombone in der Hand, ein in allen Details (vom Boden bis zu den Vorhängen) wunderbar sorglich ausgeführtes Werk. Und, wie gesagt, es ist der einzige originale Vermeer, den man in Wien besitzt.
Er wurde nun indirekt zum Helden eines Romans von Reinhard Tötschinger, den man an sich als Unternehmensberater und Psychotherapeut vielfach im Internet angekündigt findet, der sich aber nun, nicht zum ersten Mal, als Autor betätigt. „Rochade“ ist hier nicht als Begriff aus dem Schach gemeint, aber um „Austausch“ (wie dort) geht es sehr wohl.
Fiktive Voraussetzung: Es wäre nicht zum ersten Mal, dass Attentate auf Kunstwerke verübt werden. Man stelle sich vor, das wäre der „Malkunst“ des KHM passiert. Dann müsste der Meister-Restaurator des Hauses, Clemens Hartmann, herbei. Dass die vielen „Verwundungen“ des Bildes nicht so leicht zu heilen sind, ist ihm klar. Wenn er sich dafür Zeit lassen könnte, gäbe es dieses Buch, das der Autor kurz in der Zukunft (2022, das ist schon bald) angesiedelt hat, nicht. Aber…
Tötschinger unterstellt, was in der Realität undenkbar ist, aber es ist ja ein (satirischer) Roman: Der Bundeskanzler will das Gemälde (400 Millionen Euro wert) bei sich im Arbeitszimmer, hinter seinem Schreibtisch, und er will es gleich. Eine unlösbare Aufgabe – es sei denn, man erstellte eine Kopie. Clemens Hartmann empfindet sich selbst eher als Maler denn als Restaurator, sein Assistent Hubert ist ein begeisterter Mitstreiter – und auf einer anderen Ebene von Rückblicken erfährt man, dass schon Hartmanns Großvater als Berater von Nazi-Größen mit dem Fall „Malkunst“ und dessen teilweise bekannten Kopien befasst war. Besonders überschaubar ist das Schicksal des Bildes, das Hitler selbst einst um 1.6 Millionen Reichsmark für sein persönliches „Führermuseum“ gekauft hat, nun auch nicht… Und eine Kopie mehr oder weniger?
Die amüsantesten Passagen des Buches, das mit Original / Fälschung / Betrug / Lachen über „Fachleute“ wild herumjongliert, sind jene, in denen sich Clemens bei der Arbeit mit „Jan“ unterhält, mit Meister Jan Vermeer persönlich. Der Rest ist sehr viel Unwesentliches, das den Eindruck erweckt, nur als Füllsel zu dienen, damit das Buch einen gewissen Roman-Umfang erreicht. So genau mag man vieles Irrelevante gar nicht wissen.
Wer den Bundeskanzler nicht mag, wird sich an den vielen kleinen Bosheiten gegen ihn ergötzen (und Christiane Hörbiger bekommt für ihr Bekenntnis zu Kurz noch ein paar verbale Ohrfeigen). Amüsant ist übrigens der Hinweis des Verlags, „Das Programm des Picus Verlags wird im Rahmen der Kunstförderung des Bundeskanzleramts gefördert.“ Ausgerechnet!
Außer der Vermeer-Fälscher-Geschichte gibt es viel österreichischen Alltag, wie er uns aus dem Fernsehapparat erreicht, vom Autor ironisch kommentiert. Aber es ist kein Zeitroman, das ist Staffage. Es soll eine Schelmengeschichte sein. Dafür ist sie aber zu wenig spritzig erzählt. Der Autor zerkaut sein Thema. Meister Jan Vermeer hätte das konzentrierter gemalt.
Renate Wagner