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Rachel FRENKEL – Von Hosenrollen und anderen Leidenschaften

04.10.2018 | Allgemein, Sänger

WIEN/Staatsoper: GESPRÄCH MIT RACHEL FRENKEL

Von Hosenrollen und anderen Leidenschaften

2.10.2018

Manfred A. Schmid


Rachel Frenkel. Copyright: Marco Borggreve

Völlig ungezwungen – und dennoch höchst konzentriert und selbstbewusst: So präsentierte sich Rachel Frenkel in einem Gespräch, das anlässlich ihres bevorstehenden Opern-Rollendebüts als Ascagne in der Neuinszenierung von Hector Berlioz´ Oper Les Troyens an der Wiener Staatsoper geführt wurde. Gleich am Anfang stellt sie klar, dass sie in ihrer Partie – Ascagne, der Sohn von Enée (Aeneas) – zwar nicht allzu viel zu singen habe, darstellerisch aber durchaus gefordert sei. Immerhin stünde sie in dieser Aufführung, die rund viereinhalb Stunden dauert, fast pausenlos auf der Bühne. Man habe es hier also tatsächlich mit einer Grand Opéra zu tun: Bis zu über 140 Personen bewegen sich in manchen Szenen gleichzeitig auf der Bühne. „Aber auch das liegt mir“, erklärt sie, weil sie eben auch den schauspielerischen Aspekt des Opernbetriebs sehr zu schätzen wisse. Und mit David McVicar habe man es mit einem Regisseur zu tun, dem derlei Überdimensionalitäten ohnehin keinerlei Angst einjagen würden: Das werde auf jeden Fall ein großer Opernabend werden – „groß in jeder Beziehung!“. Von der laufenden Probenarbeit zeigt sie sich jedenfalls mehr als begeistert. Sie höre ihren großen Kolleginnen Joyce DiDonato und Anna Caterina Antonacci gerne zu und kenne zudem den musikalischen Leiter der Aufführung, Alain Altinoglu, noch aus ihrer rund zehn Jahre währenden Berliner Zeit, als beide noch ziemlich am Anfang gestanden hatten.

Zunächst waren es vor allem die Hosenrollen – von Cherubino (Nozze) bis Niklas (Les contes d´Hoffmann) die die aus Israel stammende Mezzo-Sopranistin in ihren Bann gezogen hatten. Kecke und freche, übermütige, ja oft schwer erziehbare junge Männer darzustellen, meint sie lächelnd, habe ihr schon immer gefallen. Vor allem die Opern Rossinis und Mozarts seien voll davon, und viele habe sie wohl schon gesungen. In den letzten Jahren sei sie deshalb viel gereist, u.a. zu den Festspielen in Salzburg, Bregenz, Glyndbourne oder zu Mostly Mozart in New York. Jetzt aber, verheiratet und mit zwei wunderbaren Kindern gesegnet, sei sie dabei, ihre Reisetätigkeit einzuschränken. Das sei mit ein Grund, warum sie sich nun wieder mehr an Wien und an die Staatsoper binden wolle, deren Ensemblemitglied sie ja schon seit 2011 ist. Nicht zuletzt auch deshalb, weil ihr Sohn gerade mit dem Kindergarten begonnen habe. Es spräche also viel dafür, Wien zum Zentrum ihres künstlerischen Schaffens zu machen. Zudem sei Wien eine sehr familienfreundliche Stadt, wie sie findet.


Rachel Frenkel im Mahlersaal der Wiener Staatsoper. Copyright: Michael Pöhn/ Wiener Staatsoper

Auch musikalisch ist sie dabei, neue Wege zu gehen. War sie früher vor allem als Mozart- und Rossini-Sängerin im Einsatz, so möchte sich nun mehr in Richtung französische Opern orientieren. Mit Siebel in Gounods Faust habe sie einen ersten Schritt in diese Richtung gemacht und könne sich für die Zukunft gut auch die Partie der Charlotte in Massenets Werther vorstellen. Auch Richard Strauss interessiere sie sehr. In der vergangenen Saison habe sie an der Staatsoper zum ersten Mal als Komponist in Ariadne auf Naxos von Strauss mitgewirkt. Der Rosenkavalier-Octavian würde sie ebenfalls reizen, da sehe sie einige Parallelen zum Cherubino.

Nun, mit der Mutterschaft – Rachel Frenkel ist verheiratet und hat zwei Kinder – sei ihre Stimme größer und voller geworden. Auch mental sei sie gewachsen und fühle sich deshalb auch bereit für die großen Frauenrollen. Das heißt aber nicht, dass sie von den Hosenrollen für immer Abschied nehmen wollte. Diese interessieren sie weiterhin, außerdem habe sie noch lange nicht alle gesungen. Und im Zusammenhang mit noch zu entdeckenden Hosenrollen denkt sie in erster Linie auch an die großen Mezzopartien in den Barockopern. „Händel, das wäre ein Traum für mich.“ Aber in Wahrheit, gibt sie zu, möchte sie eigentlich alle Opernrollen singen, für die ihre Stimme geeignet ist, bzw. geeignet sein wird.

Im November erwartet die Sängerin eine neue Herausforderung. In der Uraufführung von Johannes Maria Stauds Auftragsoper Weiden wird sie die weibliche Hauptrolle übernehmen. „Darauf freue ich mich schon sehr,“ fügt sie mit leuchtenden Augen hinzu, und sei schon sehr gespannt. Es wird das erste Mal sein, dass sie mit unmittelbar zeitgenössischer Musik zu tu haben werde. Auch dramaturgisch sei sie sehr daran interessiert, denn sie könne der etwas mysteriös anmutenden Handlung persönlich sehr viel abgewinnen. Sie verkörpert darin Lea, die Tochter von Immigranten, die in Amerika leben. Als sich Lea in einen Europäer verliebt, sind die Eltern, selbst überlebende des Holocausts, gar nicht erfreut darüber. So unternimmt sie mit ihrem Freund eine Flussfahrt durch europäische Länder. Gemeinsam werden sie in Begegnungen mit den Anwohnern und deren Ansichten verstrickt. – Ob sie sich weiterhin für modernes Operntheater engagieren werde oder engagieren lassen werde? „Warten wir erst einmal diese Uraufführung ab, und fragen Sie mich dann noch einmal,“ ist ihre knappe Antwort.

Gefragt nach musikalischen Betätigungen abseits der Opernbühne verweist die Sängerin auf ein Konzert mit Mahler-Liedern, das sie mit dem Japan Century Symphony Orchestra in Osaka absolviert hat. Auch für den Musikverein sei im Frühjahr ein Konzertprogramm mit Mahlers Rückert-Liedern in Vorbereitung, ergänzt durch Kompositionen von Granados und Ravel. Sie empfinde diese Ausflüge in die Welt der Lieder als „sehr erfrischend und ganz anders als bei einer Opernaufführung“.  Man sei beim Liedgesang eben viel fokussierter, weshalb sie den Liedgesang eigentlich auch für eine weit größere Herausforderung halte. Man sei dabei eben „total exponiert“, nichts könne man mit großen Gesten, Kostümen oder Masken und betontem Make-up kaschieren. Mit den schon seit einiger Zeit in Mode gekommenen Cross-over Experimenten hingegen hat sie bisher noch nicht geliebäugelt. Gut vorstellen könne sie sich aber, dass sie einmal mit alten israelischen Liedern oder amerikanischen Songs, vielleicht nur auf der Gitarre begleitet, auftreten werde.

Geboren wurde die sympathische Mezzosopranistin, die in so kurzer Zeit schon so viel erreicht und eine glänzende Zukunft vor sich hat, in einem kleinen Kibbuz in Israel. Dort wurde man auf ihre Stimme aufmerksam, als sie von Kindesbeinen an bei verschiedenen Anlässen gerne und offenbar gut gesungen hatte. Und obwohl sie zunächst den Berufswunsch Kindergärtnerin gehabt hatte, ging es dann bald mit der Gesangsausbildung und anschließender Karriere los. Und jetzt habe sie ja selbst – bis auf Weiteres – „einen kleinen, eigenen Kindergarten“, fügt sie fröhlich hinzu.

Wie sie mit Kritik umgehe? – Sie habe zum Glück überwiegend positive Reaktionen. Negative Kritik, die nicht konstruktiv ist, blende sie nach Möglichkeit aus, lasse sie nicht erst an sich herankommen. Sie habe ein paar Personen, auf deren Urteil sie sehr viel Wert lege und die sie ernst nehme. Am meisten stören sie Vergleiche mit anderen Sängerinnen in ihrem Fach, denn damit könne man wirklich nichts anfangen.

Ob sie Lampenfieber habe? „Nein. Gewöhnlich verlasse ich das Haus schon Stunden vorher und versuche – allein in einem Raum – mich entspannt und ohne jede Hektik auf die Rolle einzustimmen.“ Da sei sie körperlich und mental in einer Art „save energy mode“ und trete dann, wenn es soweit ist, voll Zuversicht und recht gelassen auf die Bühne. Und so wird es wohl auch am 14. Oktober sein, dem großen Tag der noch größeren Premiere der übergroßen Grand Opera Les Troyens von Hector Berlioz!

4.10.2018

 

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