Giuseppe Verdi: La Traviata, Státní opera Praha (Staatsoper Prag), Vorstellung: 08.02.2020
(192. Vorstellung seit der Premiere am 05.10.2016)
Mustergültige szenische Umsetzung
Vor einem guten Monat (5. Januar 2020 – genau 132 Jahre nach der Eröffnung) wurde die Staatsoper in Prag nach zweieinhalb Jahren Renovation mit einem grossen Konzert (bis 03.07.2020 verfügbar unter: https://www.arte.tv/de/videos/094520-001-A/galakonzert-zur-wiedereroeffnung-der-staatsoper-prag/) wiedereröffnet.
Foto © Národní divadlo Praha
Am stadtplanerischen Verbrechen das als „Neues Deutsches Theater“ eröffnete Haus zwischen zwei Schnellstrassen einzuzwängen und den wenig ansprechenden Bauten der Umgebung konnte die Renovation natürlich nichts ändern.
Optisch ist die Renovation weitgehend gelungen. Weitgehend, denn es bleibt zu fragen, wieso kein echter Vorhang über dem Portal möglich war und man stattdessen mit einer billigen, weil schon auf Distanz erkennbaren, weil wenig kunstvoll gemalten Nachbildung vorliebgenommen wurde.
Aus Sicht des Besuchers funktionieren die Abläufe bestens, inklusive der Untertitelanlage (Tschechisch, Englisch, Deutsch) am einzelnen Platz.Wie heutzutage eine Renovation ohne den Einbau eines Liftes möglich ist, bleibt die grosse Frage. Eigentlich gibt es genügend Fellner&Helmer, die hätten zu Rate gezogen werden können.
Die Inszenierung von Arnaud Bernard (Regie) überzeugt in ihrer absoluten Schlichtheit, die es Sänger und Publikum erlaubt sich ohne Ablenkung ganz auf die Geschichte zu konzentrieren. Alessandro Camera (Bühnenbild) hat dazu ein ganz in Weiss gehaltenes Einheitsbühnenbild aus einer halbkreisförmigen, schlichten hölzernen Wandverkleidung mit zwei Türen geschaffen. Für die einzelnen Akte genügen dann wenige Versatzstück und die mobilen Elemente des Bühnenbilds. Während der inszenierten Ouvertüre ist Violettas Kollegin Flora zu sehen, wie sie im zwischen dem halbkreisförmigen Sofa ausgebreiteten Geld badet und sich von ihrem letzten Kunden bezahlen lässt. Eine flinke Dienerschaft packt dann das Geld zusammen, damit Violetta rechtzeitig ihre Gäste begrüssen kann. Im zweiten Akt finden dann Herbstlaub, das Liebespaar ist zwar in der Idylle auf dem Land, aber mit dem Besuch von Vater Germont kommt auch der Anfang vom Ende, und ein windradförmiger Dreier-Sessel Verwendung. Im dritten Akt wird mit drei Elementen der Wand-Verkleidung etwas Privatsphäre geschaffen – zugleich ist aber mit der Aufteilung der Wandverkleidung ein weiterer Schritt zum Ende getan. Für einmal stirbt Violetta im Ohrensessel und nicht im obligaten Krankenbett. Die diskreten Kostüme von Carla Ricotti unterstützen die mustergültige szenische Umsetzung.
Marie Fajtová gibt mit grosser Stimme ein Violetta Valery mit guter Bühnenpräsenz. Scharfe Höhen und einheitliche Farben beeinträchtigen den Eindruck leider. Richard Samek ist mit guten Höhen und kraftvoller Stimme ein Alfredo, wie man ihn sich vorstellt. Nach Anlaufschwierigkeiten gelingt Miguelangelo Calvacanti ein souveräner Giorgio Germont. Alle weiteren Rollen sind adäquat besetzt, stellvertretend sei hier Sylvia Čmugrová als Flora Bervoix genannt.
Einen hervorragenden Eindruck hinterlassen die Kollektive: der von Adolf Melichar vorbereitete Chor der Staatsoper Prag und das Orchester der Staatsoper Prag unter Leitung von Enrico Dovico.
Der Abend hinterlässt einen unerwartet positiven Eindruck.
Weitere Aufführungen: 12. 03.2020, 19.03.2020, 27.03.2020, 08.05.2020.
11.02.2020, Jan Krobot/Zürich