„Prachtgemäuer“ –
Wagner-Orte in Zürich, Luzern, Tribschen und Venedig -Herausgeber Bührle,
Kiesel und Mildner im Verlag ConBrio 2020
Das Prachtgemäuer als Prachtband!
So wie Loge im „Rheingold“ den Bau Walhallas durch die Riesen Fasolt und Fafner mit den Worten „Das Prachtgemäuer prüft ich selbst“ begutachtet, so kann man dem Feuergott nach dem Durchblättern dieses in der Tat Pracht-Bandes nur auf das Schönste zustimmen. Nach drei vorausgegangenen Publikationen der Herausgeber Kiesel und Mildner mit „Das Richard Wagner Festspielhaus Bayreuth“ (2007, vergriffen), „Wahnfried“ (2016) und den Reiseführer „Wandrer heisst mich die Welt“ (2019) ist nun mit der vierten Edition die Krönung dieser Serie erreicht.
In Bild und Wort werden die verschiedenen Wohnorte Wagners in Zürich, Luzern, Tribschen und Venedig ausführlich dokumentiert. Das reiche und auf das Sorgfältigste recherchierte Bildmaterial wird den teils speziell für diese Publikation realisierten Fotografien, die u.a. von Joachim Mildner, einem der drei Herausgeber, beigesteuert wurden, gegenübergestellt. Und mit den entsprechenden Passagen aus den Aufzeichnungen Wagners und Cosimas, die ja nahezu lückenlos das Leben Wagners gleich einem Film nachzeichnen lassen, wird die entsprechende textliche Ergänzung geliefert.
Eine faszinierende Spurensuche, die eine einzigartige Herangehensweise an das unstete Leben Wagners aufzeigt. Umso mehr sind seine Wohnungen im Zürcher Asyl auf dem Grünen Hügel, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Otto und Mathilde Wesendoncks repräsentativer Villa, und das einladende Haus am Vierwaldstättersee Ruhepunkte auf einem sonst ruhelosen Lebensweg. Im schönen Landhaus auf der Halbinsel Tribschen bei Luzern verbrachte Wagner mit Cosima und seinen Kindern die wohl glücklichsten sechs Jahre seines Lebens, wie er es selbst wiederholt festgestellt hat.
Dass gerade kürzlich die von Gustave Doré illustrierte Familienbibel auftauchte, die Wagner 1870 aus Dankbarkeit Pfarrer Tschudi, der ihn in der reformierten Matthäus-Kirche in Luzern mit Cosima getraut und den Stammhalter Siegfried getauft hatte, zum Geschenk machte, ist eine schöne Fügung. Die Widmung Wagners in dieser Bibel ist bereits im „Prachtgemäuer“ abgebildet und erwähnt: Da haben die Herausgeber schnell reagiert! Und auf einem Foto von Zürich sind sogar fast dieselben Föhnwolken über dem See wie auf dem alten Stich zu sehen.
Autoren wie Christian Bührle, Nike Wagner, Katja Fleischer, Gabriele Lutz, Dagny Beidler, Simon Burri und viele andere mehr haben erhellende Erläuterungen zu Wagners Zeit in der Schweiz und in Venedig beigetragen. Übrigens konnte der Prachtband, der ein hervorragendes, übersichtliches und ästhetisches Lay-Out aufweist, trotz oder gerade wegen der Corona-Krise in wenigen Wochen – nach einer Bearbeitungszeit von vier Jahren – fertiggestellt werden. Er hätte zu den Festspielen in Bayreuth erscheinen sollen. Nun liegt die Neuerscheinung vor und die Festspiele sind dieses Jahr ausgefallen. Ein Grund mehr, sich diesen Prachtband sogleich anzuschaffen!
John H. Mueller