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PORTRÄTGALERIEN AUF PAPIER

15.10.2021 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

buch porträtgalerien

Patrick Poch:
PORTRÄTGALERIEN AUF PAPIER
Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs,  Band 111.2 
324 Seiten, Verlag Böhlau, 2018

In dem wissenschaftlichen, von offiziellen Seiten unterstützten Bestreben, den Nachlass der Habsburger, heute Besitz der Republik Österreich, aufzuarbeiten, nimmt – für manche vielleicht überraschend – Kaiser Franz I. eine wichtige Stellung ein. Gerade der Mann, der gerne als dumpf und uninteressiert dargestellt (und damit wohl gröblich unterschätzt) wird, bestenfalls Bürger und Gärtner, der Klatsch liebte, konnte schon als herausragender Kunst- und Kultursammler dargestellt werden.

Bereits drei voluminöse, gleichfalls im Böhlau Verlag erschienene Bände befassten sich mit seiner Porträtsammlung (eine Bildersammlung großen Stils), mit seiner Privatbibliothek und schließlich mit jener von ihm am Tage vor seinem Tod beschlossenen Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg, mit der rechtlich sicher gestellt wurde, dass bisher Zusammengetragenes nicht auseinander gerissen oder gar verkauft werden durfte (was anderen fürstlichen Sammlungen durchaus geschehen war).

Der Band „Porträtgalerien auf Papier“ von Patrick Poch, Leiter der Abteilung Grafik im Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek (wo die von ihm behandelten Schätze heute lagern, nachdem man sie von der Albertina wieder abgespalten hat), befasst sich mit der druckgraphischen Sammlung, die Franz schon als junger Mann angelegt hat und die in gut fünfzigjähriger, ambitionierter Sammlertätigkeit auf 66.709 Blätter angewachsen ist.

Wie auch in den anderen Bänden wird hier die Biographie von Kaiser Franz I. nach dem Gesichtspunkt dieses Aspekts erzählt, mit neuen, interessanten Facetten. Aufgewachsen ist er bekanntlich in Florenz, wo sein Vater Leopold als Großherzog eine Habsburgische „Außenstelle“ besetzte und mit sehr viel Geschick, Verstand und fortschrittlichen Ambitionen regierte.

Leopold, der selbst als Sohn Maria Theresias an einem Hof aufgewachsen war, wo alle zeichneten und malten, sangen und tanzten, erachtete dieses kulturelle Element auch für die Erziehung seiner Kinder für essentiell. Diese wurde auch dem ältesten Sohn Franz zuteil, der beispielsweise so profunden Zeichenunterricht erhielt, dass eine Basis für echtes Kunstverständnis geschaffen war.

Auch ein junger Erzherzog kann seine Sammlergelüste nicht a priori mit großen Gemälden und voluminösen Prachtbänden von Büchern beginnen. Druckgraphik war – sogar für Bürger – erschwinglich, und das Angebot war riesig – im Vor-Fotografie-Zeitalter fand man hier „Bilder“ aller Art. Haben später, als es mit Fotos leicht war, Jugendliche die Bilder von Filmstars oder Fussballgrößen gesammelt, so wünschte sich der junge Erzherzog Franz, der schon vor seinem Vater nach Wien gekommen war (Thronfolger für seinen kinderlosen Onkel Joseph II.), erst für sein Zimmer einige Landschaftsdarstellungen.

Sehr schnell aber erwachte sein Interesse vor allem an Porträts, anfangs Politiker und Militärs, nach und nach königliche Persönlichkeiten, natürlich auch von der eigenen Familie. (Auch Literaten, Künstler, Schauspieler gesellten sich dazu.)

Wie ernst er das Sammeln nahm, zeigt sich an den handschriftlichen Registern (ein „Catalogue de Portraits“), die er über seine Besitztümer führte, und an den Biographien, die er zu den einzelnen Persönlichkeiten auf den Bildern eigenhändig in kleinen Büchleins notierte. Schon als er noch in seiner Eigenschaft als Thronerbe von seinem Onkel vielfach auf Reisen geschickt wurde, nutzte er die Gelegenheit, sich nach neuen Bildern umzusehen.

Dass er kein willkürlicher, sondern bald ein hoch ambitionierter Sammler des „Papierwerks“ war, zeigen viele Rechnungen, die sich heute noch in Archiven finden und die beweisen, wie intensiv von Händlern gekauft wurde. Auch österreichische Botschaften in anderen Ländern wurden angewiesen, sich für den Kaiser nach Druckgraphik umzusehen.

Später beauftragte er eigene Agenten, darunter den nicht unberühmten Joseph Sonnleithner, noch vielfach bekannt als Onkel von Franz Grillparzer, „Fidelio“-Librettisten oder Mitbegründer der Gesellschaft der Musikfreunde. Dem Wiener Kunsthändler Stöckl gelang es, für Franz die berühmte Sammlung des Hannoveraners Georg Friedrich Brandes zu erwerben, immerhin kamen damit 14.000 Bildnisse auf einem Schlag zu den vorhandenen.

Dass sich Franz als Kaiser (die längste Zeit von Napoleon in Kriege verstrickt) nicht mehr in vollem Ausmaß seiner Sammlerlust widmen konnte, versteht sich, aber er hat nie damit aufgehört. Er war übrigens mit dieser Leidenschaft absolut nicht allein.

Das Buch, das sich auch ausführlich mit den Ordnungsprinzipien der Sammlung befasst, schwenkt als Referenz zu anderen berühmten druckgraphischen Sammlungen, wobei Herzog Albert von Sachsen-Teschen, Gatte seiner Tante Erzherzogin Marie Christine (der vor allem Kunstblätter zusammen trug) erwähnt wird und der große Sammler Prinz Eugen von Savoyen im Vordergrund steht. Aber auch andere Fürsten sammelten „Papierwerk“, und das durchaus aus Lust und nicht nur aus Repräsentationssucht (dazu eigneten sich Gemälde besser): Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz oder Frankreichs letzter König Louis Philippe I. (beide mit Habsburgerinnen verheiratet, also „Verwandte“) galten als berühmte Sammler.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Bücher über Kaiser Franz I. als Sammler sein (biographisches) Bild positiv ergänzen – und dass man als „schauender“ Leser gerne noch viel, viel mehr Bilder gesehen hätte, als sie dem Buch ohnedies beigefügt sind.

Renate Wagner

 

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