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POMPEI/ Teatro Grande: SALOMÈ von Oscar Wilde

23.06.2018 | Allgemein, Theater


Copyright: Pompei/ Teatro Grande

POMPEI/ Teatro Grande SALOMÈ von Oscar Wilde am 21.6.2018

Lange Zeit ist das römische Teatro Grande in Pompei leergestanden oder zweckentfremdet für Rock-und Popkonzerte verwendet worden. Aufgrund einer Initiative des neapolitanischen Teatro Mercadante findet dort  unter dem Titel Theatrum Mundi jetzt schon den zweiten Sommer ein kleines Theaterfestival statt.

Eröffnet hat soeben der Chef, Luca de Fusco, selbst – mit einer Inszenierung der Salome von Oscar Wilde. Im Programmheft erklärt de Fusco wortreich seine Wahl („ein weltberühmtes, aber nahezu nie aufgeführtes.Stück“), aber ganz schlau wird man aus seinen Beweggründen dann doch nicht, vor allem auch, was diesen Ort begrifft. Ja, gut, die Story spielt angeblich in römischer Zeit, aber das (ursprünglich auf französisch geschriebene) Werk atmet doch ganz den Geist der symbolistischen Maeterlinck-ähnlichen décadence. Ich würde sogar sagen, es ist ganz von diesem Geist durchseucht. Der Text ist zweifellos toll, was sich aber nicht ganz erschließt ist, was uns der Dichter damit sagen will: dass undeflorierte Minderjährige, dass jüdische Lolitas bösartig und tödlich sind ? Vielleicht ergibt das Stück nur als schwüle Schwulenphantasie wirklich einen Sinn, wenn es also – wie bei der Uraufführung – nur von Männern gespielt wird (was Ken Russel in seinem Film wunderschön und unnachahmlich gezeigt hat).

Salome in Pompei also trotzdem. Mehr als ein Regisseur ist Luca de Fusco ja eigentlich ein Arrangeur, ein Impresario, ein ästhetischer Generalunternehmer, der seine Produktionen größtenteils von seinen „Subunternehmern“ – Komponisten, Lightdesignern, Choreographen und Videokünstlern – massgeblich bestimmen lässt.

So auch hier. Das Bühnenbild, das von einem riesigen Vollmond, der gegen Ende hin auch blutig wird, dominiert wird, ist, das muss man zugeben, am Anfang schon sehr beeindruckend. Weniger geglückt war de Fuscos Idee, nahezu das ganze Stück von elektronischer Live-Musik untermalen zu lassen. Und das bei Salome, die ihre Weltberühmtheit doch nahezu ausschließlich Richard Strauss zu verdanken hat. Auch die Viideoprojektionen (die man ja auf einer Bühne gar nicht mehr sehen kann) wirken bloss kunstgewerblich und geschmäcklerisch. Und Mikroports auf dem Theater gehörten per EU-Richtlinie sowieso schon lange komplett verboten.


Copyright: Pompei/ Teatro Grande

Getragen wird der Abend von einem grandiosen Eros Pagni als Herodes der über einen unglaublichen Ausdrucksreichtum und einen nahezu unerschöpflichen Schatz an schauspielerischen Mitteln verfügt. Die statutarische Anita Bertolucci kann ihm (als Herodiade) da nur ganz selten Paroli bieten (auch weil ihre Rolle sehr viel kleiner ist). Gaia Aprea (Salome) ist an und für sich eine wunderbare Schauspielerin, vielleicht sollte sie aber langsam altersgerecht besetzt werden. Sonst läuft sie Gefahr zu enden wie Edita Gruberova, die ja noch mit 70 nicht geschlechtsreife Minderjährige zum Besten gibt. Ihre hyperartifiziellen Piepstöne waren trotz der lauen Sommernacht jedenfalls auf die Dauer unerträglich. Giacinto Palmarini als Jochanaan hat einen schönen Körper.

Nach 100 nur schleppend verstreichenden Minuten hat De Fusco zuletzt dann doch noch einen genialen Einfall, der nachhaltig im Gedächtnis haften bleibt. Zuerst spielt zwar Salome etwas zu ausführlich mit dem abgeschlagenen Haupt des Propheten (und lässt es sogar einen Cunninlingus an sich vollziehen), aber dann ist Jochanaans Kopf plötzlich (ohne dass man gemerkt hat wie) mit ihrem eigenen weissgeschminkten mondbleichen Schädel ausgetauscht worden und die Prinzessin von Judäa küsst somit endlich ihre eigenen Lippen – was für eine supernarzisstische Eis-Göre nur logisch erscheint.


Copyright: Pompei/ Teatro Grande

Die Inszenierung übersiedelt im Herbst ins Teatro Mercadante, in Pompei stehen im Sommer noch ein Ödipus, eine Medea und ein Herakles auf dem Programm.

Robert Quitta, Pompei

 

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