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Peter C. Marboe: MEHR KULTUR IN DER POLITIK

Ein Leben für die Kultur

10.02.2025 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

978 3 205 22126 5 600 ccx600@2x~1

Peter C. Marboe
MEHR KULTUR IN DER POLITIK
Erinnerungen
296 Seiten, Verlag Böhlau, 2024 

Ein Leben für die Kultur

 Natürlich ist alles leichter, wenn man sich die richtigen Eltern aussucht. Die drei Söhne von Ernst Marboe, dem Leiter der Bundestheaterverwaltung, machten alle Karriere, Ernst Wolfram (1938–2012), der Älteste, die lauteste im ORF. Philipp Emanuel (1944–2008), der Jüngste, in der Diplomatie, und Peter (das C im Namen steht für Christoph), der Mittlere, Jahrgang 1942, studierter Jurist, in der Kultur. In einem langen Berufsleben im Dienste Österreichs zwischen der Heimat und den USA angesiedelt, ist er gewissermaßenr Gott und der Welt begegnet und hat in vielen wichtigen Positionen die Fäden gezogen.

Nun hat er seine Erinnerungen geschrieben, und der Titel „Mehr Kultur in der Politik“ passt natürlich punktgenau, weil er so gut wie immer mit politischen Funktionen kulturell unterwegs war und sich doch von der Politik nie dreinreden lassen wollte.

Er beginnt seine Aufzeichnungen im alten Stil mit der „Wiege“, seiner Kindheit, Jugend, die Fünziger Jahre im Schottengymnasium, Maturareise nach Griechenland. Die Marboe -Söhne kam ganz eng mit der Kultur in Verbindung, hatte doch der Papa zum Beispiel das Drehbuch zu dem damals so wichtigen Film „1. April 2000“ mit verfaßt. Und bei der Wiedereröffnung der Staatsoper 1955 ging der Papa neben Bundespräsident Theodor Körner… Und 1956 durfte der Vater die Callas am Westbahnhof abholen. Es war  eine großartige Welt, in der die drei Marboe-Buben lebten – wenn das Telefon läutete, und Herbert von Karajan am Apparat war, der Sohn Peter etwas für seinen Vater ausrichten ließ…

Das sind die zahllosen Schmankerln dieses Buches, ältere Österreicher, die noch etwas aus dieser Zeit wissen, tauchen in eine reiche Vergangenheit. Peter Marboe  machte eine Karriere, um die ihn Kulturfans nur beneiden können. Nach dem Jusstudium und der Promotion im Juni 1965 kamen das Gerichtsjahr und das Bundesheer, und dann als erste Chance der ÖVP-Job in der Kulturabteilung des Bundespressedienstes.

Mit 26 Jahren war Peter Marboe schon der jüngste Sekretär des Bundeskanzlers Klaus, zuständig für Kultur und Sport und mit tiefen Einblicken, wie österreichische Politik funktioniert. Zusätzlich gab es auch den Besuch von Queen Elizabeth II. zu organisieren, und wieder schön Anekdotisches ist zu lesen, wenn Klaus und Marboe nächtlich in Wien unterwegs waren, von zwei Graben-Nymphen angesprochen wurden und Marboe ihnen klar machen musste, den Bundeskanzler besser nicht mit ihren unsittlichen Angeboten zu belästigen…

Natürlich geht es auch tiefer greifend in dem Buch zu. Nachdem Josef Klaus von Bruno Kreisky abgelöst wurde (die Spitzenpolitiker gehen, die Beamten bleiben), gab es für Peter Marboe den Sprung in die USA, wo ihm bis 1987 New York zur zweiten Heimat wurde. Drei, vier Jahre hatte er bleiben wollen, 17 wurden es. Hier ergaben sich dann nicht nur die zahlreichen Begegnungen mit jüdischen Emigranten (jüdische Themen haben ihn lebenslang vordringlich beschäftigt), hier konnte er die „Kulturgroßmacht Österreich“ etwa mit den Wiener Philhamonikern bestens vertreten (aber moderne österreichische Performances gab es auch…).

Marboe begegnete Gott und der Welt und beschreibt lebhaft interessante Persönlichkeiten oder das Theaterleben New Yorks, den Zeitungs-, Medien und Fernsehmarkt der USA, und für die Witwe von Alexander von Zemlinsky übernahm er es, den letzten Wunsch des großen Komponisten zu erfüllen und ihm ein Ehrengrab in Wien zu verschaffen (mit Helmut Zilk ließ sich dergleichen schnell organisieren).

Peter Marboe erlebte in New York auch Kurt Waldheim, den ehemaligen UNO-Generalsekretär, der auf dem Sprung war, sich in Österreich als überparteilicher Präsidentschaftskandidat zu bewerben (mit der Unterstützung Bruno Kreiskys übrigens). Die große Kampagne gegen ihn lief dann im März 1986 an, und Marboe musste sich mit seinen zahlreichen jüdischen Bekannten und Freunden diesbezüglich auseinander setzen. Er wusste nur eines: Waldheim war sich seiner Unschuld sicher, im Zweiten Weltkrieg „nur seine Pflicht“ getan zu haben. Im Rückblick resümiert Marboe zu diesem überheiklen Kapitel österreichischer Geschichte, er  kenne kaum jemanden, „gleichgültig, auf welcher Seite man damals im Wahlkampf gestanden ist, der heute nicht der Meinung ist, dass Waldheim ein Katalysator war, einer, durch den – und vermutlich nur durch den – Österreich noch einmal tief durchatmen, sich besinnen und ein neues Erinnerungsbewusstsein schaffen konnte“.

Als Michael Graff und danach Alois Mock Peter Marboe fragten, ob er Hauptgeschäftsführer der ÖVP werden wollte, kehrte er aus Amerika zurück und bezog für vier Jahre ein Büro im Palais Todesco, vis a vis der Staatsoper. Zahlreiche Jobs folgten, darunter (als Nachfolger von Ursula Pasterk)  jene des Kultustadtrats von Wien, wobei es ihm besonders um die Entpolitisierung von Kultur und Kunst ging. Sein letzter großer „Kulturjob“ war die Intendanz des Wiener Mozartjahrs 2006.

Da gab es viel zu entscheiden und zu organisieren. Manchen Leser, dem Marboe seiner politischen Ausrichtung wegen vielleicht nicht so gut gefällt, wird er mit dem Kapitel „Die FPÖ und Kulturpolitik: Ein Widerspruch in sich“ erreichen, wo er an die Plakataktion von 1995/96 erinnert: „Lieben Sie

Scholten, Jelinek, Häupl, Peymann, Pasterk oder Kunst und Kultur?“ Denn das ist Marboes Credo: „Ohne Toleranz und Diskursbereitschaft gibt es weder politische Kultur noch ernsthafte kulturpolitische Auseinandersetzung“.

Dafür hat er ein Leben lang gearbeitet. Und das Einzige, was seinem Buch, in dem er auch ein so reiches Menschenpanorama ausbreitet, fehlt, ist ein Personenregister.

Renate Wagner

 

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