PÄRNU/ Estland : DIE ZARENBRAUT am 8.6. 2013
Wie bei jedem anderen Gesangswettbewerb winkt auch dem Sieger des alle zwei Jahre in Pärnu ausgetragenen Klaudia Taev-Wettbewerb ein Geldpreis, doch als zusätzlichen Anreiz gibt es die Möglichkeit, zwei Jahre später in einer szenischen Opernproduktion in tragenden Rollen mitzuwirken. So standen bei Rimsky-Korsakows „Die Zarenbraut“, die im kleinen Endla-Theater in Pärnu gegeben wurde, mit dem weißrussischen Bariton ANDREY SAVCHENKO als Gryaznoi und der lettischen Sopranistin ELINA SHIMKUS als Marfa die Sänger auf der Bühne, die 2011 den zweiten bzw. dritten Preis gewonnen hatten. Zu ihnen gesellte sich die ukrainische Mezzosopranistin ANGELINA SHVACHKA als Lyubasha, Preisträgerin des Jahres 2005.
Insgesamt ist den Veranstaltern des PROMFESTs (Pärnu International Opera Music Festival) wieder einmal gelungen, ein hervorragendes homogenes Stückensemble verpflichtet zu haben. Im Mittelpunkt der differenzierten Publikumsovationen stand die Lyubasha Angelina Shvachkas, die mir ihrem herrlich timbrierten, alle Nuancen zwischen dramatischen und mehr verinnerlichten Passagen perfekt ausschöpfenden Mezzosopran von immenser Ausdruckskraft eine der besten Interpretinnen dieser tragischen Figur verkörperte. Im Gegensatz zu Angelina Shvachka, die in ihrer ukrainischen Heimat, aber auch am Moskauer Bolshoi-Theater eine große Karriere macht, die junge Lettin Elina Shimkus erst am Anfang, aber nach ihrer Marfa würde ich nicht zögern, auch ihr eine herausragende Laufbahn zu prophezeien. Eine leichte lyrische Stimme von hohem Wiedererkennungswert, die keinerlei Schwierigkeiten mit der hohen Tessitura ihrer Partie besaß und nicht nur mit ihrer Stimme, sondern auch mit ihrem berührenden Spiel die Herzen der Zuhörer erreichte. Dem gegenüber konnte sich der Gryaznoi Andrey Savchenkos weniger profilieren, was vielleicht an den Kürzungen lag, denen ca. 45 Minuten zum Opfer fielen – gewonnen wurde eine stärkere Konzentration auf die Kernhandlung. Im Prinzip sollte Gryaznoi von einer etwas dramatischeren Stimme gesungen werden als von einem lyrischeren Bariton wie Savchenko, doch in dem kleinen Endla-Theater in Pärnu konnte er sich trotzdem gegenüber dem Orchester durchsetzen. Die übrigen Partien waren mit litauischen Sängern besetzt, von denen besonders positiv TADAS GIRININKAS mit knorrigem Bass als Skuratov und der Tenor ZHANAS VORONOVAS auffielen, der als Giftmischer Bomely eine auf Wagners Mime hinweisende Charakterstudie ablieferte. Einen angenehmen Mezzosopran ließ JOMANTE SHLEZHAITE als Dunyasha hören, während der lyrische Tenor KESTUTIS ALCHAUSKIS (Lykov) daran arbeiten müsste, die Höhen mit mehr Körperklang zu bewältigen. Der Veteran VLADIMIRAS PRUDNIKOVAS (Sobakin) ergänzte wie auch NOMEDA VILKANAUSKAITE als seine Frau routiniert.
Mit dem kleinen Orchester des Staatlichen Musiktheaters von Kaunas (auch der Chor kam von dort) gelang dem Dirigenten ERKI PEHK eine dramatisch pulsierende Wiedergabe von Rimsky-Korsakows herrlicher Musik, trotz der Verhältnisse in einem nicht für Oper geschaffenen Theater stets die Balance wahrend, die Sänger somit nie überdeckend.
Für die szenische Wiedergabe zeichneten TEET KASK (Regie) und MADIS NURMS (Bühnenbild und Kostüme) verantwortlich. Es sei Teet Kask, der eigentlich von der Choreographie herkommt, gerne konzediert, dass es ihm gelungen ist, die Personen eindringlich zu führen, so dass die Konstellationen zwischen den einzelnen Figuren stimmig waren. Madis Nurms zeigte wie schon beim Attila von vor zwei Jahren seine große Phantasie im Entwerfen von Bühnenbild und Kostümen. Inwieweit gerade die Bedeutung der Kostüme vom Zuschauer im Verlaufe eines Opernabends nachempfunden werden können, wage ich zu bezweifeln. Für mich war die visuelle Komponente dieser Produktion zu sehr mit Symbolen überfrachtet, die sich dem ad-hoc-Verständnis entziehen. Ich ziehe es vor, darüber nachzudenken, was der Komponist mit seinem Werk gemeint hat bzw. haben könnte, als über die „Ideen“ des Produktionsteams, die ich als l’art pour l’art empfand. Trotz dieser Einwände – Kompliment an die Verantwortlichen des Promfests. Mögen die Juroren des heute beginnenden Klaudia Taev-Gesangswettbewerbs ein ebenso glückliches Händchen wie ihre Vorgänger 2011 haben!
Sune Manninen