Schlussapplaus. Foto: Michael Tanzler
11.10.2019 Teatro Regio Parma „I DUE FOSCARI“
Seit einigen Jahren nun würdigt das traditionsreichste und wohl bedeutendste Opernhaus der Emilia Romagna, das „Teatro Regio“ , den großen Sohn der Region mit einem eigenen Festival im Oktober, rund um den Geburtstag des Bussetaner Meisters. Fährt man nun zu diesem Kulturereignis, das unter der Leiterin Anna Maria Meo zuletzt einen besonderen Aufschwung erlebt hat, und nun wirklich in der ganzen Stadt und offenbar auch endlich auch bei deren Bewohnern „angekommen“ ist – man sieht in fast jeder Auslage irgendein Plakat, einen Hinweis darauf – darf ein Besuch in nVerdis unmittelbarer Heimat Busseto – samt Geburtshaus in Roncole – einfach nicht fehlen, egal, wie oft man schon diese Plätze besucht hat. In Busseto , links vom Rathaus und dem „Teatro Verdi“ steht auch – in venezianischem Stil nachgebaut – das Hotel des leider 2014 90jährig verstorbenen Carlo Bergonzi, dem Verdi-Tenor schlechthin, aus Vidalenzo, einer „frazione“ von Busseto stammend, das er nach Verdis sechster Oper „I due Foscari“ benannt hatte.
Nun stand dieses am 3. November 1844 im römischen „Teatro Argentina“ uraufgeführte Werk, am Programm des „Verdi-Festivals“. Unter Francesco Foscari, dem Protagonisten des von Francesco Maria Piave nach einem Drama von Lord Byron über die letzten Lebenstage des längstdienenden Dogen von Venedig ( 34 Jahre! Von 1423 – 15457 ) geschaffenen Librettos, blühte der Handel, die Bautätigkeit in der Lgunenstadt, gleichzeitig brachte er die Stadt durch die kriegerischen Auseinandersetzungen zur Ausdehnung seiner Landgebiete an den Rand des finaziellen Ruins. Trotz seiner Machtfülle war er nicht im Stande, gegen den Wunsch des mächtigen „Rates der Zehn“, unter Führung von Loredano, seinem gröbsten Widersacher, seinen Sohn vor der ( ungerechtfertigten, weil über ein ausgestreutes Gerücht „gemeuchelt“) Verbannung zu retten. Wie feiert diese Vorgangsweise in etwas abgewandelter Form in der heutigen Politik fröhliche Urständ..?
Gott sei Dank widerstand der Regisseur Leo Muscato der Versuchung die Handlung nach heute zu verlegen, was ich ihm zu Gute halten muss . Daß ihm bis auf das große, gut arrangierte Tableau des Concertato wenig bis nichts zur Charakterisierung der Personen eingefallen ist, die ziemlich leidenschaftslos auf der Bühne herumstapfen mussten, ist zu seinen Ungunsten anzumerken. Auf einer einfachen, etwas nach vorne geneigten Scheibe, war ein Halbkreis im Hintergrund, der durch Projektionen die Handlungsorte charakterisierte, praktisch die einzige Dekoration ( Scene: Andrea Belli ) in der die Sänger in stilisierten Kostümen – die Herren des Chores in Gehröcken aus der Verdi-Zeit ? – darüber beim Protagonisten ein goldener Mantel und die berühmte Dogen-Haube agierten – nicht gerade Genie-Blitze aber durchaus akzeptabel. Skandalös allerdings, wie man die – etwas korpulente – Sängerin der Lucrezia auf die Bühne geschickt hatte: in einem grünen viel zu engen Kleid steckte sie drin, fast bewegungsunfähig und man hatte das Gefühl, daß sie nicht mal so richtig tief Luft holen konnte. Dazu kam noch eine unmögliche Frisur, dafür gebührte der Kostümbildnerin Silvia Aymonino die „rote Karte“!
Vladimir Stoyanov (Francesco Foscari) . Foto: Teatro Regio di Parma
Ich bin überzeugt, daß diese optische Benachteiligung auch mit ein Grund für die wenigen, aber vehementen – absolut unfairen – Mißfallenskundgebungen gegen die mexikanisch-georgische Lucrezia von Maria Katzarawa bei den finalen Vorhängen gewesen sind. Sie musste auch andauernd in eher weinerlich- niedergeschlagenen Posen auf der Bühne herumschleichen – ihr Temperament konnte sie aber musikalisch ausleben, und nach anfänglich etwas unsicherem Beginn ließ sie ihren kräftigen Sopran, den sie wunderbar zurücknehmen kann ( die diminuendi sind ihre Spezialität ) strahlen, schöne Bögen spinnen, die Ensembles kräftig übertrumpfen und sich für ihren geliebten Mann mit Verve in die Bresche werfen. Ihr Geliebter Jacopo in Gestalt von Stefan Pop bot eine erstklassige Leistung: mit virilem Tenor ohne jegliche Probleme durchmaß der vom Belcanto-Fach herkommende Rumäne die dankbare Partie des Dogen-Sohnes, legte viel Schmelz und auch Herz in Stimme und Darstellung, berührend wie er von seinen Söhnen Abschied nehmen musste.. Er wird sich mit Gabriele Adorno und Riccardo in Zukunft neue Verdi-Partien erobern, auf die man sich nach dieser Darbietung wirklich freuen kann. Als abdanken müssender Doge Francesco bot Vladimir Stoyanov eine Demonstration von perfektem Verdi-Gesang. War seine Darstellung und auch seine vokale Autorität in den ersten Akten eher zurückhaltend nobel und etwas verhalten, bot er im Schlußakt eine fabelhafte Leistung, trumpfte ab „Questa dunque l`iniqua mercede“ mit seinem technisch perfekt impostierten, kernigem Bariton richtig auf – ein Finale, für mich eines eines der berührendsten der ganzen Opernliteratur, das so mach Tränlein in den Augen der Besucher bewirkte.
Schlussapplaus. Foto: Michael Tanzler
Als Loredano war mit Giacomo Prestia ein baßgewaltiger, Autorität gebietender Luxus Intrigant Loredano aufgeboten worden. Auch der Barbarigo war mit Francesco Marsiglia mit angenehm klingendem , kräftigen Tenor exzellent besetzt, Vasyl Solodkyy und Gianni di Angelis ergänzten absolut rollendeckend als Fante und Servo, ein besonderes Kunststücvk vollbrachte Erica Wenmeng Gu, die in der Minirolle der Pisana mit vollem, klangschönem Sopran aufhorchen ließ!
Exzellent der Coro del Teatro Reggio , Garant dafür seit Jahren Maestro Martino Faggiani, das Orchester “Filarmonica Arturo Toscanini“ bot authentische Verdi Kantilenen, Paolo Arrivabeni bot aus dem Graben jene nötige Intensität, die Stimmungen der Handlung in die Herzen der Besucher zu übertragen – ein musikalisch exzellenter Abend, viel Applaus und Jubel am Ende.
12.10.2019 Chiesa „San Francesco del prato“ : „LUISA MILLER“
Die vor einigen Jahren sehr unkonventionellen, aber packenden Aufführungen im „Teatro Farnese“ – wo man als Besucher mitten im Geschehen war – sind leider Geschichte, dem Verdi-Festival wurde diese Lokalität nicht mehr angeboten. Leider, muß sogar ich als Traditionalist sagen, denn diese unkonventionelle Art , wie etwa der „Stiffelio“ dargeboten wurde, hatte mich sehr gepackt. Nun wurde als „Ersatz-Spielort“ die viele Jahrzehnte lang nicht mehr als Sakralbau verwendete , jetzt in Renovierung befindliche, Kirche „San Francesco del prato“ gewonnen. Um es vorweg zu nehmen : mich konnte dieser Ort nicht begeistern, ein Versuch, aber für mich kein Gelungener!
In dem total von Baugerüsten ausgefüllten Innenraum wurden Sesseln und eine erhöhte Tribüne eingebaut – bis auf die allerersten Reihen ist man weit vom Geschehen entfernt, von den hintersten Reihen sieht man wohl nur mehr kleine Männchen, da das Geschehen in der Apsis im Altarraum auf einer Art Mini-Bühne abläuft , wo in drei Etagen übereinander – in den Baugerüsten – auch der Chor sitzt. Der Orchesterklang ( im Einsatz war das sehr gute „Orchestra del Teatro Comunale Bologna“) kommt erstaunlich differenziert in den Kirchenraum, die Stimmen allesamt bereits in der Mitte des großen Kirchenschiffes recht leise – kein Vergleich zur Theaterakustik – auch nicht zu der des Teatro Farnese. Atmosphäre kommt nicht auf, maximal die einer Baustelle, speziell wenn die – kaum als soche erkennbaren Kirchenwände mit weißem Licht erhellt werden ( meist passierte das , wenn Conte di Walter aufgetreten ist ), die Stimmung in rot oder blau bot zumindest ein wenig „zauberhaftes“, bisschen Theater-Illusion. Auf der beengten Bühne passierte wenig bis gar nichts. Statisten oder Choristen ( diesmal war der „Coro del Teatro Comunale Bologna „ Leitung Alberto Malazzi aufgeboten, untadelig ! ) – von der Ferne war nicht zu sehen ob sie auch gesungen haben – brachten manchmal Tische und Stühle aus Holz, auf denen etwa Luisa oder auch Federica auftrat (! ) und an dem die beiden Liebenden sich vis a vis eher teilnahmslos und unbewegt die letzten Minuten ihres Lebens aufhielten, bevor ihre Köpfe auf den Tisch fielen… Mehr möchte ich zur Nicht-Regie eines gewissen Lev Dodin gar nicht sagen – oja doch-: Rodolfo wird hier zum Massenmörder! Der Tisch – laut Libretto im Hause Millers – ist wie eine Tafel für mindestens 20 Personen gedeckt ( für eine Hochzeit? ), Rodolfo spaziert um ihn herum und leert in jes Glas paar Tropfen seines Giftes; die dann in den letzten Takten dort sitzenden Statisten/ Choristen trinken , und sterben auch.
Leider war auch der von mir geschätzte Roberto Abbado teilweise sehr „bedächtig“ unterwegs, und Spannung blieb an diesem Abend Mangelware. Am meisten Leben brachte der aus Tunesien stammende Tenor Amadi Lagha ins Spiel, der auch stimmlich ein draufgängerischer Rodolfo, mit kräftigem, höhensicherem Tenor war. Er hatte auch die größte Stimme des Abends, besitzt „squillo“ und gutes Gespür für seinen Part, manchmal wird seine Stimme ein wenig , aber nicht unangenehm , grell, was man aber durchaus noch unter „persönliche Färbung“ durchgehen lassen kann. Ein weiterer Pluspunkt war auch der Routinier Franco Vasallo, der noch Persönlichkeit und auch die richtige Farbe und Phrasierung für den Miller mitbrachte – die beiden rangierten in der Publikumsgunst auch ganz oben. Francesca Dotto besitzt einen sehr schönen, lieblich gefärbten Sopran, singt wunderschöne Phrasen, kämpft in der unteren Lage ein wenig mit dem Volumen, und klingt bei den Spitzentönen leider limitiert, die sie zu direkt – und dadurch sehr spitz – angeht. Meiner Meinung nach ließe sich das aber beheben. Veta Pilipenko war als Laura vorgesehen, da Martina Belli erkrankte, musste sie kurzfristig zusätzlich auch die Federica übernehmen – und tat dies ausgezeichnet. Ein schlanker Mezzo , bombensicher geführt, gute Bühnenerscheinung, ein „brava“ der jungen Künstlerin! Riccardo Zannelato imponierte als Rodolfo mit seiner Erscheinung, stimmlich schien er indisponiert und nicht so wie von ihm gewöhnt, ein veritabler Ausfall Gabriele Sagona, der weder Stimme noch Persönlichkeit für den Wurm mitbrachte. Federico Veltri ergänzte brav als Contadino. Positiv seien zum Schluß noch die schönen, passenden Kostüme von Aleksandr Borovskij erwähnt. Das Publikum schien zufrieden, kurzer, freundlicher Applaus.
Trotz aller Einwände – es kann nicht immer nur Sonne geben, und das hohe Niveau nicht jedes Jahr noch gesteigert werden – das „Verdi-Festival“ bietet vieles, auch nebenbei Konzerte, Attraktionen, und Parma ist immer einen Besuch wert! Und im „Teatro Regio“ muss man als wahrer Opernfreund zumindest einmal im Leben gewesen sein! Viva Verdi!
Michael Tanzler