Paris: Opéra National de Paris: „DON GIOVANNI“, 05.02.2015
Copyright: Vincent Pontet
Spätestens seit dem Oscar-Erfolg des Films „Liebe“ ist der Name Michael Haneke in aller Munde. An der Opéra National de Paris hat der berühmte Regisseur im Jahr 2006 „Don Giovanni“ inszeniert, eine erfolgreiche Produktion, die schon mehrere Wiederaufnahmen erlebt hat, zuletzt am 15. Januar diesen Jahres. So erwartete man in der Vorstellung am 05.02. eine spannende, tiefgründige Deutung eines der bekanntesten Dramen der Operngeschichte, wurde allerdings bitter enttäuscht. Haneke versetzt die Handlung in die moderne Businesswelt. Laut Programmheft sind alle Protagonisten Mitarbeiter einer großen Firma, angefangen vom Komtur (Firmenpatriarch) über Don Giovanni (überdrehter Jungmanager) bis zu Zerlina und Masetto (Putzkolonne). Ein durchaus interessanter Ansatz. Leider wird das Konzept lediglich im Bühnenbild von Christoph Kanter (alles spielt auf dem Gang eines modernen Bürohauses) und in den Kostümen von Annette Bofays (Anzug, Kostümchen, Putzkittel) umgesetzt, nicht jedoch in der Personenregie. Diese lässt die Sänger ganz auf sich allein gestellt, einziges Requisit, ist ein Tisch mit vielen Alkoholika, von dem sich die männlichen Protagonisten bei jeder sich bietenden Gelegenheit bedienen. Eine uninspiriertere und phantasielosere Inszenierung lässt ich kaum denken.
Erwin Schrott als „Don Giovanni. Foto: Vincent Pontet
Gott sei Dank war die Hauptrolle mit Erwin Schrott, einem Sänger mit großer Bühnenpräsenz und darstellerischer Prägnanz, besetzt. Sein Don Giovanni war ein vom (Business)Leben gelangweilter überheblicher Mann mit Alkoholproblem, der sich nimmt, was er will, ohne dabei die geringste Rücksicht auf seine Mitmenschen zu nehmen. Ein glaubhaftes Rollenportrait in dieser Inszenierung. Auch musikalisch konnte er voll überzeugen und sang die Partie mal mit verführerisch zarter, mal mit mächtig auftrumpfender Stimme. Adrian Sâmpetrean sang den Leporello ebenfalls mit schön geführter, klangvoller Stimme, blieb darstellerisch jedoch etwas blass. Er hatte es allerdings auch schwer, sich gegenüber Don Giovanni zu behaupten, unterscheiden sich die beiden Figuren in dieser Inszenierung doch kaum voneinander. Tatiana Lisnic fand nach einem recht forcierten Beginn noch zu einer differenziert und klangschön gesungenen Donna Anna. Ihre Stimme hat sich in den letzten Jahren sehr entwickelt und an Dramatik und Ausdruckstärke gewonnen. Marie-Adeline Henry sang eine solide Donna Elvira, Stefan Pop einen durchschnittlichen Don Ottavio. Die Stimme der Mezzosopranistin Serena Malfi ist für die Rolle der Zerlina fast zu schwer, so dass der Charakter der Partie etwas verfälscht wurde. Die Leistung von Liang Li als Komtur ist nur sehr schwer zu beurteilen, muss der doch die letzte zentrale Szene aus dem Off durch einen Lautsprecher singen, während auf der Bühne eine Puppe mit übergestülpter Plastiktüte in einem Rollstuhl zu sehen ist.
Alain Altinoglu und das Orchestre de l’Opéra National de Paris waren den Sängern einfühlsame Begleiter, auch wenn es die eine oder andere Unstimmigkeit zwischen Bühne und Orchestergraben gab. Insgesamt dank Erwin Schrott noch ein lohnender Opernabend.
Gisela Schmöger