PAARE IN KUNST UND WISSENSCHAFT
Hsg. Christine Fornoff-Petrowski, Melanie Unseld
Reihe: Musik – Kultur – Gender Band 18
328 Seiten, Böhlau Verlag, 2021
Paare sind ein ewiges Thema der Sekundärliteratur. Im allgemeinen haben Menschen auf ihrem Lebensweg Partner, aber meist steht nur einer von beiden im Vordergrund. Finden sich aber bei Künstlern und Wissenschaftlern zwei zusammen, die gleich berühmt, gleich wichtig, gleich interessant sind, gehen Autoren dem Thema nach. Hier geschah es im Rahmen eines Symposiums, und folglich waren die Gesichtspunkte der Betrachtung nicht ganz so populär wie üblich. Viele, die man in diesem Zusammenhang erwartet hätte, von Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre bis Marie und Pierre Curie kommen hier nicht vor. Dafür schrammen manche Beiträge am „Paare“-Thema vorbei.
Das Symposium, das im Oktober 2018 in Wien stattgefunden hat und dessen Beiträge in einem Band des Böhlau-Verlags vorliegt, bietet nur im seltenen Fall die Doppel-Biographien, die man sich vorstellt – Giuseppina Strepponi und Giuseppe Verdi, keine glückliche Beziehung, Salka und Berthold Viertel, die sich auch auseinander gelebt haben. Am erfolgreichsten verlief die Ehe zwischen dem Pianisten und Komponisten Ignaz Moscheles und seiner Frau Charlotte, die ihr durchaus glückliches Leben damit verbrachte, seine Karriere zu befördern, sein Familienleben zu regeln – und die sich keinesfalls (wie es heute üblich wäre) damit benützt oder sogar ausgebeutet gefühlt hatte. Aber, wie auch die mannigfaltigen Autorinnen wissen – jede Beziehung verläuft nach eigenen Gesetzen.
So kann es sein, dass Jackson Pollock weltberühmt ist, seine Künstlergattin Lee Krasner hingegen im Hintergrund blieb. Und so wird am Beispiel der berühmten Margaret Mead, die mit ihrem weit weniger berühmten Gatten „Feldforschung“ betrieb, gezeigt, dass Zusammenarbeit ein Paar auch auseinander bringen kann (zumal, wenn dann noch eine junge Assistentin dazwischen funkt). Was der „Dritte“ in Beziehungen anrichten kann, ist in einem eigenen Artikel behandelt.
Überhaupt wird das „Paar“-Thema immer wieder durchbrochen – in dem Beitrag über Clara Schumann kommt der Ehemann überhaupt nicht vor, sondern nur der umfangreiche Rest ihrer Familie (besonders die immer vernachlässigte Mutter). Um Familiennetzwerke geht es etwa auch bei der Familie Hellmesberger, wo eine Generation die nächste ausgebildet hat. Ob Frau von Stein (ob sie mit Goethe „hat“ oder nicht, wird man ja doch nie erfahren) sich in einem Lustspiel an ihm abgearbeitet hat, oder ob sie dort sozusagen unabhängig als Dichterin agierte, ist auch nicht mehr zweifelsfrei feststellbar.
Ein Fall für sich sind die Tagebücher, die von Paaren geschrieben werden, wofür es nicht viele Beispiele gibt. Am nachdrücklichsten noch jenes von Eugene d’Albert und seiner Sängerinnengattin Helene – er war sechsmal verheiratet, diese Ehe hielt mit 15 Jahren am längsten. Vielleicht, weil das Doppel-Tagebuch sich nur um die Großartigkeit d’Alberts und um die Notwendigkeit dreht, seine Karriere zu befördern … Dabei wird nebenbei ein durchaus interessanter Fall erwähnt, indem man die Frage stellt, ob die bekannten, ausführlichen Tagebücher von Cosima Wagner nicht auch zwei Autoren haben – sie handeln nämlich ausschließlich von Richard Wagner…
Zu diesem Band sollten Leser, die übliche Bücher über berühmte Paare erwarten (und davon gibt es ja genug), eher nicht greifen, zumal die Sprache in vielen Fällen so „wissenschaftlich“ ist, dass man sich durch Sätze durchbeißt, die einen Absatz lang sind. Wer allerdings Spezialstudien sucht, hier sind sie.
Renate Wagner