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OSNABRÜCK/ Theater am Domhof: GERMANICUS von Georg Philipp Telemann

08.07.2015 | Allgemein, Oper

„Germanicus“ von Georg Philipp Telemann (Vorstellung: 7. 7. 2015)

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Der Bassbariton Shadi Torbey als römischer Feldherr Germanicus (Foto: Jörg Landsberg)

Im Theater am Domhof in Osnabrück konnte man die Oper „Germanicus“ von Georg Philipp Telemann (1681 – 1767) in einer eigens eingerichteten Fassung als erste szenische Aufführung seit mehr als dreihundert Jahren erleben. Die Uraufführung dieses Werks, das als verschollen galt, war 1704 in Leipzig. Da nur die Arien und das Libretto gefunden wurden, ergänzte man die Osnabrücker Fassung mit Rezitativen und einer Arie aus der Oper „Germanico“ von Giovanni Legrenzi. Überdies fügte man noch Arien aus anderen Werken Telemanns hinzu. 

Georg Philipp Telemann, der schon in früher Jugend viele Instrumente spielte, versuchte sich bereits mit 12 Jahren an einer Oper. Mit 24 Jahren wurde er Kapellmeister des Fürsten Promnitz in Sorau, das heute in Polen liegt, 1708 wechselte er als Organist nach Eisenach, wo er Hofkapellmeister wurde. Von 1722 bis 1738 war er in Hamburg Operndirektor. Zu seinem umfangreichen Schaffen gehören 1043 Kantaten, 122 Orchestersuiten, 49 Passionen und etwa 50 Opern, von denen nur 8 überliefert sind.

Die Handlung der Oper Germanicus, deren Libretto Christine Dorothea Lachs verfasste, spielt im Jahr 15 nach Christus. Der römische Feldherr Germanicus zieht mit einem großen Heer nach Germanien, um die Niederlage des Varus sechs Jahre zuvor zu rächen, und besiegt Arminius. Angereichert ist das Werk mit politischen Intrigen und Liebeswirren, die zum Teil historisch verbürgt sind.

Alexander May baute in seine Inszenierung einen Prolog ein, der aus einer Montage aus Originalzitaten der Librettistin Lachs und zeitgenössischen Beschreibungen ihrer Rolle als Autorin besteht. Aus ihren Texten merkt man, dass sie sehr an der Frage interessiert war, wie sich Männer und Frauen im Umgang miteinander verhalten. Dazu einige Zitat des Regisseurs aus einem im Programmheft abgedruckten Gespräch mit dem Inszenierungsteam: „Sie kommt am Ende der Oper zum Schluss: Frauen sind beständig, weise und klug. Männer sind Hitzköpfe, egoistisch und kurzsichtig. Da hat sie vor 300 Jahren doch eine sehr mutige und aus heutiger Sicht sehr moderne Sicht gewagt.“

Viele Szenen wirkten auf das Publikum sehr humorvoll, wie dessen Gelächter bewies, doch blieb oft unklar, ob der Humor gewollt eingesetzt war oder sich bloß eine Situationskomik ergab. Die Gestaltung der Bühne, die einem Labyrinth ähnelte, oblag Wolf Gutjahr, die Kostüme, von Katharina Weissenborn entworfen, waren eine Mixtur von antiken und barocken Kleidern, wobei sich die männlichen und weiblichen Attribute der Kleidung oftmals vermischten.

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 Als Agrippina überzeugte die australische Sopranistin Erika Simons (Foto: Jörg Landsberg)

Von hoher Qualität erwies sich das internationale Sängerensemble. Mit seiner sonoren Bassbariton-Stimme und seiner starken Bühnenpräsenz war der aus dem Libanon stammende Shadi Torbey eine Idealbesetzung für die Titelrolle. Darstellerisch spielte er sein Feldherren-Gehabe gegenüber seiner Gemahlin Agrippina mit finsterer Miene aus. Ihre Rolle wurde von der australischen Sopranistin Erika Simons mit lyrischer Stimme und starker erotischer Ausstrahlung gespielt, die sie – des Öfteren nur mit einem kurzen Hemdchen bekleidet – gut zur Geltung brachte. Ihren gemeinsamen Sohn Caligula gab an diesem Abend die deutsche Sopranistin Anne Steffens, die ihre Hosenrolle mit effektvoller Komik ausstattete.

Stimmlich überragend war der schlanke italienische Countertenor Antonio Giovannini als Hauptmann Florus, der vom Publikum verdientermaßen den stärksten Szenenapplaus einheimste. Seine Rolle als Vertrauter von Germanicus und fieser Intrigant spielte er nicht minder eindrucksvoll. Ebenso stimmlich wie schauspielerisch exzellent die attraktive Mezzosopranistin Almerija Delic, die zwei Rollen verkörperte. Einerseits spielte sie die Autorin Christine Dorothea Lachs, andererseits den Prinzen Lucius, den Liebhaber der Claudia, der Tochter des Gouverneurs Segestes (dargestellt vom Bariton Mark Hamman). Sowohl als Librettistin wie auch in der Hosenrolle überzeugte sie voll.

Die Gouverneurstochter Claudia wurde von der chinesischen Sopranistin Lina Liu ohne mimischen Ausdruck gespielt, ihren Ehemann Arminius stellte der deutsche lyrische Bariton Jan Friedrich Eggers dar, dem als Gefangener auf einer Leiter sogar akrobatisches Können abverlangt wurde. In zwei kleineren Rollen – als Lesbus, Diener der Agrippina, und als Komponist Telemann – war noch der litauische Bassbariton Genadijus Bergorulko zu sehen.

Das Osnabrücker Symphonieorchester, aus dem die Bläser – seitlich auf der Bühne postiert – besonders begeisterten und einige Male Szenenbeifall erhielten, wurde von einer Basso continuo-Gruppe verstärkt. Von Daniel Inbal sehr einfühlsam geleitet, brachte das Orchester die Partitur wirkungsvoll zur Geltung. 

Das Publikum spendete allen Mitwirkenden am Schluss minutenlangen, nicht enden wollenden Applaus, in den sich auch Jubel-Gekreische junger Zuschauerinnen mischte. Eine modische Unsitte, die in Opernhäusern leider immer stärker um sich greift.

Udo Pacolt

 

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