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OPER GRAZ: Leonard Bernstein WEST SIDE STORY

01.06.2017 | KRITIKEN, Operette/Musical
Kampf der Gags

Kampf der Gangs  Alle Fotos: Werner Kmetitsch

OPER GRAZ: Leonard Bernstein WEST SIDE STORY
Wiederaufnahme 31.05.2017


Als Kenner und jahrelanger Liebhaber des berühmten Filmes aus dem Jahre 1961 kommt man bei dieser Produktion des Musicals von Leonard Bernstein nicht umhin, dass man ständig ein breites Lächeln im Gesicht hat, weil:  Ja es ist alles genauso wie im Film! Die eigentlich sehr schlicht gehaltene Bühne: Eine typische New Yorker Backsteinfassade samt ihrer ikonischen Feuerleitern steht im Mittelpunkt der Inszenierung von Josef E. Köpplinger, und darum herum hohe Maschendrahtgitter. 

Die Balkonszene

Die Balkonszene: Sieglinde Feldhofer und Franz Gürtelschmied

Auch die Kostüme von Heidrun Schmelzer sind sehr klassisch gehalten, besonders hervorzuheben sind das wunderschöne rosa Kleid Marias im zweiten Akt und die vielen kleinen Details, welche man bei genauerem Hinsehen entdeckt: Strassbestickte Glitzerjacken, bunte Jeansjacken; jeder einzelne Darsteller ist durchgestylt bis hinunter zu den Schuhen.

Eines der Hauptelemente der West Side Story sind sicherlich die zahlreichen, flotten Tanzszenen, die von Ricarda R. Ludigkeit choreographiert wurden. Die Tänze sind keineswegs bloß auf leichte Step-Aerobic-Schritte reduziert, da folgt Pirouette auf Sprung alles in Kombination mit Hebefiguren. Vor allem muss man seinen Hut – wenn man einen aufhat – vor den nichthauptberuflich tanzenden Darstellern ziehen. Die Choreographien sind so mitreißend, der Tanzboden scheint zu brennen und das ruhig Sitzen fällt im Publikum irrsinnig schwer.

Nun zu den Sängern: Da es so viele größere und kleinere Rollen auf der Bühne gab, wird leider nicht jeder Erwähnung finden können. Im Gesamten kann aber gesagt werden, dass der Cast eine unglaubliche Energie auf die Bühne brachte, so wird man einfach sofort in den Moment gesogen und nicht mehr wieder ausgespuckt. Beeindruckend bei so einer kurzen Probenzeit!

Sieglinde Feldhofer als Maria sieht nicht nur umwerfend aus, sondern sie wirft sich mit vollster Emotion in die tragische Romanze. Sie hat eine wundervolle Präsenz auf der Bühne, sodass man die Augen nicht von ihr lassen kann, was bei großen Szenen mit mehr als 30 Personen auf der Bühne eine Leistung für sich ist. Mit ihr ist die Welt „tonight“ tatsächlich „full of light“.

Franz Gürtelschmied und Sieglinde Feldhofer

Franz Gürtelschmied und Sieglinde Feldhofer

Dazu stimmlich wie auch schauspielerisch harmonierend ihr Tony Franz Gürtelschmied: auch er geht mit seinen Gefühlen in dieser Rolle auf, was auch nicht leicht ist, rangieren die Emotionen doch innerhalb eines weiten Spektrums zwischen liebestrunkener Hoffnung und abgrundtiefer Verzweiflung gepaart mit Verlust des Lebenswillens.

Beide haben sehr gut und ausdrucksstark gesungen, aber: Bei gerade diesem Musical wird oft die Entscheidung getroffen, dass man die Hauptrollen Sängern mit klassischer Gesangsausbildung überträgt, was verständlich ist, da diese Rollen doch einiges an Gesangstechnik abverlangen. Die Stimmfarbe und Phrasierung entspricht dann aber nicht vollends den klanglichen Vorgaben dieses Genres. Das ist aber natürlich nur eine Feinheit, die aber sicher nur den absoluten Musicalkennern auffällt.

Nazide Aylin brilliert als Anita: Komödiantisch in „America“, feurig beim Tanz, in tiefer Trauer nach Bernardos Tod, zerstört nach der Vergewaltigungsszene. Gesanglich ist sie vor allem in „A Boy Like That“ hervorragend!

 Björn Klein als Riff, Maria Mucha als Rosalia, Annakathrin Naderer als Anybody’s, die bei „Somewhere“ für einen riesigen Zwischenapplaus sorgte, Thomas Höfner als Action: Unter anderem haben alle diese Darsteller die Bühne zum Leben und ins Beben gebracht.

Auch die Tänzer des Balletts der Oper Graz mussten einiges singen, dafür gebührt besondere Anerkennung!

Das Grazer Philharmonische Orchester unter der Leitung von Marius Burkert hatte aufgrund der begrenzten Anzahl von Proben doch einige Probleme, gibt es bei der West Side Story doch viele Passagen mit komplexen rhythmischen Figuren, Taktwechseln, Walking Bass, hohe, jazzige Passagen für die Blechbläser und viele verschiedene miteinander verwobene Musikstile. Allerdings brachte der Dirigent trotzdem Ruhe in den Sturm und stand den Sängern stets zur Seite, viele Stellen waren sehr stimmungsvoll und bei den folgenden Vorstellungen wird man gemeinsam mehr Routine erlangen können.

Konstanze Kaas
OnlineMerker – Graz

 

 

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