Oper Graz
Gioacchino Rossini “WILHELM TELL”
Premiere 27.9.2014
Wie dichtete doch schon der Schriftsteller und Journalist Franz Hrastnik in den Fünfzigern des vorigen Jahrhunderts:
Die Ouvertür´von “Wilhelm Tell”
Spielt jede Militärkapell´,
Was sonst geschieht, hört ohne Triller
Man deutlicher bei Friedrich Schiller.
Doch dem Regisseur Stephen Lawless kann man nicht vorwerfen, dass er undeutlich wäre, denn schon der deutsche Titel dieser Neuinszenierung der sonst unter “Guillaume Tell” oder “Guglielmo Tell” bekannten letzten Oper Rossinis verweist mit Nachdruck auf den Ursprung des Sujets. Und so inszeniert er einen alpenländischen Bilderbogen mit genügend Raum für die zahlreichen Tableaus, in denen der Chor der Grazer Oper und die Extrachöre (Bernhard Schneider) ihr gesangliches Können, aber auch in ihrer besonderen Fähigkeit, Einzelschicksale auf die Bühne zu stellen, aber auch die parodistischen Balletteinlagen (Lynne Hockney) entsprechend schräg unterzubringen, zeigen können. Und wie die singen können, wie immer tadellos und stimmgewaltig, was gerade bei diesem Werk so wichtig ist.
Man muss dem Regisseur auch danken, dass er nicht der Gefahr unterlegen ist, gerade bei diesem Sujet über Unterdrückung, Gewalt, Besatzungswillkür und Widerstand in die nahegelegene Kiste zeitbezogener Themen zu greifen. Wäre da doch Platz gewesen für Anspielungen an faschistoide Willkür wie die Konflikte im Nahen Osten, in den islamischen Staaten oder im Fahrwasser geschichtlicher Unmenschlichkeiten wie Kommunismus und Nationalsozialismus zu fischen. Er versagt sich die Vorführung von Nazi-Schergen und Flüchtlingsströmen mit Koffern. So sehen wir das Stück nahe an Schiller, die Bilder wechseln dank der Bühne schnell, eine drehbare Wand (auf der Schweizer Widerständler schon mal “Liberté” sprühen), dahinter Teil einer halbkreisförmigen Arena für die Versammlung der Mitglieder der Ur-Kantone und dem Rütli-Schwur. Dahinter die Projektion Schweizerischer Alpenwelt. (Bühne: Frank Philipp Schlößmann).
Die Kostüme (Ingeborg Bernerth) wahrten ebenfalls älplerisches Kolorit, die habsburgische Soldadeska hingegen erschien in Feldgrau und Stahlhelm des Ersten Weltkrieges

Rutherford als Schütze und Miyus als dessen Sohn
Noch wacht als geschäftsführende Intendantin Elisabeth Sobotka bis Jahresende über die Produktionen, bevor sie das Zepter an ihre Nachfolgerin abgibt. Ursprünglich war es ihr Wunsch, mit diesem, zwischen italienischer Belkantooper und Grand Opera französischen Stils schwankenden Werk ihre Amtszeit zu beginnen, der Mangel an geeigneten Tenören für die als Mörderpartie verschrieenen Rolle des Arnold verhinderte das. Jetzt hat sie ihn gefunden: Yoseph Kang, der koreanische Tenor brachte den notwendigen Klang und die, mit einer scheinbar mühelosen Leichtigkeit für die geforderten Spitzentöne dieser Partie. Ihm zur Seite die Idealverkörperung des kleinen Jemmy: Tatjana Miyus, die tatsächlich winzige Ukrainerin übersang mit ihrem kräftigen Sopran Chor und Orchester und spielte sich in die Herzen der Zuschauer.
Olesya Golovneva brachte ihren viril-gläsernen Sopran erfolgreich ein, James Rutherford allerdings hätte man sich schärfer pointiert gewünscht, sein Bariton klingt für den Volksführer etwas zu beiläufig und gutmütig. Aber er ist in seiner Verzweiflung als Apfelschütze vor Gessler glaubwürdig und berührend.
Aus dem von der scheidenden Intendantin gepflegten Ensemble fielen noch besonders David McShane als Walther Fürst, Konstantin Sfiris als Melchtal und als unerbittlich-präpotenter Gessler Derrick Ballard, der sektschlürfende Despot in der Seitenloge auf. Dessen Helfer wieder war in bewährten Händen von Manuel von Senden. Schade, dass Dshamilja Kaiser als Hedwig nur so wenig zu singen hatte, das Wenige ließ wieder aufhorchen.
Antonino Fogliani ist international gefragter Rossini-Spezialist (Pesaro, Rossini in Wildbach) und besorgte mit den Grazer Philharmonikern die werkgerechte musikalische Begleitung.
Rund zehn Minuten applaudierte das begeisterte Auditorium. Insgesamt folgte dem ruhigeren und musikalisch feineren ersten Teil des Abends der mitreißende zweite Teil mit der gelungenen Apfelschussszene: Alles in allem: eine empfehlenswerte Begegnung mit Rossini!
Yosep Kang und Olesya Golovevna
Aus der „Wiener Allgemeinen Tageszeitung“: Ein wenig erinnert die gestrige Inszenierung an diese früheren Tableaus. Regietheaterfreaks wurden nicht bedient!
Peter Skorepa
MERKEROnline
Fotos:
Oper Graz/ Werner Kmetitsch
Solisten: P.Skorepa