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OPER GRAZ Gioachino Rossini ILVIAGGIO A REIMS

Eine köstliche Farce, geadelt durch Rossinis Musik

08.04.2018 | KRITIKEN, Oper

Sollte so das Ende Europas sein? Foto W.Kmetitsch

Oper Graz

Gioachino Rossini   IL VIAGGIO A REIMS
ossia L`Albergo del Giglio dòro

Premiere und Grazer Erstaufführung
7. April 2018      Von P.Skorepa

 

Eine köstliche Farce, geadelt durch Rossinis Musik

Der Mut der Direktion, neben Gästen einen beträchtlichen Teil des Stammensembles für die „Reise nach Reims“ einzusetzen, ist vom Publikum mit heftigem Applaus belohnt worden. Und den Erfolg für den Abend können sich Oksana Lyniv, die musikalische Leiterin und der Regisseur dieser Uraufführung auf steirischem Boden, Bernd Mottl zu Recht teilen. Wo passiert das schon noch heutzutage, dass Dirigat und Inszenierung beim Schlussapplaus mit gleichen Phonstärken belohnt werden.

Rossini hatte für das von ihm geleitete Théatre-Italienne in Paris ein Libretto von Luigi Balochi, dem Bühnenchef des Theaters vertont. Dieser Text wurde eher für eine Art Jubelkantate geschrieben, in welcher sich die bekannten italienischen Künstler des Hauses, die Rossini für seine Aufführungen engagiert hatte, produzieren konnten, wie etwa Giuditta Pasta, Bellinis spätere erste Norma. Der Erfolg der ersten drei Abende war nicht berauschend und der König soll sich gelangweilt haben, wenn man von einzelnen Stücken absieht, wie etwa die 14-stimmige Ensembleszene, die auch beim Publikum ankam. Später gab es noch eine Benefizaufführung dieser Oper, allerdings auch nicht autorisierte Vorstellungen mit anderem Text in Bezug auf die Februarrevolution 1848. Kurios muss wohl jene in Wien des Jahres 1854 erschienene umgedichtete Version anzuhören gewesen sein, welche unter dem Titel „Il viaggio a Vienna“ die  Hochzeit von Kaiser Franz Josef mit Elisabeth von Österreich behandelte.

Tatsächlich beschränkt sich der Handlungsablauf nach einer kurzen Vorstellung der handelnden Personen – insgesamt sind für diese Oper zehn erste Kräfte eines Hauses gebunden – auf die Vorbereitung der Reise zur Krönung Karl X. von Frankreich in der Kathetrale von Reims und letztendlich der Absage der Abreise wegen Fehlens der Pferde.

Nachdem das Werk als Schürfboden für Rossini, dem „Napoleon der Musik“ wie Stendahl Ihn nannte, dem besten aller Eigenverwerter vor allem für dessen „Oper Le Comte Ory“ diente, konnte es dank der Forschungsarbeit in den Archiven, vor allem in der Bibliothek des Pariser Conservatoire wieder weitestgehend zusammengesetzt und wieder in seiner ursprünglichen Form aufgeführt werden. Claudio Abbados Vorarbeit und von Pesaro ausgehende Wiederaufführungen, denen auch in Wien umjubelte Wiedergaben folgten gewährleisteten auch hier in Graz die Begegnung mit diesem Werk.

Oksana Lyniv merkte man die Freude am Dirigat dieses Rossinis an, Tempo und Präzision setzten Witz und musikalische Feinheiten bis in die kleinsten Noten in ihrer Wiedergabe frei, das betraf vor allem die Ensembleszenen, darunter dieses köstliche „Gran Pezzo Concertato a 14 Voci“, wohl eines der Glanzstücke der Partitur. Das Grazer Philharmonische Orchester stellte der jungen Maestra sein ganzes Können zur Verfügung und der Chor der Oper Graz unter Bernhard Schneider bot wie immer gesanglich aber auch an Bewegung und Spiel alles zum Erfolg für die Buffa auf.

Corinna – TETIANA MIYUS – mit dem Stier EUROPA     Foto W.Kmetitsch

Und keinen geringeren Anteil am Erfolg des Abends hatte der Regisseur Bernd Mottl mit seinem Team Friedrich Eggert für Bühne und Licht und Alfred Mayerhofer für die Kostüme. Die mit Lilientapeten bezogenen praktikablen, weil schnell veränderbaren Bühnenbauten einerseits und die zeitlosen, herrlich bunten und trotzdem zu Rossini passenden Kostüme andererseits suggerierten optisch die postnapoleonische Zeit Frankreichs.

Die Inszenierung bezog vor allem Wirkung aus der gekonnt musikalischen Bewegungsregie, vermied die Peinlichkeiten an schenkelklopfendem Humor, wie dieser oft von falsch verstandener Behandlung einer Buffa ausgeht und als lustig verkauft wird.

Tatiana Miyus und Peter Kellner  Foto W.Kmetitsch

Eine detaillierte Anerkennung der Einzelleistungen auf der Bühne, kann bei der Anzahl der Beteiligten nur in einem Pauschallob münden: Jeder und jede führte, ob in den Ensembleszenen, ob solistisch, ob singend oder stumm seine bzw. ihre Rolle aus mit Intensität und Liebe zum Detail.

Die Corinna der Tatiana Miyus, einst die Rolle der Giuditta Pasta als Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, die Madama Cortese: Sonja Saric mit dem perfekten Jodler wie einst die Caballé in Wien, Cavalier Belfiore: Pavel Petrov als perfekter tenore di grazia, Lord Sidney: Peter Kellner mit verführerischem Bariton, Don Profondo: mit dem profunden Wilfried Zelinka, Marchesa Melibea, die polnische Witwe mit dem Riesencharme: Anna Brull, Barone Trombonok: Darius Perczak, Don Alvaro, als einarmiger Kriegsheld: Ivan Orescanin, Contessa Folleville: die so köstlich zickige Elena Galitskaya, der hintergründige Antonio des David McShane usw,usf.

Man verliert bei der köstlichen Unterhaltung und dem Trubel schon einmal den Überblick, so wie ich.

Die Inszenierung ist sehenswert und naturgemäß bei Rossini hörenswert dazu.

 

Peter Skorepa
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