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OPER GRAZ: Georg Friedrich Händel XERXES Premiere 29.11.2014

30.11.2014 | KRITIKEN, Oper
Tatjana

Tatyana Mijus als Atalanta mit Chor

OPER GRAZ:  Georg Friedrich Händel  XERXES
Premiere 29.November 2014

 

Zuerst reicht  Atalanta dem Xerxes einen Dolch, damit er ihrer Schwester und Rivalin Romilda die Gurgel durchschneidet. Doch dies geht daneben. Aber auch mit einer Pistole, einer Schlange und einer Armbrust funktioniert es nicht. Schließlich  kommt gar eine Kanone zum Einsatz, die allerdings auch wieder das Opfer verfehlt aber zum Gaudium des Publikums dafür ein riesiges, rauchendes Loch in die Bühnenrückwand schießt. So amüsant kann eine dreiteilige Da-capo-Arie für ein Publikum sein, das nicht nur aus Barockliebhabern besteht.

Georg Friedrich Händels Xerxes am Grazer Opernhaus ist eines seiner letzten Opernwerke aus 1738, eigentlich einer Genremischung, mit der das Publikum nicht viel anfangen konnte und das nach nur fünf Aufführungen wegen Misserfolgs abgesetzt wurde. Stefan Herheim lässt in seiner Inszenierung, die er bereits 2012 in Berlin, Bergen und Düsseldorf gezeigt hat, am Opernhaus Graz auch sonst nichts aus: Blökende Schafe unter der Platane, unter der der Titelheld, obwohl er mit einer Frau besetzt ist, während seiner Paradearie „Ombra mai fu“, die gemeinhin als sein bekanntes „Largo“ bezeichnet wird, mit einem erigierten Glied herumläuft. Ein gut singender und von Bernhard Schneider präzise einstudierter Chor der Oper Graz, der mit kecken Uniformröckchen bekleidet, ständig rhythmisch herumkichert, als ängstliche Soldaten ausgesprochen patschert agiert und später als Wassermann, Muschel, Tintenfisch oder gar Engelsflügel ausstaffiert ist. Ein wie ein Showstar auftretender Titelheld, dessen Kostüm an den Piraten Jack Sparrow aus den Filmen „Der Fluch der Karibik“ erinnert und wo bei einer seiner anderen Arie sich die großen leuchtenden Lettern von „Xerxes“ in „Sex Rex“ verändern. Denn so liest sich sein Name verkehrt. Zu recht, den der Perserkönig, obwohl verlobt, wandelt auf amourösen Pfaden, interessiert sich weniger für den Kampf als für die Geliebte seines Bruders.

Der norwegische Starregisseur hat die antike Geschichte von Verwechslungen, Maskeraden und Verrücktheiten in die Entstehungszeit der Oper um 1740 versetzt und arbeitet auf mehreren Ebenen. Heike Scheele, seine ständige kongeniale Bühnenbildnerin, hat ihm dafür ein kitschiges, perfekt funktionierendes Barocktheater mit Pappkulissen, wie Wölkchen, Wellen, Schiffchen, Häusern ersonnen. Daneben ermöglicht aber auch die Drehbühne Einblicke, was dahinter in den Garderoben passiert. Ebenso völlig kitschig aber auch ironisierend sind auch die Kostüme von Gesine Völlm, wobei die Gegenspieler oft wie Doppelgänger kostümiert sind.

Name

Xiaoyi Xu als Amastris

Mag in der überbordenden Regie und den unzähligen Ideen und Slapsticks von Herheim, manches vielleicht zu überzeichnet sein, so lässt die dreieinhalbstündige Aufführung, die außer einiger italienischer Arien in deutscher Sprache gesungen wird, keinerlei Langeweile aufkommen. Die Personenführung ist immer wieder tänzelnd oder in rhythmischen Bewegungen, in bewusst überzogenen Gesten angelegt.

Mit großem Spaß ist das Ensemble, der einige Arienteile und Wiederholungen gestrichen wurden, bei der Sache: Stephanie Houtzeel in der Titelrolle feiert eine triumphale Rückkehr ans Grazer Opernhaus, wo sie früher zum Ensemble gehörte, mit reinsten Koloraturen und intensivem Gesang. Xerxes Bruder Arsamenes ist Dshamilja Kaiser mit dunklem, fülligem Mezzo. Mit etwas zu kleiner Stimme erlebt man Xiaoyi Xu, die vom Titelhelden vorerst verschmähte Verlobte Amastris. Margareta Klobucar singt die von beiden Brüdern heißbegehrte Romilda mit hohem lyrischem Potenzial. David McShane ist ihr Vater, der solide singende Ariodates. Tatjana Miyus singt die Atalanta mit hellem Sopran und allen Spitzentönen. Köstlich ist Hagen Matzeit als Diener Elviro, der urkomisch zwischen Bariton und Countertenor oft nur wortweise wechselt und auch darstellerisch begeistert.

Mit Verve aber auch subtiler Leichtigkeit leitet der ständig animierende Spezialist für Alte Musik Konrad Junghänel das stilsicher und vibratofrei spielende Grazer Philharmonische Orchester im höher gefahrenen Graben.  Musiker und Dirigent werden auf komische Weise auch immer weder ins Geschehen eingebunden. Wenn etwa von Gaunern die Rede ist, springen diese entrüstet und lautstark protestierend von ihren Sitzen auf. Oder es gibt immer wieder lautstarke Diskussionen von Sängern mit dem Dirigenten.

Nicht erst am Schluss gab es einhelligen Jubel des begeisterten und sehr amüsierten Publikums!

 

Helmut Christian Mayer
Fotos Oper Graz/Forster

 

 

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