Matthias Marschik / Edgar Schütz / Wolfgang Wehap
ÖSTERREICH FÄHRT RAD
150 Jahre Fahrradgeschichte in Bildern
184 Seiten mit 290 Abbildungen, Edition Winkler-Hermaden, 2023
Wer hat nicht schon einmal, egal, ob selbst Radfahrer oder nicht, aus voller Kehle „Jo mir san mit’n Radl do!“ mitgesungen, wer hat sich nicht schon – ob in seiner Eigenschaft als Fußgänger oder Autofahrer – wütend über Radfahrer geärgert, und wie viele von uns sind nicht selbst auf den Drahtesel gestiegen, ob als „Verkehrsmittel“, ob zum Vergnügen? Und – keine Frage, in unserer heutigen, so veränderten Welt sind Radfahrer präsenter denn je, und außerdem stehen sie für eine Weltanschauung: Seht her, wir verpesten nicht die Luft, wir verderben das Klima nicht weiter… Radfahrer als die besseren Menschen.
Vieles ist zum Radfahren zu erzählen, was der Band „Österreich fährt Rad“ (Autoren: Matthias Marschik ,Edgar Schütz, Wolfgang Wehap) mit Text zu acht Schwerpunktkapiteln erzählt – vor allem aber mit Bildern anschaulich macht. Auf 290 vor allem Fotos, aber auch mittels Werbeplakaten und – anzeigen, gelegentlich Karikaturen und sogar Zeitungsüberschriften (wenn ein Politiker einen Radunfall hat, ist das der „Kronen Zeitung“ eine Titelgeschichte wert) scheinen die Räder auf die Betrachter geradezu hin zu brausen…
Eigentlich schon im frühen 19. Jahrhundert erfunden, wurde der Radsport, von England kommend, ab den 1880er Jahren schnell populär – das „Bicycle“ (wie Arthur Schnitzler es in seinem Tagebuch ausschließlich nennt) eroberte Wien geradezu. Schnitzler selbst war ein Pionier dieses Sports, begeisterte auch Freunde wie Felix Salten oder Theodor Herzl – man ließ sich auch, die Bilder beweisen es, geradezu programmatisch mit dem Rad fotografieren.
Von Anfang an haben sich die Frauen, obwohl damals noch durch lange Röcke behindert, nicht vom Fahrradfahren abhalten lassen. Was zuerst eine elegante Mode-Erscheinung war, bald ein neuer Sport, setzte sich das Fahrrad bei Frau und Mann, bei Jung und Alt , in Stadt und Land, zur Fortbewegung und zum Sport, in Krieg und Frieden als (manchmal lebenswichtiger) Gebrauchsgegenstand durch. Das hinderte die begeisterten Radler nicht daran, sich in zahlreichen Vereinen fröhlich zusammen zu finden (mit den entsprechenden Gruppenfotos).
Es ist eine faszinierende Kulturgeschichte der Alltagsszenen, durch die man in diesem Buch blättert, da gibt es Krieg, da gibt es Demonstrationen gegen Autos zugunsten der Räder, und politische Aspekte stechen als besonders interessant hervor – etwa ein Transparent mit dem Ausspruch des einstigen chilenischen Präsidenten Salvador Allende: „Dem Sozialismus kann man sich nur mit dem Fahrrad nähern.“ Was zu bedenken wäre…
Am Ende gibt es eine Menge Promis auf ihrem Stahlesel – auch vor unseren aufgeheizten Umwelt- und Klimaschutz-/Zeiten war es ein Statement, sich als Politiker auf dem Fahrrad zu zeigen (Helmut Zilk), radelte Weltstar Walter Berry schlicht und volkstümlich vor dem Salzburger Festspielhaus vor (wo sonst die Rolls Royce und BMW regieren). Man sieht Peter Alexander (auch im Film) und Thomas Bernhard auf den Fahrrädern. Wahrscheinlich wird man dieses Buch immer wieder zur Hand nehmen, um Fahrradgeschichte im besonderen und dabei Geschichte im allgemeinen „zu schauen“…
Renate Wagner