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ÖLBRONN / MÜHLACKER: FESTAKT UND FESTKONZERT DER „GOTTLOB FRICK-GESELLSCHAFT“

Ölbronn / Mühlacker: Festakt und Festkonzert der Gottlob-Frick-Gesellschaft – 18./19.10.2014

 Alle Jahre wieder finden sie sich hier ein, die Sänger, deren Namen manchem Opernfreund den Puls beschleunigen. Denn die Gottlob-Frick-Gesellschaft, mit der sich der Geburtsort des Bassisten schmücken darf, veranstaltet zuverlässig Mitte Oktober ihr ebenso ehrgeiziges wie opulentes Künstlertreffen, das schon beim Eintreffen der Gäste im Hotel zum Who is Who der hochkarätigen Sänger der letzten Jahrzehnte wird. Nach dem ausgiebigen Begrüßungs-Imbiss geht´s dann per Omnibus zum Konzerthaus Mühlehof in Mühlacker, in dessen Gottlob-Frick-Saal es sich der Präsident der Gesellschaft, Hans A. Hey, nicht nehmen lässt, seinen illustren Gästen einen Festakt zu bieten, dessen feststehendes Ritual er jedesmal mit frappierenden Überraschungen anreichert.

Diesmal waren unter den Ehrengästen, die mit der Gottlob-Frick-Medaille ausgezeichnet wurden, keine Geringeren als René Kollo und Sir Donald (hinter dem sich niemand anderes als Donald McIntyre verbirgt!). Der Träger der Medaille in Gold, mit Spannung erwartet, war Prof. Gerd Uecker, der Opernfreunden aus ganz Mitteleuropa ein Begriff ist, leitete er doch auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn die führenden Opernhäuser von München und Dresden – und fand daneben und danach noch Zeit und Kraft, sich intensiv des Sängernachwuchses anzunehmen. Dieses Leben für die Opernkunst und ihren Fortbestand wurde von Hans A. Hey in seiner ebenso anschaulichen wie temperamentvollen Laudatio als mustergültig im Sinne der Gottlob-Frick-Gesellschaft und ihres Namensträgers gewürdigt. Die Ehrung samt den gerührten Dankesworten des Preisträgers wurde vom handverlesenen Publikum mit herzlichem Beifall bedacht.

 Der 2. Teil der Veranstaltung, das Festkonzert, stand diesmal ganz im Zeichen der Losung, die von der Bühne herab jedes Publikum an seine erste Pflicht erinnert: Ehrt eure deutschen Meister!  Die Ausschnitte aus Flotows „Martha“, Webers „Freischütz“ und Beethovens „Fidelio“ wurden traditionsgemäß vom hochmotivierten Heilbronner Sinfonieorchester begleitet. Sein umsichtiger Leiter Peter Braschkat wagte sich auch an die drei Ouvertüren, von denen ihm Flotows biedermeierliches Stück, das den Festakt eröffnete, am besten gelang. Bei Webers sonnenglänzendem Wald und Beethovens warnendem Hornruf gerieten die Blechbläser dann doch gelegentlich ins Straucheln.

Bei den Solisten glänzte Miriam Portmann mit dem Kunststück, die Lyrik von Marthas schlichtem Lied von der letzten Rose ebenso tonschön zu treffen wie Agathes banges Warten auf den Geliebten mit seinen hymnischen Aufschwüngen. Sogar für den gefürchteten Schluss der Leonoren-Arie hatte sie noch die nötigen Reserven. Clemens Bibers Stärke ist nach wie vor die gepflegte Lyrik in Lyonels schmachtender Arie. Als unglücklicher Max führte er die lyrische Kantilene dann vorsichtig, aber sicher zu dramatischer Verzweiflung. Auch den abgehärmten Florestan machte er mit gebändigter Intensität glaubhaft. Claudius Muth war den beiden hohen Stimmen ein zuverlässiger Ensemblepartner und sang, nachdem er bei Kaspars dämonischer Rachearie an seine stimmtechnischen Grenzen gestoßen war, Roccos behäbige Goldarie überzeugend. Einer der Höhepunkte des Programms war schließlich das wundersame Terzett Euch werde Lohn. Am Schluss stand das jubelnde Duett, das dem Konzert als Motto diente: O namenlose Freude!

 Am Abend ließen es sich die Ölbronner nicht nehmen, den Festgästen ein opulentes Buffet bereitzustellen, bei dem es wieder an nichts fehlte – bis hin zur aufmerksamen Bedienung an den Tischen. Und um zu zeigen, dass hier immer noch schöne Stimmen nachwachsen, machte der Helferchor den Gästen mit einem stimmungsvollen Ständchen seine Aufwartung!

Im Zentrum der abschließenden Sonntags-Matinee stand diesmal ein Nestor der Opernbühne. Bevor er aber die Gäste mit Plaudereien aus seinem langen Bühnenleben erfreuen durfte, wurden sie erst mal auf die Folter gespannt: durch einen Vortrag des verdienten Regisseurs Hans-Peter Lehmann, der, von Thomas Voigt sachkundig moderiert, über sein Projekt mit Wagners Walküre in Taipeh ausführlich berichtete. Im Zentrum seiner Ausführungen stand seine Bewunderung für den unermüdlichen und reibungslosen Einsatz und die erstaunlichen Ergebnisse der taiwanesischen Künstler, Techniker und Handwerker in dieser für sie nicht eben vertrauten Materie.

Schließlich holte ihn der Moderator auf die Bühne: den inzwischen 90jährigen Mehrfach-Künstler und Seiteneinsteiger Franz Mazura. Was heißt hier schon Kammersänger, wenn einer wie er, nicht nur in Bayreuth, kaum eine Partie der Bass- und Baritonlage ausgelassen hat – teils freiwillig und vorbereitet, teils als kurzfristiger Einspringer – und immer mit bemerkenswertem Erfolg! Vorgesehen als Klingsor, plötzlich die Vorstellung retten zu müssen, indem man zum Gurnemanz wechselt, das will geleistet sein. Und dergleichen Gusto-Stücke aus seinem Zickzack-Lebenslauf sprudelt der immer noch vitale und charmante alte Herr nur so heraus, dass dem Moderator kaum noch etwas zu tun bleibt. Chapeau!

Aber es wurde noch besser. Man hatte sich gut vorbereitet und zwei Filmausschnitte aus dem Bayreuther Chéreau-Ring mitgebracht – und dafür gesorgt, dass die Sänger von damals fast alle im Saal waren: Neben Franz Mazura nahmen René Kollo, Dame Gwyneth Jones und Sir Donald McIntyre Platz. (und im Zuschauerraum saß noch die Erda von damals, Ortrun Wenkel, und die Sieglinde Hannelore Bode.) Nun begann ein Wettlauf um die besten Anekdoten und Pointen: Jones schwärmte von Chéreau, McIntyre dagegen bescheinigte ihm Sängerfeindlichkeit. Und Kollo erzählte, wie er mit gebrochenem Fuß den Siegfried aus der Gasse sang und Chéreau ihn schwitzend spielte. Und Voigt ließ sie gewähren – das Beste, was er tun konnte.

Die ausgelassene Runde konnte nur übertroffen werden von den beiden Ausschnitten aus dieser Produktion: Wotans Abschied mit Jones/McIntyre und der Schluss des 2.Akts der Götterdämmerung mit Jones/Mazura/(Hübner). Glück und Gänsehaut beendete die Matinee, und hundert prominente Kollegen konnten lächelnd nach Hause fahren. Dabei hatte das Ganze als Zitterpartie wegen des Lokführerstreiks angefangen. Ende gut, Anfang vergessen…

Johannes Schenke        

 

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