Bettina Braun, Katrin Keller, Matthias Schnettger Hg.
NUR DIE FRAU DES KAISERS?
Kaiserinnen in der Frühen Neuzeit
Institut für Österreichische Geschichtsforschung, Band 64
272 Seiten, Verlag Böhlau, 2016
Kaiserin. Die Frau des Kaisers sein. War es nur eine Rolle, eine Funktion, weiblicher Aufputz hinter dem mächtigen Mann? Oder konnte man eigenständig etwas daraus machen, dieses auferlegte Schicksal selbst gestalten? Das oblag (wie immer und überall) den einzelnen Persönlichkeiten, aber in hohem Maße auch den gesellschaftlichem Umständen und Möglichkeiten, die man vorfand.
Wie Kaiserinnen in der Frühen Neuzeit mit ihrer Position umgingen, das wird nun in zahlreichen Porträts gezeigt, die vom Institut für Österreichische Geschichtsforschung zwischen Buchdeckeln herausgegeben wurden und auf den Vorträgen basieren, die im März 2014 im Rahmen einer Tagung gehalten wurden. Viele Wissenschaftler, viele Themen, viele Aspekte.
Und vor allem viele Schicksale. Letztendlich besteht der Wert des Buches im Biographischen – Frauen, die immer im Hintergrund standen, kommen in den Fokus, spätestens seit der Frauenbewegung der 1970er Jahre werden sie nicht nur als Anhängsel der Männer, sondern als eigene Schicksale wahr genommen. Man hat, wie Katrin Keller, eine der HerausgeberInnen des Buches, ausführt, in der Geschichte stets nur auf Maria Theresia geblickt („Kaiserin“ genannt, exakt aber auch nur „Frau Kaiserin“, weil Gattin des Kaisers) – berechtigt, da sie als einzige in der deutschsprachigen Geschichte „Herrscherin aus eigenem Recht“ war. Alle anderen (es sei denn, man blickte im 19. Jahrhundert auf Kaiserin Elisabeth als Frauenschicksal – sie kommt hier übrigens nicht vor) blieben am Rande. Hier paradieren nun viele vorbei – mit ihren eigenen Schicksalen, die vor allem von Beschränkungen erzählen.
Das Buch geht nicht chronologisch vor, diese Betrachtung kann es tun. Dann begänne man im 15. Jahrhundert.
Bianca Maria Sforza (1472-1510), zweite Gattin von Kaiser Maximilian I.
Ein „missglücktes“ Schicksal, wie Christina Lutter und Daniela Unterholzner in ihrem Artikel „Fürstin ohne Ort. Vom Scheitern der Bianca Maria Sforza“ nicht ganz gerecht meinen. Denn die Sforza-Fürstin wurde von Maximilian nur wegen ihrer Mitgift (die sich bald aufbrauchte) und ihren italienischen „Beziehungen“ geehelicht, da er hoffte, seinen Einflussbereich dorthin auszudehnen (wie es ihm ja mit dem Burgund seiner ersten Gattin so vorzüglich gelungen war). Er hat sich allerdings um seine zweite Ehefrau, als die Italien-Ambitionen scheiterten, so gut wie gar nicht mehr gekümmert – in den letzten acht Jahren vor ihrem Tod war das Ehepaar gerade eineinhalb Jahre zusammen. Bianca, funktionslos, von einem Ort zum anderen vazierend, meist in Geldnöten, hatte nicht die geringste Möglichkeit, für sich Stellung und Einfluss zu erringen. Darum ist der Vergleich mit Maximilians Tochter Margarethe auch nicht angebracht, die als zweifache Witwe vom Vater mit der Verwaltung der Niederlande (und der Erziehung seines Enkels, ihres Neffen Karl – der spätere Karl V.) betraut wurde. Gewiß, Margarethe meisterte ihre Aufgabe vorzüglich (zu so etwas wäre Bianca wohl nie imstande gewesen), aber sie bekam ihre Rolle zugeteilt (wie Frauen es überhaupt bis ins späte 20. Jahrhundert nur so weit bringen konnten, wie Männer es zuließen – außer sie „erbten“ Männerfunktionen). Bianca hingegen fiel „nutzlos“ aus jedem Schema.
Seltsamerweise findet sich kein Artikel über die nächsten „Kaiserinnen“, die Gattinnen von Karl V. und Ferdinand I. (obwohl dessen Anna von Böhmen und Ungarn besonders interessant gewesen wäre).
Maria von Spanien (1528–1603), Gattin von Kaiser Maximilian II.
Sie war die Tochter von Karl V., die Schwester von Spaniens König Philipp II. (und die Mutter von dessen vierter Gattin! sowie u.a. von Kaiser Rudolf II.), und sie wurde an ihren Vetter ersten Grades, Maximilian (die Väter, Karl V. und Ferdinand I. waren Brüder) nach Wien verheiratet. Alexander Koller schildert in „Maria von Spanien, die katholische Kaiserin“ ihr Schicksal, das nun tatsächlich von höchster Bedeutung für das ganze Habsburger-Reich, man kann sagen, für die europäische Geschichte war. Denn ihr Gatte Maximilian II. zeigte sich gewissermaßen vom protestantischen Virus infiziert (dem ihr Vater Karl V. in Gestalt von Martin Luther erstmals gegenüber gestanden war), und das war natürlich überaus gefährlich: Maria, die immer „Spanierin“ blieb und (mit vielen Beziehungen zur Kirche und dem Papst) unerschütterlich katholisch, schaffte es zumindest, ihren Gatten vom Konvertieren abzuhalten, was der Sache der „Casa Austria“ einen nicht wieder gut zu machenden Schaden zugefügt hätte.
Anna von Österreich (1549–1580), Gattin von König Philipp II. von Spanien
Anna, die Tochter von Kaiser Maximilian II. und Maria von Spanien, heiratete als vierte Ehefrau (die den Nachwuchs sichern musste, Don Carlos war gestorben, sonst hatte Philipp nur Töchter) ihren leiblichen Onkel, den Bruder ihrer Mutter. Ihr Schicksal und das ihrer beiden österreichischen Nachfolgerinnen, die, aus Wien kommend, dann ihren Sohn Philipp III. und ihren Enkel Philipp IV. heirateten, behandelt Rubén González Cuerva in dem Artikel in englischer Sprache „Anne, Margaret and Marianne of Austria: Queens of Spain, Archduchesses of Austria and Dynastic Links”. Dabei ist Anna, die 21jährig ihren 43jährigen, dreimal verwitweten Onkel heiratete, besonders interessant. Sie hatte nicht die Sprach- und Kulturprobleme, mit denen viele Kaiserinnen, die aus anderen Ländern kamen, kämpfen mussten. Ihr Großvater, Kaiser Ferdinand I. (Bruder von Philipps Vater Karl V.), war ja noch in Spanien aufgewachsen und unterhielt sich gerne in dieser Sprache mit der Enkelin. Der spanische Einfluß am Wiener Hof wurde erst nach seinem Tod spürbar geringer. Auch wuchsen einige von Annas Brüdern am spanischen Hof bei ihrem Onkel auf. Die Probleme der „Fremden“ (ein großes Thema bei dynastischen Ehen, die vielfach mit schwerem Kulturschock verbunden waren!) blieben ihr also erspart, und es gelang ihr durchaus, in zweitrangigen Dingen Einfluß auf ihren Mann, mit dem sie in glücklicher Ehe lebte, auszuüben. Wirkliche politische Macht hatte sie keinesfalls – das wäre mit Philipps patriarchalischem Herrschaftsverständnis nicht zu vereinbaren gewesen. (Man beachte übrigens, dass sich hier drei spanische Königinnen unter die „Kaiserinnnen“ des Buchs geschlichen haben.)
Anna von Tirol (1585-1618), Gattin von Kaiser Matthias
Obwohl Maximilian II. und Maria von Spanien zahlreiche Kinder hatten (es wäre ein Irrtum zu glauben, Maria Theresia sei die einzige, die ununterbrochen Kinder gebar, zahlreiche Kaiserinnen brachten es auf weit mehr als 10, das gehörte zu den Habsburgischen Pflichten), ging die Kaiserwürde des Hauses Habsburg später auf den Nebenzweig von Karl von Innerösterreich (einen Bruder von Maximilian II.) über. Denn Kaiser Rudolf II. weigerte sich zu heiraten (sein Bruder Albrecht ehelichte dann die Tochter von König Philipp II., die jahrzehntelang auf Rudolfs Entscheidung gewartet hatte!), und dessen Bruder Matthias blieb kinderlos. Dieser, in der Nachfolge Rudolfs Kaiser Matthias, ehelichte auch eine Verwandte, seine Cousine ersten Grades, Anna von Tirol (die Väter, Ferdinand von Tirol und Karl von Innerösterreich, waren Brüder und ihrerseits Brüder von Maximilian II.). Elena Taddei beschreibt ihr Schicksal in „Anna von Tirol: ‚Kaiserin für Gottes Gnaden’?“, wobei hier die legistische Besonderheit waltete, dass Anna in einer getrennten Zeremonie zur Kaiserin gekrönt wurde: Normalerweise erfolgte die Krönung, wenn überhaupt, zusammen mit dem Gatten, meist aber gar nicht, und sie war für den Rang nicht nötig: Die Gattin des Kaisers zu sein, reichte für den Titel der „Kaiserin“. Dass die kinderlos gebliebene Ehe glücklich war, bedeutete damals, wo sich alles nur auf Fortpflanzung und Machtweitergabe in der Familie konzentrierte, wenig. So geht Anna von Tirol als gekrönte Kaiserin des Heiligen Römischen Reichs vor allem deshalb in die Geschichte ein, dass sie mit der Kapuzinergruft die Grablege der Habsburger bis zum Ende der Dynastie begründete.
Eleonora Gonzaga (1598-1655), Gattin von Kaiser Ferdinand II.
Eleonora Gonzaga von Mantua-Nevers (1628-1686), Gattin von Kaiser Ferdinands III.
Nach Italien hatten die Habsburger immer schon geheiratet, es gab Verbindungen mit den Medici, den Sforza, auch früher schon mit den Gonzaga in Mantua. Sowohl Ferdinand II. (der als Sohn von Karl von Innerösterreich und einer Bayernprinzessin nach Matthias Kaiser wurde) wie sein Sohn aus erster Ehe (ebenfalls mit einer Bayernprinzessin) Ferdinand III. heirateten in späteren Ehen zwei Damen des Hauses Gonzaga, wobei die Habsburger immer versuchten, ihren Einfluß so tief wie möglich nach Italien zu erstrecken. Matthias Schnettger zeigt allerdings in seinem Beitrag „Die Kaiserinnen aus dem Haus Gonzaga: Eleonora die Ältere und Eleonora die Jüngere“, dass das keinesfalls gelang, vielmehr versuchten beide Damen ihren Einfluß als „Kaiserin“ vor allem zu Gunsten ihrer italienischen Familie zu nutzen. Ihre Wirkung auf den Wiener Hof beschränkte sich darauf, besonders die Musik und die Oper zu fördern (was bei den Habsburgern auf allerfruchtbarsten Boden fiel), das Nachleben für ihr Seelenheil konstituierten sie (wie viele Kaiserinnen übrigens!) als Klostergründerinnen.
Maria Anna von Spanien (1606–1646), Gattin von Kaiser Ferdinand III.
Vorgängerin bei der zweiten Gonzaga-Eleonore als Gattin von Ferdinand III. war wieder eine enge Verwandte aus Spanien gewesen – eine Tochter von Philipp III. von Spanien und seiner österreichischen Gattin Margarete. Es war Maria Anna, die schon mit 40 Jahren starb, Mutter von Kaiser Leopold I. und jener Maria Anna, die dann ihren Onkel (Mutters Bruder) Philipp IV. heiratete (kein Einzelfall in der Habsburger Geschichte, wie man weiß). Andrea Sommer-Mathis schildert in „María Ana de Austria: spanische Infantin – Königin von Ungarn und Böhmen – römisch-deutsche Kaiserin (1606–1646)“, wie sie es als Spanierin in Wien nicht ganz leicht hatte, aber als Veranstalterin großer Opern wirkte und den großen Tanzsaal in der Hofburg bauen ließ. Mit ihrer Schwiegermutter, der ersten Eleonora Gonzaga, lebte sie nicht völlig in Harmonie. Bis diese nach Maria Annas Tod ihre Verwandte, Eleonore 2, als Gattin von Ferdinand III. „nachschieben“ konnte, heiratete der Kaiser zwischendurch noch eine andere Verwandte, Leopoldine von Tirol… Habsburger-Geschichte ist Genealogie. Frauengeschichte ist es in den meisten Fällen nur als „Draufgabe“.
Eleonore von Pfalz-Neuburg (1655-1720), Gattin von Kaiser Leopold I.
Mit Ausnahme von Bayern waren die Habsburgischen Heiratsbande mit den deutschen Fürstenhäusern die längste Zeit nicht fest gefügt. Das änderte sich im 17. Jahrhundert, als sowohl Kaiser Leopold I. wie auch seine beiden Söhne sich dort ihre Gattinnen suchten – Leopold allerdings, nach der obligaten Verbindung zu Spanien (jene Margarita Teresa, die als die „Infantin“ des Velasquez unsterblich wurde) und zu einer Tiroler Verwandten, erst beim dritten Anlauf. Josef Johannes Schmid beschreibt in „Eleonore Magdalena von der Pfalz – ein Leben zwischen den Häusern Neuburg und Habsburg“, dass Eleonore zwar keine „erste Wahl“ war, aber die dringliche Aufgabe hatte, männliche Erben zu gebären (was ihr mit Joseph I. und Karl VI. dann auch gelang). Eleonore konnte sich als kaiserliche Mitarbeiterin des Gattin durch ihre Französisch-Kenntnisse (die ihm offenbar abgingen) nützlich machen: Sie übernahm die Korrespondenz und offenbar auch Verhandlungen in dieser Sprache. Historische Details mit weit reichenden Folgen: Da sie Prinz Eugen von Savoyen nicht leiden konnte, verpufften dessen Hilferufe um Nachschub am Kriegsschauplatz am Wiener Hof, sobald sie in Eleonores Hände gerieten… Sie hatte als Witwe Probleme, da sie sich mit ihrem ersten Sohn Joseph (der allerdings sehr früh starb) gar nicht, mit ihrem zweiten Sohn Karl nur so einigermaßen verstand. Sie durfte die Regentschaft führen, so lange Karl noch in Spanien weilte (damals zerbrach die Habsburgische Herrschaft über Spanien, die mit Karl V. begonnen hatte), dann wurde ihr das Schicksal vieler Kaiserin-Witwen zuteil – mit kleinem Hofstaat und nicht eben reicht dotiert im Ausgedinge.
Amalia Wilhelmine von Braunschweig-Calenberg (1673-1742), Gattin von Kaiser Joseph I.
Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel (1691-1750), Gattin von Kaiser Karl VI.
Beide Söhne von Leopold I. und seiner deutschen Gemahlin holten sich ihre Frauen aus deutschen Fürstenhäusern, wobei sich die auf die Welfen zurückgehenden Braunschweiger über mehrere, durchaus verfeindete Familienzweige spalteten. Die beiden deutschen Gattinnen hatten keine Sprachbarrieren und waren auch hinreichend katholisch fromm, aber keine hatte einen überlebenden Sohn – zum ersten Mal drohte die Habsburger „Erbpacht“ auf die Kaiserkrone (wohl gemerkt, nicht die der eigenen Länder, sondern die stets neu gewählte des Heiligen Römischen Reichs) an Mangel männlicher Nachkommen verlustig zu gehen. So kam es auch – zwischenzeitlich. Ein Bayer und ein Lothringer (beide mit Habsburgerinnen verheiratet) kamen dazwischen, bevor die Krone drei letzte Male (bis 1806) in der Familie blieb. Die beiden Braunschweigerinnen, die schnell hintereinander Kaiserinnen wurden (Joseph I. folgte dem Vater 1705, Karl VI. dem verstorbenen Bruder 1711), mussten sich jeweils um den Machterhalt des eigenen Nachwuchses kümmern. Michael Pölzl schildert in „Die Kaiserinnen Amalia Wilhelmina (1673–1742) und Elisabeth Christine (1691–1750) Handlungsspielräume im Spannungsfeld dynastischer und persönlicher Interessen“, wie Amalia Wilhelmine ihre Töchter an die Kurfürsten von Sachsen und Bayern verheiraten konnte, womit die eine auch Königin von Polen, die andere dann tatsächlich Kaiserin wurde… Für Elisabeth Christine, die ihren Gatten um zehn Jahre überlebte, ging es darum, dass ihre Tochter Maria Theresia „Kaiserin“ wurde – und so war es auch.
Maria Amalia von Österreich (1701–1756), Gattin von Kaiser Karl VII.
Als Maria Amalia 1722 in München den Kurfürsten Karl Albrecht von Bayern heiratete, war ihr Vater Joseph I. schon seit elf Jahren tot, ihr Onkel Karl VI. war Kaiser. Auch er hatte nur zwei überlebende Töchter. Die Pragmatische Sanktion sah die weibliche Nachfolge vor – aber sowohl der Sachsen- wie der Bayernfürst meinten aus politischen Gründen, dass ihre Gattinnen (als Töchter des älteren Bruders) das Vorrecht am Erbe des Habsburger-Reiches hätten. In der Folge des Österreichischen Erbfolgekriegs ging die Kaiserkrone nach dem Tod von Karl VI. (+1740) erstmals seit dreihundert Jahren an einen Nicht-Habsburger: Maria Amalias Wittelsbacher Gatte wurde als Karl VII. Kaiser. Das Habsburgische Glück allerdings baute im Laufe der Geschichte nicht selten auf Todesfälle – der Bayer starb bereits 1745, und der Weg für Franz Stephan von Lothringen, den Gatten Maria Theresias, wurde frei… Das Schicksal von Maria Amalia erzählt Britta Kägler in „ … so lang diese Frau die hände in denen Regierungsgeschäften haben …Maria Amalia von Österreich als machtbewusste Kaiserin(witwe) in München“. Tatsächlich überlebte Maria Amalia ihren Gatten um elf Jahre, und ihre Stellung als „Kaiserin-Witwe“ übertrumpfte in diesem Falle alle anderen „Kolleginnen“, da sie den bayerischen Traum von der möglichen Kaiserwürde wach hielt. Das ermöglichte ihr in den späten Jahren, nicht zuletzt dank des politischen Sachverstandes, den man ihr nachsagte, Prestige und Einfluß – wobei sie ganz der neuen Heimat verpflichtet und Österreich gegenüber nicht positiv eingestellt war. Als ihre Tochter Maria Josepha den Sohn von Maria Theresia, Joseph II., 1665 heiratete, war Maria Amalia schon tot (und musste diese extrem unglückliche Ehe nicht mehr mitansehen).
Maria Theresia (1717-1780)
Maria Theresia ist in der Welt der „Kaiserinnen“ der Sonderfall, da sie, wie Bettina Braun in dem Artikel „Maria Theresia: Herrscherin aus eigenem Recht und Kaiserin“ so richtig ausführte, eigentlich die Funktion eines Mannes ausübte (wie etwa auch Elizabeth I. von England als Erbin ihres Vaters Heinrich VIII., während Katharina II. von Russland die männliche Funktion des Herrschens von ihrem – möglicherweise ermordeten – Gatten übernahm…). Maria Theresia wurde denn auch mit den männlichen Titeln als „Rex Hungariae“ und „Rex Bohemiae“ apostrophiert. Dass sie ihren Gatten Franz Stephan von Lothringen zum Mitregenten ernannte, geschah pro forma – tatsächlich führte Franz Stephan das Leben einer „Gattin“ (wenn er auch nur indirekt für die Kinder sorgte, die zu gebären Maria Theresia nicht erspart blieb) und widmete sich seinen kostspieligen intellektuellen Hobbies.
Maria Theresia von Neapel-Sizilien (1772–1807), Gattin von Kaiser Franz II. / I.
Als Erzherzog Franz, Sohn von Kaiser Leopold II. (dem Sohn Maria Theresias) 1790 in zweiter Ehe Maria Theresia von Neapel-Sizilien heiratete, war das mehr als eine der üblichen Habsburger-Cousin-Cousinen-Ehen. In diesem Fall waren beide Elternteile von beiden Beteiligten Geschwister, was Franz und Maria Theresia von der Blutsverwandtschaft her selbst zu einer Art von Geschwister machte (und ihren Sohn, den späteren Ferdinand I., zu einem Epileptiker). Leopold II. und seine Schwester Maria Carolina (die später von Napoleon von ihrem Thron in Neapel vertrieben wurde), verheirateten nicht weniger als jeweils drei ihrer Kinder miteinander – Ellinor Forster schildert in „[…] auf den ersten Trohn der Wellt gesezet […] Marie Therese von Neapel-Sizilien – die letzte Kaiserin des Heiligen Römischen Reichs (1792–1806)“ die Verhandlungen, in denen Menschen wie Schachfiguren hin und hergeschoben wurden und Schicksale sich oft durch Zufall entschieden. Nach dem plötzlichen Tod seines Vaters 1792 wurde Franz Kaiser – damals noch mit der Bezeichnung „Franz der Zweite“ (Großvater Franz Stephan von Lothringen war als Römisch-Deutscher Kaiser Franz I. gewesen). Maria Theresia, die 17 Jahre bis zu ihrem Tod mit 35 Jahren an seiner Seite lebte und 12 Kinder gebar, darunter Napoleon-Gattin Marie Louise, war (selbst ungekrönt) die letzte Kaiserin des Heiligen Römischen Reiches, das ihr Gatte1806 auflöste. Da er dann als „Franz I.“ Kaiser von Österreich wurde, blieb Maria Theresia bis zu ihrem Tod im Jahr darauf Kaiserin. Dass sie selbst ihre Rolle nie thematisiert hat, geht aus ihren Briefen hervor.
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Wenn sich das Buch also auf „Kaiserinnen“ konzentriert, besteht der Titel des von Bettina Braun, Katrin Keller und Matthias Schnettger „Nur die Frau des Kaisers?“ zurecht – und bedürfte keines Fragezeichens. Mit der die Regel bestätigenden Ausnahme kamen die Frauen zwischen dem 15. und 18./19. Jahrhundert über die dekorative Rolle im Hintergrund nicht hinaus…
Als P.S. möchte man anfügen, dass die „Gleichwertigkeit“ der Frauen bis heute nicht in allen Königshäusern angekommen ist: Felipe wurde König von Spanien, obwohl er zwei ältere Schwestern hat, während Viktoria einmal Königin von Schweden sein wird, ungeachtet ihres jüngeren Bruders. Auch das 21. Jahrhundert ist sich über die Stellung der Frau noch nicht gänzlich klar und sicher…
Renate Wagner