NÜRNBERG / Germanisches Nationalmuseum
HANS HOFFMANN – EIN EUROPÄISCHER KÜNSTLER DER RENAISSANCE
Bis 21. August
NÜRNBERG / Albrecht-Dürer-Haus:
AlbrECHT DÜRER – EIN RÄTSELHAFTES MEISTERWERK
Bis 4. September
Dürer oder nicht Dürer?
Die Wertschätzung eines Malers drückt sich auch darin aus, wie häufig seine Werke kopiert oder gar gefälscht werden. Daneben ist auch die Frage der Zuschreibung nicht signierter Werke immer spannend. Kurz gesagt: Echt oder falsch?
Dürer und Nürnberg – ein Begriffspaar wie Mozart und Salzburg, aber mit größerer Berechtigung, denn Dürer hat tatsächlich den Großteil seiner Werke in Nürnberg geschaffen: Nur sind in Nürnberg leider nicht sehr viele echte Gemälde Dürers zu finden. Das Germanische Nationalmuseum verfügt immerhin über einige, darunter mit dem Porträt von Dürers Lehrer Michael Wolgemut über ein wirklich hochkarätiges. Das Albrecht-Dürer-Haus besitzt gar keine Originale. Trotzdem zeigen beide Institutionen in diesem Sommer interessante Dürer-Ausstellungen fast ohne Dürer, unter dem fiktiven Übertitel: Dürer oder Nicht-Dürer?
„Imitator Dureri illustrissimi“ wurde Hans Hoffmann posthum bezeichnet – nach dem Besuch der Ausstellung mit rund 150 Werken könnte man aber auch vom „Imitator illustrissimus Dureri“ sprechen. Etwa zwanzig Jahre nach dem Tod des Vorbilds geboren, wurde er gegen Ende seines relativ kurzen Lebens mit 40 Jahren zum Hofmaler Kaiser Rudolfs II. in Prag bestellt, jenes Habsburgers, dessen Vorlieben für Dürer (und Bruegel) das Kunsthistorische Museum und die Albertina heute wesentliche Schätze verdanken.
Diese Bestellung nach Prag hängt unmittelbar mit der Dürer-Nähe Hoffmanns zusammen, denn.um diese Zeit erlebte die Dürer-Rezeption einen Höhepunkt. Der vielfach verwendete Begriff der „Dürer-Renaissance“ wird in der Ausstellung dezidiert abgelehnt. Dürer musste nicht wiederentdeckt werden; er war das ganze 16. Jahrhundert höchstgeschätztes Vorbild der folgenden Malergenerationen. Aber um 1600 setzte der Wettlauf um die letzten großen Dürergemälde, aber auch die so bewunderten Zeichnungen und Aquarelle ein, bei dem vor allem die Höfe in Prag und München konkurrierten. Kleinere Sammler begnügten sich mit Kopien.
Davon wiederum profitierte der gebürtige Nürnberger Hans Hoffmann. Er hatte einen privilegierten Zugang zum reichhaltigen Kunstkabinett des Willibald Imhoff, der ein Enkel des Humanisten und Dürer-Freundes Willibald Pirckheimer war. Dort kopierte er Zeichnungen Dürers (die später Kaiser Rudolf über die Vermittlung Hans Hoffmanns kaufte). Dabei pauste er direkt von den Blättern ab und signierte die Resultate entweder mit den eigenen Initialen oder auch als bewusste Fälschung mit dem berühmten AD.
Die Grenze zwischen Kopie und Fälschung ist schmal und eigentlich nur von der Signatur abhängig – wenn sie falsch war oder fehlte, stellte sie eine Herausforderung an die Kunsthistoriker dar. Eine Albertina-Ausstellung der Vor-Schröder-Ära mit dem Titel „Albrecht Dürer und die Tier- und Pflanzenstudien der Renaissance“ (1985) erlangte Berühmtheit, weil sie so manch liebgewordenes Dürer-Aquarell fortan Hans Hoffmann zuwies.
Leihgaben für die Nürnberger Ausstellung stellte in großem Stil das Budapester Museum der Bildenden Künste zur Verfügung (gesammelt wurden sie dort ursprünglich sicher noch als echte Dürer). Aber auch das Germanische Nationalmuseum besitzt viele Dürer-Hoffmanns, darunter die eindrucksvolle und exakte Gemäldekopie des Hieronymus Holzschuher, signiert mit Hh. Und man besitzt außerdem echten Dürer, wie etwa zwei wunderbare Vorzeichnungen zu dem Gemälde „Der zwölfjährige Jesus im Tempel“.
Vergleicht man in der Ausstellung die echten Dürer mit jenen von Hoffmann, stellt man fest, dass er die Strichführung bis ins kleinste Detail kopierte. So wurde er zum Multiplikator und produzierte Dürer-Werke, um die Nachfrage der Kaufinteressenten seiner Zeit zu befriedigen.
Hoffman war mit seinem großen Vorbild so verbunden, dass er nicht nur Vorhandenes vervielfältigte, sondern als Transformator durch Kombination Neues schuf. Das konnte entweder zu einem neuen „Dürer“ führen, wie bei den berühmten „Betenden Händen“ in Kombination mit einer Eigenkreation verkrampfter Finger, oder nur zu einer amüsanten Anspielung, wenn er den nicht minder berühmten Hasen in ein Blumenfeld setzte und mit Hh signierte.
Andererseits malte er mit Wasserfarben einen Hasen in Aufsicht, mit dem Monogramm AD und der Jahreszahl 1528 (Dürers Todesjahr) – deutlicher Hinweis auf die Fälschungsabsicht. Eine Paraphrase auf das erwähnte Gemälde „Der zwölfjährige Jesus im Tempel“ wiederum kombiniert Elemente aus verschiedenen Werken Dürers. Daneben schuf Hoffmann selbständig auch Porträts von Zeitgenossen – die aber deutlich gegenüber seinen „Dürers“ abfallen.
Schließlich setzt sich die Schau auch zum Ziel, die Entdeckung der Naturnachahmung in der Malerei wie auch in der Kleinplastik ab 1500 zu dokumentieren. Auch hier ist Dürer mit seinen Tier-und Pflanzenstudien der Ahnherr einer Entwicklung, die in den fürstlichen Kunst- und Wunderkammern des 16. und 17. Jahrhunderts Triumphe feierte.
Einen völligen anderen Zugang zum „echten“ Dürer unternimmt die Ausstellung mit dem witzigen Titel „AlbrECHT DÜRER“ im Albrecht-Dürer-Haus, die speziell Wiener Besucher interessieren dürfte. Geht es hier doch um die überraschende Beziehung Dürers zu Wien, ein Thema, das die Kunstgeschichte erst seit 2018 beschäftigt. Bei Restaurierungsarbeiten am Bischofstor des Stephansdomes (nördliches Seitenschiff) entdeckte man an der Wand Unterzeichnungen zweier Heiliger, Katharina und Margareta. Die herausragende Qualität rief sofort die Assoziation zu Dürer wach und schaffte auf diese Weise auch, das Interesse der Medien zu erwecken.
Wie immer bei kunsthistorischen Neuentdeckungen wird nicht mit großen Namen gegeizt: Da hat man in Florenz hinter einer Mauer Leonardos verschwundenes Fresko der „Schlacht von Anghiari“ entdeckt und ähnliches mehr. Meist legt sich die Aufregung nach einiger Zeit, bis wieder die nächste großartige Zuschreibung durch die Zeitungen geistert („Salvator Mundi“, ebenfalls von Leonardo da Vinci).
Erfreulich ist es daher, wenn sich eine Ausstellung seriös und ohne den Anspruch auf Sensationen mit einer Begleitpublikation der Frage annimmt. An Originalen mangelt es natürlich auch hier. Doch wurde immerhin das plastische Grabdenkmal, das sich mit den gemalten Heiligenfiguren in der Vorhalle des Bischofstores zu einem Ensemble verbindet, im Dürer-Haus aufgebaut, ergänzt durch Dokumente und Holzschnitte, die als Vergleichsbeispiel dienen. Projektionen geben einen Eindruck, wie das Ganze ursprünglich ausgesehen haben mag. Ein historistisches Gemälde, das Kaiser Maximilian I. zeigt, wie er Dürer, der ein Fresko in einer Kirche malt, die Leiter hält, beweist, dass man nur zu gerne diese Zuschreibung an den großen Nürnberger für zutreffend hielte.
Stilvergleiche schließen das zwar nicht aus, ein anderes Faktum spricht aber deutlich dagegen: Über keinen Maler dieser Zeit – außerhalb Italiens – sind wir durch Selbst- und Fremdzeugnisse biographisch so detailliert unterrichtet, und kein einziger Hinweis deutet auf eine Anwesenheit Dürers in Wien (wo sich auch Maximilian nur sehr selten aufhielt).
Wenn der Katalog nach der Stilanalyse knapp anmerkt „Offen bleibt die Frage, weshalb Dürer nach Wien kam“, dann spricht das für sich. Trotz allem: Eine gut aufbereitete und spannende Dokumentation zu einer Fragestellung der Kunstgeschichte, die – und da sind wir beim kommunikationstheoretischen Aspekt – deutlich weniger interessieren würde, wenn es sich etwa um eine Zuschreibung an Leonhard Schäufelein (einen Mitarbeiter der Dürer-Werkstatt) handelte.
Alexander Marinovic