Peter Gruber (Fotos: Renate Wagner)
NÖ Theaterfest / Nestroy-Spiele Schwechat
Rothmühle / Rannersdorf, Schlosshof:
THEATERG’SCHICHTEN von Johann Nestroy
Premiere: 27. Juni 2015
Fulminant war’s, eine Riesenhetz war’s, und Wetterglück gab es auch noch: Obwohl es auf der Bühne (wie es vorgesehen ist) das Stück auch einmal verregnete – im wahren Leben hatten die 43. Nestroy-Spiele in Schwechat heuer an einem „unsicher“ aussehenden Abend Wetterglück: Gerade fünf Minuten vor Schluß begann es zu regnen, und da ließ sich niemand abhalten, noch bis zum guten Ende dabei zu bleiben und den verdienten reichen Beifall zu spenden.
Nestroys „Theaterg’schichten“, wie sie hier in verkürzter Form heißen (die Langfassung wäre: „Theaterg’schichten durch Liebe, Intrige, Geld und Dummheit“, womit zentrale Nestroy-Themen zusammen gefasst sind), zählen heute nicht zu denn erfolgreichsten Werken des Autors. Schade eigentlich, denn die Selbstbespiegelung des Theaters ist bei aller schwankhafter Wirkung – dem berühmten „Raub der Sabinerinnen“ kaum nachstehend – doch mit einiger Genauigkeit ambivalent ausgeleuchtet.
Bei aller satirischen Überzeichnung haben die Charaktere absolut ihren harten realen Kern – der Theaterdirektor, der nicht zu Unrecht „Schofel“ heißt (Nestroy erlebte in Karl Carl einen solchen Typ am eigenen Leib), die Diva, die zwischen Rollen und Verehrern (beide gleich wichtig für ihre Existenz) schwankt und jene Exzentrik bietet, die zu ihrem „Rollenprofil“ gehört, der ehrgeizige Bühnenmeister, der alles besser zu machen glaubt, die Nebenrollendarstellerinnen, die neidvoll in ihrer eigenen Galle köcheln, der männliche „Star“, dem kein Trick zu mies ist, um aus einem Engagement auszusteigen zu können, um ein lukrativeres anzunehmen, die Souffleuse, die dem jeweils gerade Mächtigen so schamlos in den Allerwertesten kriecht… Theaterleute werden da die besten, kenntnisreichsten Zuseher sein, und den Rest des Publikums „unterhalt’s“.
Zentrales Anliegen dieses Stücks, das Nestroy dramaturgisch wacklig nach einer Vorlage von Dumas dem Älteren zusammen geschustert hat, ist die „Theaterverrücktheit“ junger Leute, die es ja gleichfalls heute noch geben soll, wenn man auch nicht mehr mit voller Brust und Pathos die hehren Klassiker deklamieren kann, was einst das Ziel der Wünsche war. Nestroy stellt da zwei junge Männer gegen einander – Konrad ist, zutiefst enttäuscht von der Hohlheit der Theaterwelt, wieder mehr oder minder in die Bürgerlichkeit der väterlichen Welt heimgekehrt, während Damisch, der Bräutigam seiner Schwester, sich nichts Herrlicheres vorstellen kann, als in eben diese Theaterwelt zu echappieren – zumal, wenn man sich gleich in die Diva verliebt und durch die glücklichen Umstände eines abgereisten Stars selbst auf die Bühne gestoßen wird… die klassischen Werke hat Damisch natürlich „drauf“!
Eine Freilichtaufführung von Grillparzers „Sappho“, die über kurz oder lang im Regen ertrinkt, ist ein komischer Höhepunkt des Stücks, das dann nach kurzem Umweg im Irrenhaus landet – nicht ganz logisch, aber mit doch sehr brillanten Möglichkeiten.
War die Inszenierung von Peter Gruber schon bis dahin eine Komödie, bei der auch die schwankhaften Elemente immer noch fest im Griff gehalten wurden, machte er dann das Irrenhaus (Theater als Irrenhaus – welch stimmiges Gleichnis) wahrlich zu seinem solchen: Was hier zu einem Monster-Quodlibet von Gruber gedichtet und von Herbert Ortmayr vor allem zu Bernstein (Westside-Story) und Co. in Musik gesetzt wurde, ist ein selten erreichter Höhepunkt an Brillanz und adäquater Umsetzung. Freilich sind die „Schwechater“, die hier seit Jahr und Tag unter Grubers Peitsche sommerlich Theater spielen, keine „Laien“ mehr – aber hier so exakt professionell agieren, dass sie sich vor keinen Musical-Profis verstecken müssten, das überrascht doch und kann nicht genug bewundert und akklamiert werden.
Valentin Frantsits
Dass Peter Gruber als Irrenarzt „Prof. Ringerl“ selbst auf die Bühne geht und inmitten seiner entfesselten Schar ausflippt (am Ende sogar in erotischem schwarzem Leder-Outfit unter dem Ärztemantel) – das krönt einen Abend, der wieder einmal besonders gut besetzt ist und besonders scharf und klar gespielt wird. An der Spitze erneut von Valentin Frantsits, der nun schon das dritte Jahr die jugendlichen Nestroy-Rollen spielt und an Sprachbeherrschung, Körpersprache und punktgenauer Pointierung besser nicht sein könnte, ein Wirbelwind, dem Dummheit und Naivität nur so aus den Augen blitzen. Neben seinem theaterwütenden Damisch gibt Eric Lingens als der lebenserfahrene, aber gleicherweise temperamentvolle Konrad dem zweiten jungen Mann Gewicht – wenn er sich in Damians Angebetete verwandelt, könnte er jeder Drag-Queen Paroli bieten.
Bruno Reichert ist der schofle Schofel, der niemandem etwas vormachen kann, so gern er es möchte. Auf der bürgerlichen Seite ist Franz Steiner als der solide Onkel Apotheker das durchaus nicht leichte Gegengewicht.
In der Theaterwelt gibt Anna Mitterberger der Diva Rosaura mit ungarischem Akzent das Flair der eingebildeten Diva, die in Maximilian Gruber-Fischnaller einen Lord mit englischem Zungenschlag und dem schönen Namen „Inslbull“ zum Verehrer hat (und dass er „ihr Tampon“ sein will, ist nur eine der zahllosen aktuellen Anspielungen, die Peter Gruber hemmungslos und Nestroy-gerecht ins Geschehen einfließen lässt). Der Schauspieler Spronhofer, der hier nicht umsonst die Vornamen „Klaus Maria“ erhalten hat, spielt Ottwald John: Die köstliche Parodie eines „Piefke“ im schönen Österreich, der dennoch zu den Fleischtöpfen Berlins zurück will…
Ottwald John
Wild geht es zu in der Familie des Bühnenmeisters Maxner (Andreas Herbsthofer-Grecht), den seine Maxn, sprich, das Geld, später zum Direktor machen – und Gattin (Bella Rössler) und die schrillen Töchterchen (Teresa Renner und Julia Kampichler) tragen entschieden zum weiblichen Aufputz des Abends bei. Da hat es die „brave“ Verlobte von Damisch, die nur warten kann, dass er zurück kommt, weniger gut – diese Philippine (Carina Thesak) muss meist nur weinen. Nicht zu vergessen in der Damenwelt: die Ärztin im Irrenhaus, von Gruber frei schwadronierend Dr. Dr. Zahnd genannt (Dürrenmatt wird’s verzeihen): Da darf Maria Sedlaczek loslegen.
Fulminant war’s, eine Riesenhetz war’s, und möge das Wetterglück dem Unternehmen treu bleiben und sich viel Publikum zu diesem ebenso komischen wie brillanten Nestroy einfinden.
Renate Wagner
Bis 1. August: Dienstag, Mittwoch, Freitag, Samstag, jeweils 20,30 Uhr, Ende 23 Uhr