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NÖ / Reichenau: DIE SCHÖNEN UND VERDAMMTEN

04.07.2019 | KRITIKEN, Theater

NÖ Theatersommer / Festspiele Reichenau:
DIE SCHÖNEN UND VERDAMMTEN
Nach dem Roman von F. Scott Fitzgerald,
bearbeitet von Nicolas Hagg
Premiere: 4. Juni 2019,
besucht wurde die Generalprobe

„Viele Romane sind voll von Geschwätz und Psychologie. Die taugen natürlich für unsere Zwecke nicht so recht. Das meiste davon lässt sich auf der Leinwand nicht interessant genug gestalten.“ Und erst recht nicht auf Theaterbrettern. Und dennoch bringt man unermüdlich Romane auf die Bühne…

Das Zitat stammt aus „Die Schönen und Verdammten“ von F. Scott Fitzgerald, Diogenes Taschenbuch-Ausgabe Seite 131. Und gerade diesen Roman bieten die Festspiele Reichenau heuer – wie üblich in einer Dramatisierung von Nicolaus Hagg – in ihrem neuen Spielraum. Ein Buch, Fitzgeralds zweiter Roman, dessen Nachwort-Autor lange und breit ausführt, dass es eigentlich nicht gelungen ist, und man würde nach der Lektüre nicht widersprechen.

Ja, wenn F. Scott Fitzgerald und seine Zelda ihr Leben, das aus Suff, Sex und sinnlosem Hedonismus bestand, nicht zwischen Buchseiten gepresst hätten – wer interessierte sich noch für das verrückte Paar? Wobei man festhalten muss, dass es andere Romane (vor allem „Der große Gatsby“ und „Der letzte Tycoon“) sind, die Fitzgeralds Nachruhm bestimmen. „Die Schönen und die Verdammten“ täten sich schwer, sich in der Weltliteratur zu behaupten.

Immerhin muss man, der oft langatmigen und oft einförmigen Lektüre eingedenk, Nicolaus Hagg zugestehen, dass er die Geschichte einigermaßen zu einer zwar dünnen, aber greifbaren Handlung verdichtet hat. Anthony Patch, der gar nichts tut, nur reich ist, wartet auf das Erbe des Großvaters – eines amerikanischen Millionärs, der an harte Arbeit und keinerlei Firlefanz glaubt. Anthony verliebt sich in Gloria, die nur schön und leichtlebig ist, und dann besteht das Leben der beiden darin, sich zu amüsieren (was man eben so darunter versteht). Ebenso wenig wie dem Autor ist es Hagg gelungen, ein wirklich überzeugendes Psychogramm der beiden zu zeichnen. Und auch der Freundeskreis gewinnt kein richtiges Profil.

Regisseur Michael Gampe musste sich – in einer minimalistischen Bühnenausstattung von Peter Loidolt, der wenig mehr andeutet als das New Yorker Chrysler Building und der viel Schnaps in den fast leeren Bühnenraum stellt – damit begnügen, diese Atmosphäre der Reichen und Schönen und Leeren möglichst so hektisch zu entfesseln, dass man am besten nicht zum Nachdenken kommt, und das gelingt ihm. Der Schwerpunkt liegt dabei gar nicht auf dem zentralen Paar, sondern auf dem „bösen“ Großvater (eine Persönlichkeit mit harter Suada: Rainer Friedrichsen), der von einem hintergründigen Butler (Gerhard Roiss) umsorgt und abgeschottet wird. Wenn der Enkel auftaucht, bekommt er böse Worte und Belehrungen. Für jene, die den Roman nicht kennen, will man die Pointe nicht verraten – dass es nicht wirklich gut ausgehen kann, ist klar.

Auch das zentrale Paar ist eindrucksvoll besetzt: Daniel Jesch macht als Lebemann elegante Figur, und wenn man in Reichenau sinnliche Frauen zu besetzen hat, wird Wanda Worch geholt. Blond, vordergründig sexy und hemmungslos, wie sie im Buch steht, fegt sie über die Bühne – wobei ihr im Fegen Johanna Arrouas in der aufgewerteten Rolle ihrer Freundin Muriel um nichts nachsteht. Eine zickige Mutter am Rande rückt Cornelia Lippert vielfach in den Mittelpunkt, Kimberly Rydell bleibt als freundliche Freundin des unsteten Helden hingegen am Rande. Erika Navas hat die Damen sehr chic und abwechslungsreich gekleidet.

Claudius von Stolzmann, Tobias Voigt und Christoph Zadra sind durchaus starke Persönlichkeiten, aber wenn man aufgrund der Vorstellung interpretieren sollte, wer sie sind und was sie eigentlich sollen, wüsste man es nicht so recht. Das gilt allerdings auch für die Hauptfiguren, und das liegt an Fitzgeralds herumeiernder Vorlage. Aber vielleicht merkt das Publikum angesichts des gekonnten Wirbels der Vorstellung nicht, dass es eigentlich um nichts geht.

Renate Wagner

 

 

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