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NÖ / Festspiele Reichenau: LUMPAZIVAGABUNDUS

Mit Karacho durch Nestroy

04.07.2024 | KRITIKEN, Theater

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Fotos Lalo Jodlbauer  

NÖ  / Festspiele Reichenau: 
DER BÖSE GEIST LUMPAZIVAGABUNDUS ODER DAS LIEDERLICHE KLEEBLATT von Johann Nestroy
Premiere: 4. Juli 2024 
besucht wurde die Generalprobe am 3. Juli 2024

Mit Karacho durch Nestroy

Robert Meyer ist nach Reichenau, dem Ort seiner Triumphe in den neunziger Jahren, zurück gekehrt, und das rechtfertigt jedes Nestroy-Stück, das man nun für ihn und mit ihm spielen kann (und es warten noch manche Altersrollen, vom Pitzl bis zum alten Pfrim, vom Schnoferl bis zum Kampl). Nun ist es einmal ein König des Nestroy’schen Repertoires, der Knierim im „Lumpazivagabundus“, den Meyer sich auch als Regisseur vornahm – und in vieler Hinsicht verwunderte.

 Vor allem hatte man natürlich den Psychogrammen der drei „Liederlichen“, die ja arme Kerle auf der unteren Stufe des Sozialgefüges sind, viel mehr Aufmerksamkeit schenken können  – drei Männer, die auf die Probe gestellt werden, ob der schnöde Mammon sie auf die Straße der Bürgerlichkeit bringen kann. Zwei bestehen die Prüfung nicht. Man könnte sie deutlicher befragen – nach dem tiefen Nihilismus des Knieriem, der vielleicht seine Verfallenheit an den Suff erklären könnte; nach der Getriebenheit, die hinter der Vergnügungs- und Geltungssucht des Zwirn steckt; und nach der Verzweiflung des an sich so kreuzbraven Leim über ein Schicksal, in dem er nur Ungerechtigkeit sieht (bis ihm als einzigem ein „bürgerliches“ Happyend geschenkt wird, von dem Nestroy selbst nicht so viel gehalten hat…)

Aber um die Figuren geht es Meyer in dem stark gekürzten Abend (manches geliebte, wenn auch dumme „Schmankler“ fehlt) weit weniger als um die rasante Komik des Geschehens, das laut und oft auf einen Ton gestimmt am Publikum vorbei braust. Auch die Ausstattung von Christof Cremer (die Kostüme haben manches von einem Fetzenkarneval an sich) unterstreicht die grelle Buntheit, die hier Konzept ist.

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Robert Meyer selbst als Knieriem, der mit einer „Klampfn“ auftritt (für einen vazierenden Musikanten hätte man den alten Schuster kaum gehalten), spielt sich nicht eine Minute in den Vordergrund. Erst mit dem „Kometenlied“ wird er kurzfristig zum Star (wobei die Benko-Zusatzstrophe nicht wirklich zündet).

Ganz gegen die Tradition der Figur ist der bullige Thomas Frank als lauter, kraftvoller Leim besetzt, dem wie dem Zwirn des Florian Carove jegliche Leichtigkeit fehlt. Gewichtig die drei Herren, wenn auch nicht von der Nestroy’schen Geschmeidigkeit in Sprache und Stil, die man gewohnt ist.

Ein glücklicher Griff ist die Ausziselierung der Lumpazi-Figur durch Sebastian Wendelin, halb Jedermanns Tod, halb Faustens Mephisto, frech, zynisch, bühnenbeherrschend, wann immer er auftritt.

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Bei den Damen darf Brigitte Kren ihren Fernseh-Krimi-Ruhm hinter sich lassen und in vielfältiger Gestalt (von der „Göttin“ Fortuna über die Madame Palpiti bis zur hantigen Haushälterin) Variationen der Komik zeigen, desgleichen Elisabeth Schwarz und Veronika Glatzner, alle in mehreren Rollen. Nachdrücklich ergänzt Franz Xaver Zach u.a. als Hobelmann, weiters sind  C.C. Weinberger, Julius Dörner. Johannes Deckenbach dabei, alle in wilder Jagd per Karacho durch Nestroy pflügend, wozu der kräftige Musikeinsatz der drei Live-Musiker auf der Bühne, angeführt von Helmut Thomas Stippich,  heftig beiträgt.

Dass am Ende ein paar Rudimente der von Nestroy geschriebenen zynischen Fortsetzung angesprochen werden, bringt nicht so viel, der grob-ironische Umgang mit den Szenen aus der Geisterwelt zu Beginn schon mehr, weil er den Ton des Abends anschlägt. Es ist eine Aufführung, die eher auf einen konsequenten Stil setzt als auf Psychologie der Figuren. Bunt, wild und mit zweieinviertel Stunden Spieldauer bemerkenswert kurz. Das Publikum zeigte sich vom starken Unterhaltungswert sehr angetan.

Renate Wagner

 

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