NIZZA: TRISTAN UND ISOLDE – Neuinszenierung – am 6.4.2012
Wagner-Regie-Altmeister HANS-PETER LEHMANN, von 1960-66 Regieassistent von Wieland Wagner und bis 1973 von Wolfgang Wagner in Bayreuth, inszenierte einen neuen „Tristan“ and der Opéra de Nice. Es ist seine 9. Inszenierung dieses Werkes von Richard Wagner. Getreu seiner Maxime, die Musikdramen des Bayreuther Meisters aus dem Werk und seiner Aussage heraus zu interpretieren, fand Lehmann mit einer fantasievollen Licht- und Projektionskonzeption eindrucksvolle und die „Handlung in drei Aufzügen“ sinnhaft unterstützende Bilder bei einer guten und auf die persönlichen Schicksale konzentrierten Personenregie. Die einfachen Bühnenbilder von OLAF ZOMBECK beschränkten sich auf die Unterstützung der dominanten Licht-Ästhetik. Seine Kostüme sind bei den Damen von gediegener Eleganz, bei den Herren eher konventionell und bei Tristan gar unvorteilhaft.
Schlussapplaus: Jukka Rasilainen, Michelle De Young, Matti Salminen, Catherine Foster, Jon Frederic West. Foto: Klaus Billand
Die englische Hochdramatische CATHERINE FOSTER hat mit der Isolde offenbar eine weitere Paraderolle in ihrem ohnehin schon eindrucksvollen Wagner-Repertoire hinzugewonnen. Sie sang sie in Nizza erst in der dritten Produktion nach Frankfurt und Weimar 2011 und gestaltete die Iren-Königin mit betörender Klangschönheit in allen Lagen, natürlichem Spiel und einer schier unbegrenzten Kondition. Diese Sängerin wird bei Wagner immer mehr zu einem Erlebnis. JON FREDERIC WEST konnte zwar zeitweise mit eindrucksvollen heldentenoralen Qualitäten überzeugen und gab sicher auch sein Letztes. Aber der stimmliche Vortrag blieb zu unausgewogen, bisweilen neigte er zu übertriebener Deklamation, und sein Spiel wirkt oft zu stereotyp und aufgesetzt. MICHELLE DE YOUNG schien es mit ihrem dramatischen Aplomb Catherine Foster nachmachen zu wollen, was nicht immer zu einer klaren vokalen Absetzung beider Rollen voneinander beitrug. Sie konnte durch ihr engagierte Rolleninterpretation und farbige, eher helle Mezzo-Mittellage überzeugen, ließ aber in den Höhen einige Schärfen hören. MATTI SALMINEN war einmal mehr ein souveräner und mit immer noch farbigem und voluminösem Bass singender Marke, der auch zu zarten Piani und gefühlvoller Phrasierung in seinem großen Monolog fähig ist. Dieser Ausnahmesänger bzw. seine Stimme scheint kein Alter zu kennen… Ein weiterer Finne, JUKKA RASILAINEN, gab einen wackeren und betont gesanglich agierenden Kurvenal mit seinem prägnanten Bassbariton. Aufhorchen ließen ferner CLEMENS UNTERREINER mit einer sehr guten gesanglichen Leistung als Melot und STANISLAS DE BARBEYRAC mit seinem klangschönen und gut geführten Tenor als Junger Seemann und Hirt, der bereits einen David anklingen ließ. Der auch auf der Szene auftretende CHOR DER OPÉRA DE NICE sang kräftig und transparent.
Nachdem Philippe Auguin aus der Produktion ausgestiegen war, hatte SIR RICHARD ARMSTRONG die musikalische Leitung übernommen und dirigierte das PHILHARMONISCHE ORCHESTER VON NIZZA mit ruhiger Hand und konnte das in allen Instrumentengruppen sehr präsente und transparent spielende Ensemble zu einer guten Gesamtleistung motivieren. Ein guter Wagner-Abend an der Côte d`Azur bei ebenso blauem Osterhimmel… Detaillierter Bericht folgt nach der 2. Reprise am 8. April. Noch eine weitere Vorstellung am 11. April.
Klaus Billand