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NEW YORK – WIEN / Die Met im Kino: MADAMA BUTTERFLY

Die alternative Titelheldin

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Fotos: Metopera

NEW YORK – WIEN / Die Met im Kino / Village Cinema Wien Mitte:
MADAMA BUTTERFLY von Giacomo Puccini 
11.Mai 202

Die alternative Titelheldin

Will man vom „Wunder“ der New Yorker „Butterfly“ sprechen, muss man ehrlicherweise zuerst die Inszenierung nennen. Der mittlerweile verstorbene Brite Anthony Minghella hat sie vor fast zwanzig Jahren geschaffen, und die szenische Umsetzung des Schicksals von der „armen kleinen Japanerin“, die Opfer des gedankenlosen amerikanischen Imperialismus wird (wie man es heute sieht – Puccini betrachtete es wohl bloß als tragisch im Kimono), wurde nie überzeugender umgesetzt. Der Regisseur „zitierte“ Elemente des Japonismus, ohne in platten Realismus zu verfallen (genial: das Butterfly-Kind als Bunraku-Puppe), und erzählt die Geschichte in solch symbolistischen Rahmen dichter, als jede eins zu eins-Umsetzung der Handlung es je vermöchte. Einmal abgesehen von der gloriosen Ästhetik des Abends, die davor bewahrt, Butterfly in ein anderes Milieu herabgewürdigt zu sehen.

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Man muss allerdings sagen, dass diese Produktion an der Metropolitan Opera (unvergeßlich und, ehrlich gesagt, auch unerreicht: die Übertragung vom April 2016 mit Kristine Opolais und Roberto Alagna, an welche die heutige Besetzung nicht heranreicht) viel überzeugender wirkt als im September 2020 in Wien, als Bogdan Roscic seine Ära an der Staatsoper mit der Übernahme dieses Abends begann. Und auch Asmik Grigorian, damals schon als Star der neuen Direktion herausgestellt, wirkte nicht so überwältigend. Mittlerweile hat die heute 43jährige Sängerin gerade in Wien und in Salzburg bei sorgfältiger Pflege (sprich: Superrollen) ihren Weltruf erlangt, so dass die Met sich ihr Debut zur Ehre gereichen ließ und die Spannung entsprechend groß war. Die New Yorker Kritiken lasen sich dann allerdings  eher gemischt.

Tatsache ist, dass Asmik Grigorian  eine Rolle, die ihr von der Figur her nicht auf den Leib geschrieben ist (Salome und Turandot glaubt man ihr eher), auf sich zurecht gebogen hat. Sie ist keine Sekunde die kleine, trippelnde Japanerin, vollführt auch die vorgegebenen Rituale (etwa des Verbeugens und Knieens) ohne Unterwürfigkeit. In dem Augenblick, wo man ihr den Schleier hebt, lächelt sie selbstbewusst, sieht sich den Mann an, der sie (sagen wir, wie es ist) gekauft hat und ist zufrieden. Nichts prädestiniert sie zum Opfer, das sie dennoch wird und ohne großes Pathos, auch mit wohl kalkulierter, brillant ausgefeilter Mimik erleidet. Eine ungemein intelligente Leistung, aber cool – so herzzerreißend wie manche ihrer Kolleginnen in der Rolle ist sie nicht. Aber ein Schicksal, ohne Frage, alternativ dargeboten.

Dass sie längst die Hochdramatik in der Stimme hat, stört bei der Butterfly nicht wirklich, bedenkt man die unaufhörlichen Höhenattacken, die sie etwa im zweiten Akt zu liefern hat. Dabei kann Asmik Grigorian ihre Stimme durchaus zu schönen Piani bändigen (wenn ihr auch echte Zartheit und Wärme eher fremd sind), singt mit so viel Verstand, wie sie spielt, und ist zweifellos eine erstrangige Besetzung der Rolle.

Jonathan Tetelman wird in die erste Liga der Tenöre forciert, wo er noch nicht angekommen ist, aber das Latin-Lover-Aussehen schadet nichts, und die hohen Töne sind, wenn auch oft gestemmt, da. Ein wirkliches Qualitätstimbre hat er nicht zu bieten, aber auch das kann sich entwickeln. Es war sympathisch, wie er versuchte, den Pinkerton nicht als gewissenlosen Lebemann zu spielen, sondern als jungen Mann, der sich naiv auf ein schönes japanisches Abenteuer freut – und der am Ende echt erschüttert wirkt angesichts dessen, was er angerichtet hat.

Elizabeth DeShong ist eine nachdrückliche Suzuki, die am Ende auch viele dunkle Töne hören lässt, die man im Kitschblütenduett als Komplementärfarbe zu dem Sopran eher vermißt hat. Von der Darstellung her die eindrucksvollste Leistung des Abends bietet Lucas Meachem als Konsul, ein Mann, dem schon die ganze Zeremonie des ersten Akts peinlich ist und der beim Abgehen zeigt, dass seines Erachtens nichts Gutes daraus werden kann. Die Mischung aus Mitgefühl und Haltung, mit der er im zweiten Akt verfährt, wenn er die Träume Butterflys zerschlagen muss, war beeindruckend.

Die chinesisch-stämmige Dirigentin Xian Zhang, die im Pausen-Interview nicht eben überzeugte (ebenso wenig wie die anderen – aber es ist halt nicht jedermanns Sache, sich im palavernden Kurz-Gespräch sprühend-gescheit zu geben), schaffte jedenfalls eines: dass Puccinis Musik so schmerzlich in die Seele der Zuhörer drang wie die Geschichte, die sie erzählt. Und damit liegt eine Aufführung der „Madama Butterfly“ mit einer gewissermaßen „alternativen“ Titelheldin dann auch wieder richtig.

Renate Wagner

 

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