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NEW YORK – WIEN / Die Met im Kino: LOHENGRIN

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NEW YORK – WIEN, Cineplexx  / Die Met im Kino: 
LOHENGRIN von Richard Wagner 
18.
März 2023

Wiens Opernfreunde werden des „Lohengrin“ schon lange nicht mehr froh – spätestens seit 2007, als man Barrie Koskys Albernheiten aufgedrückt bekam, die Grund genug waren, nicht in den Abend zu gehen, wenn man es vermeiden konnte. Aber 2014 mit Homokis Bierzelt-Story wurde es nicht besser – und wenn man zwischendurch an den „Ratten-Lohengrin“ von Neuenfels in Bayreuth denkt, dann hat dieses Werk seit der Wiener Uralt-Inszenierung von Wieland Wagner in ihrer noblen Stilisierung (Premiere Böhm / Thomas, Watson, Ludwig, Berry…) keine Freude mehr bereitet. Entsprechend selten war man drinnen, denn Inszenierungen können einem Opernfreund den Nerv ziehen und zur Verweigerung führen.

Dagegen konnte die Metropolitan Opera in New Yprk einen Wagner-Freund durchaus glücklich machen. Endlich einmal sah man das Werk nicht, wie es „Kollegen“ von ihm dauernd passiert, in ein Büro, ein Gefängnis oder auch ein Filmatelier oder Museum versetzt, sondern in eine archaische Fantasy-Welt, wo sich genau das abspielen konnte, was Wagner erzählt.

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Fotos: Metopera

Geschaffen hat diese in erster Linie der Hongkong-Ausstatter (er kreiert auch Film-Designs) Tim Yip. Zwei Ebenen – die Welt der Menschen unten, aber sie wirkt wie ein Krater, denn darüber öffnet sich ein riesiges Rundeau, das wie in eine andere, höhere Welt führt – wenn Lohengrin hier am Rand auftaucht, ist das ein enormer Auftritt. Und dass er es im zeitlosen Outfit eines weißen Hemdes und einer schwarzen Hose tut, während die anderen doch annähernd mittelalterlich gekleidet sind, kennzeichnet ihn gänzlich als den Außenseiter. Beczala meinte im Pausengespräch, er käme ohnedies wie ein Außerirdischer an (aber „Raumschiff Schwan“ wird nicht geboten) – jedenfalls ein Geschöpf aus einer anderen Welt. Und das ist Lohengrin ja auch.

Dieses Bühnenbild stellt die Met vor größte Herausforderungen, zumal im dritten Akt, wenn Ortrud erst das Brautbett verhext, das interessanterweise nicht mehr da ist, wenn Lohengrin und Elsa kommen, und dann muss sich das Bild vor den Augen der Zuschauer wieder in das Anfangsbühnenbild mit seinem Krater verwandeln.

Der französische Regisseur François Girard nützt diese Kunstwelt, die „im Auge des Kraters“ jegliche Projektionen erlaubt (vom Schwan nur angedeutet weiße Schwingen), für eine Inszenierung, die vor allem in der Führung des Chors und in den glänzenden Beleuchtungseffekten (David Fin) streng stilisiert ist. Tim Yip, der auch die Kostüme schuf, hat den Chor in eine Art von Mäntel gekleidet, die im Schwung kollektiv von Weiß auf Schwarz umzudrehen sind – oder sie färben sich hier Weiß, hier Rot, wenn die Welten von Lohengrin und Telramund einander gegenüber stehen. Viel tolle Optik, die auch keinerlei Logik gehorchen muss, weil sie eben „Fantasy“ ist und solcherart viel schöner als jedes Büro…

Personenführung ist angestrebt, gelingt nicht bei jedem gleich überzeugend, aber an diesem Abend sind die Sänger als Sänger gefragt, und da erlebt man sechs Power-Stimmen, die nicht alle Tage zusammen kommen. Dem hat sich auch Dirigent Yannick Nézet-Séguin angepasst, mit einer weniger auf den berühmten „Silberklang“, sondern vordringlich auf Dramatik abzielenden Interpretation, die sich voll entfaltet. Da jagt Wagner das Publikum in höhere Stadien der Begeisterung als viele Belcanto-Stars…

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Piotr Beczała gab stimmlich einen Lohengrin ohne Fehl und Tadel, wunderbar gesungen, herrlich nuanciert in den Schattierungen, sicher in den Höhen, man kann es nicht besser machen, zumal dieser männliche, schön timbrierte Tenor für Wagner so ideal ist wie er es für die Italiener nicht ist. Dass er ein wenig unbeteiligt wirkt – na ja, der Mann kommt aus einer anderen Welt. Das passt schon.

Mehr Temperament hat rollenbedingt Evgeny Nikitin aufzuweisen, ein wütender Telramund, dessen schneidende Stimme ideal zu dem Finsterling passt, den er hier spielt. Hier lässt man sich nicht auf psychologische Differenzierungen (oder gar Erklärungen) ein, er und Ortrud sind ohne Abstriche die Bösewichte der Geschichte, und so ist es ja auch gemeint.

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Günther Groissböck, dem man eine Glatze (hoffentlich mit dem Echthaar darunter) verpasst hat, ist ein idealer König Heinrich, autoritär, souverän, würdig, aber doch spürbar an den Schicksalen, die sich vor ihm abspielen, beteiligt. Er lässt seinen reich fließenden Baß hören, der nur in den allertiefsten Tönen kurze Schwächen zeigt, sonst aber ganz in der Tradition der mächtig donnernden Wagner-Bässe steht.

Und weit stärker, als man den Heerrufer sonst im Repertoire erlebt, lässt Brian Mulligan seine Stimme erklingen und bringt sogar etwas wie Anteilnahme mit dem Geschehen zum Ausdruck.

Was die Damen betrifft, so darf man neuerdings vieles nicht mehr sagen. Wie sagt man es trotzdem? Dass sie ein wenig an die Sängerinnen zu Richard Wagners Lebzeiten erinnern, aber die Oper ist schließlich nicht der Ort der Model-Figuren, sondern der Stimmen. Und die bekommt man bestrickend. Unglaublich, welch wunderbare schlanke, klare Elsa-Töne  Tamara Wilson hören lässt, großartig geführt, technisch auf der Höhe.

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Christine Goerke gelingt als Ortrud mit abgedunkeltem hochdramatischem Sopran noch eine Spur mehr, nämlich die wahre „Hexe“ (wie im chinesischen Märchen) zu spielen, als die Telramunds böse Gattin hier umweglos angelegt ist. Wenn sie die Flügel ihres rostroten Gewandes ausbreitet, dann ist das bestes Kino.

Was hat man nun gesehen? Sicherlich keine große Interpretation (es gab New Yorker Kritiken, die den Abend einfach als altmodisch abtaten). Aber Oper als lebendiges, einfallsreiches Theater. Und natürlich die Geschichte, die schließlich so halb nicht von dieser Welt ist – und das machte die Optik des Abends klar. Fünf Stunden via Cineplexx in der Met – und man war jede Minute gespannt dabei.

Renate Wagner

 

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