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NEW YORK – WIEN / Die Met im Kino: LA SONNAMBULA

Klug, korrekt, sensibel

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Fotos: MetOpera 

Klug, korrekt, sensibel

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Die Metropolitan Opera in New York begann ihre „Met im Kino“-Saison, mit der sie weltweit Millionen Opernfreunde erreicht, mit einer sicheren Bank – wenn die Voraussetzungen stimmen. „La Sonnambula“ von Vincenzo Bellini setzt man nur an, wenn man eine überragende Besetzung für die Titelrolle hat, und die war vorhanden. Und man muss vorsichtig mit der Regie sein – und hat gut gegriffen.

Nach Rolando Villazon nämlich, der schon eine erstaunliche Erscheinung in unserer Musikwelt ist. Ein einst weltberühmter Tenor (und Medien-Star), der plötzlich seine Kernkompetenz, den Belcanto-Gesang, verloren hat. Der nicht aufgibt und alles Mögliche im Musik-Business macht. Als ambitionierter Leiter der Salzburger Mozart-Woche ist er erfolgreich, er singt, wo Technik mehr vermag als Stimme, etwa den Papageno. Sehr interessant war übrigens sein Ausflug zum Loge in einem Berliner „Rheingold“.

Wie schnelllebig unsere Opernwelt ist (diese Erkenntnis ist allerdings nicht neu), merkt man daran, dass Villazon längst in Wien ist und den Pelleas singt, während die Welt erst jetzt in den Genuss seiner „Sonnambula“-Inszenierung an der Metropolitan Opera kommt – denn von Zeit zu Zeit inszeniert er auch, und er tut es, wie diese Produktion zeigt, klug, korrekt dem Werk gegenüber, sensibel im Umgang mit den Figuren (und Sängern).

Bellinis „Sonnambula“ ist inhaltlich kein einfaches Stück – der Wahnsinn der „Lucia di Lammermoor“ realisiert sich leichter. Amina ist ja nicht wirklich verrückt, aber als Nachtwandlerin doch partiell der Normalität verloren gegangen, und darum geht es auch. Und darum darf bei Villazon schon bei ihrer ersten Arie ein Alter Ego hoch über dem Schnee  im Hintergrund wandeln…

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Villazon erklärt im Pausengespräch, dass es ihm auch um die „Kälte“ ging, die in dieser Welt des Schweizer Bergdorfs (die er nicht zwecks anderer Interpretationen verlässt) eine Rolle spielt. Er setzt auf ein stilisiertes Einheits Bühnenbild von Johannes Leiacker, die schneebedeckten Schweizer Berge ruhen auf der Dorfgesellschaft. Diese ist brav bürgerlich, wobei Villlazon keine Experimente mit dem Chor macht. Sie stehen herum, wie es vorgesehen ist, sind mal nett, mal böse, wie die Geschichte es verlangt. Wenn sie sich von der nunmehrigen Außenseiterin abwenden, macht Villazon allerdings kein Zeigefinger-Polit-Ereignis daraus.

Denn es geht Villazon durchaus um die Ausgrenzung, die Amina erfährt, als die Dorfgemeinschaft  meint, sie bei einem unverzeihlichen Fehltritt ertappt zu haben – schnell wird ein diffamierendes Kreuz auf ihre Türe gemalt, und später schwebt ein Spitalsbett wie drohend über der Szene. Aber das ist schon alles, was die Regie dem Publikum aufs Auge drückt, der Rest ist die Geschichte, wobei starkes Augenmerk auf die psychologische Führung der Personen gelegt wird. Erzählt wird scheinbar eine reale (bzw. irreale) Geschichte, ergreifend, mitfühlend, wie sie im Buch steht , und fängt damit den Zuschauer voll ein.

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Es ist der Abend der Nadine Serra, der Meisterin der Stimmbeherrschung. Man begegnet ihr in Tracht mit Brautkranz zu Beginn als dem glücklichen jungen Landmädchen, das den Mann bekommen soll, den sie liebt. Zwar schlägt ihr prachtvoller und so potenter Sopran gleich zu Beginn dramatische Töne an, aber sie kann alles, Lyrik, Liebe, Zartheit und auch das Koloraturenfeuerwerk, das bei Bellini (wie bei Rossini und Donizetti) dazu gehört. Und dann „nachtwandelt“ Nadine Serra im Nachthemd, aber so, dass sie nie lächerlich wird, umarmt im Wahn den Falschen, ohne es zu wissen, und ist glaubhaft in ihrer Verzweiflung, in ihrem Protest  – wie auch im Glück des späten Happyends, an das man kaum geglaubt hätte. Das ist eine Leistung, die sich in das Goldene Buch der „Met“ einschreiben wird, und mit Nadine Serra und Lisette Oropesa hat New York ihre zwei überzeugendsten jungen Stars in die Opernwelt geschickt.

Dass Nachwuchs im Belcanto-Fach dringend nötig ist, weiß man, Der spanische Tenor Xabier Anduaga (im Februar in Wien in „La traviata“ angesetzt) beweist, dass er nicht umsonst als „Entdeckung“ gepriesen wird, wobei er ohnedies schon weltweit unterwegs ist. Dabei klingt er fürs Belcanto-Fach eigentlich nicht „hell“ genug, eine leicht dunkel melierte Mittellage bewahrt seine Stimme davor, piepsig  zu werden, aber in der Höhe, wo er sich spürbar wohl fühlt, und in der Ausdruckskraft bietet er alles, was dieses Fach verlangt. Und dass er auch noch aussieht wie der junge Carreras, ist auch kein Schaden… Ein Vergnügen, ihm zuzuhören.

Man weiß, dass Alexander Vinogradov eine trockene Stimme hat und sieht ihn immer wieder gern, weil er eine so starke Persönlichkeit ist.

Solide alle anderen unter der Leitung von Riccardo Frizza, wohl ausgewogen zwischen schwelgerisch, lyrisch und dramatisch. Das alles hätte nicht schöner sein können.

Renate Wagner

 

 

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