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NEW YORK – WIEN / Die Met im Kino: IL BARBIERE DI SIVIGLIA

La Rosina di Siviglia

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Fotos: Jonathan Tichler / Met Opera

NEW YORK – WIEN / Die Met im Kino /  Village Cinema Wien Mitte;
IL BARBIERE DI SIVIGLIA  von
Gioachino Rossini
31. Mai 2025 

La Rosina di Siviglia

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Die laufende Saison von die „Met im Kino“ ist geradezu hinreißend zu Ende gegangen, mit einer vor Laune sprühenden Aufführung von Rossinis „Barbier“, die szenisch und interpretatorisch kaum einen Wunsch offen ließ. Hat man nicht oft genug erlebt, wie diese Königin aller Buffa-Opern mit müder Routine abgenudelt wurde, so dass man gar nicht mehr wusste, warum man sich dafür begeistern sollte? Die New Yorker Aufführung hat das Meisterwerk wieder ins volle Licht gerückt als eine Lehrstunde fröhlicher und beglückender Operninterpretation.

Das Kino im Wiener Village war nicht ganz voll, wohl der Tatsache geschuldet, dass man hierzulande mit den meisten Namen auf dem Besetzungszettel nichts anzufangen wusste. Mit Ausnahme der Rosina, Aigul Akhmetshina, die man an der Met als erstaunliche Carmen kennen gelernt hat und die inzwischen auch schon in Wien war, als Adalgisa in der „Norma“ des MusikTheaters an der Wien. Aber zur vollen Entfaltung dessen, was sie kann, kam sie erst hier.

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Obwohl die Aufführung einen exzellenten Figaro hatte, der seinen Titelrollen-Status voll verdiente, war es der Abend der Rosina – und das, obwohl die Stimme von Aigul Akhmetshina so groß und oft vibrierend hochdramatisch ist, dass sie den Rahmen einer Rossini-Buffa fast sprengte. Und doch – welch ein Mezzo, herrlich dunkel gefärbt, dabei mit strahlenden Tönen bis in Sopranhöhen. Welch ungeheure Technik, welche Geschmeidigkeit, ob bei Koloraturen und Trillern, ob im Presto, ob in der Pointierung und durchaus auch Charakterisierung der Rolle. Zudem erinnert man sich nicht, dass seit langem jemand durchgehend so viel Kraft und Verve des Gesangs und der Gestaltung aufgebracht hätte – was sie, das muss man der Gerechtigkeit wegen sagen, mit allen ihren Kollegen teilte, die so unermüdlich, so exakt, so brillant unterwegs waren wie sie. Da hat jemand sehr, sehr gute Arbeit bei der Einstudierung geleistet. Aber bei allen Qualitäten der anderen – Rosina war die machtvolle Königin des Abends,

Auch Direktor Peter Gelb muss „mit Wasser kochen“, es hat wohl weniger damit zu tun, dass sich die Met die gr0ßten Namen nicht leisten könnte, als damit, dass vielfach ein Generationenwechsel ansteht, wenn gewisse Fächer des Repertoires nicht übermäßig dicht besetzt sind. Die Rossini-Bellini-Tenöre etwa – aber, wie man hören konnte, ist Jack Swanson (aus Stillwater, Minnesota) hier schon ein Name, den Pesaro-Pilger kennen und der bei seinem Met-Debut vorzügliche Figur machte. Die schlanke Tenorstimme (man bezeichnet dergleichen als „weiß“ im Klang) fürchtet sich vor keinen technischen Schwierigkeiten und fasziniert auch kurz vor Schluß noch mit der langen Almaviva-Arie, die selten gesungen wird. Auch als „Blödel-Darsteller“ (ob als Offizier, ob als Musiklehrer bei Don Basilio eindringend, um Rosina zu sehen) ist er souverän. Man wird ihn vermutlich noch oft wiedersehen.

Dasselbe ist wohl bei dem aus Moldavien stammenden Bariton Andrey Zhilikhovsky der Fall, international bereits unterwegs, eine besonders schöne Stimme, ein Darsteller von unübersehbarer Präsenz und Witz.

Dies sind auch Eigenschaften des Ungarn Peter Kálmán, der in (der zugegebenermaßen besonders dankbaren) Rolle des Dr. Bartolo mit unermüdlichem Spaß an der Sache jedes komische Detail bediente. Auch er ein Met-Debutant, den man als Gewinn bezeichnen konnte.

Und da war schließlich noch Alexander Vinogradov (immerhin dürfen auch echte Russen wie er an der politisch so korrekten Met singen), der zwar kein „schwarzer“ Baß ist, wie man ihn für den Basilio gerne hat, aber ein vorzüglicher baßbaritonaler Sänger, der das bestechliche Schlitzohr zu einer kleinen Meisterstudie machte. Kathleen O’Mara sang die Rolle der Berta, deren Arie einem auch bei bester Interpretation stets ein wenig überflüssig vorkommt.

Dass diese perfekt zusammen geschmiedete Besetzung sich dermaßen entfalten konnte, lag erstens an der Inszenierung von Bartlett Sher, ungeachtet dessen, dass sie aus dem Jahr  2006 stammt, denn solide Produktionen altern nicht, zumal eine, die in hübschen historischen Kostümen nicht allzu viel Szenerie braucht und den Fluß des Geschehens durch keinerlei Ablenkungs-Ideen stört (mit Ausnahme des alten Dieners, der in Slapstick Manier von einem Unglück ins andere rennt – und so brutal das ist, man muss allein über die Perfektion, mit der dies gemacht ist, lachen). Wer immer die Neueinstudierung betreut hat, hat ganze Arbeit mit den Team geleitstet.

Aber die Seele des Abends war Giacomo Sagripanti, erstmals am Pult der Met (an der Wiener Staatsoper im Dezember für eine „Boheme“-Serie erwartet, in der auch Andrey Zhilikhovsky dabei sein wird). Rossini ist Tempo, Exaktheit und Elastizität, und all das darf nicht einen Moment nachlassen. Das schafft selten jemand – hier hat man es erlebt, wie atemberaubend schnell, aber nie atemlos, nie mit dem geringsten Ausrutscher die Rossini-Brillanz funktionieren kann. Der Dirigent hielt den Abend nicht nur am Laufen, sondern auch so zusammen, dass er zu einem uneingeschränkten Vergnügen wurde.

Dieses Fest der Heiterkeit hat volles Rossini-Glück beschert. Man wird noch lange daran denken. Das New Yorker Publikum schien ganz aus dem Häuschen vor Vergnügen, und das war die absolut richtige Reaktion auf das Gebotene.

Renate Wagner

 

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