Fotos: Metopera
NEW YORK – WIEN / Die Met im Kino / Village Cinema Wien Mitte;
FIDELIO von Ludwig van Beethoven
15.März 2025
Wie eine haltbare Inszenierung aussieht
Natürlich sollte man jede Oper nur spielen, wenn man die ideale Besetzung hat, aber das ist graue Theorie, unter dieser Bedingung würden nicht allabendlich die Vorhänge in hunderten Opernhäusern aufgehen. Aber bei „Fidelio“ ist das ein bißchen anders. Die Oper, die Beethoven ursprünglich „Lepnore“ genannt hat, kann nur mit einer gewissermaßen übergroßen Leonore funktionieren. Also haT die Metropolitan Opera in New York dieses Werk für Lise Davidsen angesetzt. Es ist ihr letztes Auftreten, bevor sie – wie sie in einem Interview sagte – nach Hause fliegt und auf ihre Zwillinge und auf ihr neues Leben wartet. Das allerdings das alte sein wird, mit neuen Herausforderungen, wenn man sie nächste Saison als Isolde wieder an der Met erwartet…
Der „Fidelio“ der Met ist so alt, dass ich diese Aufführung des vor zwei Jahren verstorbenen Jürgen Flimm schon im April 2006 gesehen habe, als ich in New York war (und damals stammte sie schon aus dem Jahr 2000). Aber wie alle Produktionen, die nicht modernistisch, sondern gewissermaßen grundsätzlich denken, hat sie sich über ein Vierteljahrhundert gut erhalten. Auch die Alltagskleidung (Florence von Gerkan) stimmt in ihRer selbstverständlichen Unauffälligkeit, desgleichen die allgegenwärtige Gefängniswelt mit ihrem geringen privaten Raum davor (Bühnenbild: Robert Israel).
Allerdings haben sich auch unsere Blickwinkel geändert. Seit man den Film „Zone of Interest“ gesehen hat, das erschreckende „gemütliche Familienleben“ vor den Mauern von Auschwitz, wird man auch bei „Fidelio“ daran denken, zumal Horror und Singspielfiguren ja in seltsamster Spannung leben, Dass Jacquino und Marzelline zu Beginn wie selbstverständlich Gewehre putzen, zeigt, wie selbstverständlich das Grauen sein kann, wenn man nicht darüber reflektiert…
Die Inszenierung erzählt die Geschichte ohne Übertreibung (nur dass Pizarro am Ende aufgehängt werden soll – der Vorhang fällt rechtzeitig – ist vielleicht übertrieben), und gibt den Sängern Raum. Wobei zu sagen ist, dass die internationale Besetzung (eine Norwegerin, eine Chinesin, ein Brite, ein Pole, ein Däne und zwei Deutsche) mit den Dialogen bemerkenswert gut zurecht kommen und dass alle wirklich ausgewogene darstellerische und auch gesangliche Leistungen bieten, was von guter Probenarbeit zeugt.
Um Lise Davidsen irrlichtert von Anfang an die Tragik – so bedrückt von dem Schicksal, den Gatten zu suchen und finden zu müssen, spielt sie die Rolle des von Marzelline und auch Rocco umschwärmten jungen Mannes Fidelio mit spürbarer Mühe. Ungemein ergreifend die Kerkerszene und dann das überströmende Glück, Florestan wieder zu haben. Eine Leonore ist nur dann ideal, wenn das Publikum nicht mir ihr vor den bekannten Schwierigkeiten der Rolle bangen muss, und das ist keine Minute lang der Fall. Wunderschöne Kantilene, dramatischer Aufschwung ohne Mühe, Leidenschaft ohne Pathos.
David Butt Philip – wer singt schon gern den Florestan mit dieser Arte am Beginn der Rolle? – ist gesanglich potent und darstellerisch ausgefeilt (er wird demnächst in Wien wieder der Lohengrin sein). Eine geschlossene Leistung bietet Ying Fang als Rübensüßchen Marzelline – ihr Entsetzen am Ende, wenn sie erkennen muss, dass Fidelio nicht der Mann ist, den sie sich eigebildet hat, ist sehenswert. Dem Jacquino gib der Deutsche Magnus Dietrich, der mit dieser Rolle an der Met debutierte, so viel Profil wie möglich. Aus dem Don Ferrando ist nicht viel zu holen, Stephen Milling tut es würdig.
Und da sind noch die beiden Rollen, an denen so viel hängt – René Pape mag stimmlich nicht mehr über des Basses Grundgewalt verfügen, aber seine Darstellung des Rocco fern von altdeutscher Betulichkeit ist ebenso beeindruckend wie der bei uns wohl bekannte Tomasz Konieczny den Pizarro singt und spielt: nicht der tückische Finsterling, sondern gewissermaßen der selbstverständliche Verbrecher im Nadelstreif. Dass er für solche Rollen die richtige Stimme hat, ist bekannt.
Die Finnin Susanna Mälkki folgte dem Werk am Dirigentenpult durch seine Lyrik und Dramatik, durch warme und durch harte Töne. Es war vielleicht kein „Fidelio“ wie einst bei Bernstein, wo man mit wankenden Knien und Tränen in den Augen aus dem Haus ging, aber ein sehr schöner.
Renate Wagner