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NEW YORK – WIEN / Die Met im Kino: ANDREA CHENIER

Die Macht des Verismo

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Fotos: MetOpera

NEW YORK – WIEN / Die Met im Kino /  Cineplexx Cinemas
ANDREA CHENIER  von Umberto Giordano 
13.
Dezember 2025

Die Macht des Verismo

„Andrea Chenier“ von Umberto Giordano ist ein Juwel des Verismo, inhaltlich und musikalisch vielleicht die stärkste Geschichte von allen Opern dieses Umfelds. Und – sie braucht einen Tenor. Nicht einen, sondern den dramatischen Tenor, den es jeweils gibt, sonst kann man es gleich sein lassen. Nun, Pavarotti ist tot, Domingo war einmal, Kaufmann will das offenbar nicht mehr. Aber die Metropolitan Opera hat, als letzten Getreuen aus Europa, der noch über den großen Teich kommt, Piotr Beczała.

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Im obligaten Met-Pausengespräch, hier mit Lisette Oropesa (die schon für die „Puritani“ probt), erläuterte Beczala, was an dem Chenier als Rolle so besonders ist: vier Arien (!), zwei große Duette. Es gäbe auch einiges zu spielen, aber da ist der Pole ja kein Meister, wenn er auch gelernt hat, sich auf der Bühne einigermaßen locker zu bewegen und Emotionen zu zeigen. Stimmlich hatte er an dieser, in die Kinos der Welt übertragenen Vorstellung nicht den besten Abend, manchmal spürte man die Mühe, ein Strahle-Tenor mit auftrumpfenden Spitzentönen zu sein, aber er sank absolut nie unter das Niveau der Rolle. Und ausgerechnet, als es ans Sterben ging, mit der lyrischsten der vier Arien und dem ergreifenden Duett mit Maddalena, da blühte die Stimme auf und bekam endlich jenen Glanz, der die Kraft veredelt. Sicher, für jemanden wie Beczała spielt man den Andrea Chenier…

Und auch Sonya Yoncheva ist Weltklasse, wie man aus Erfahrung weiß, wenn auch sie nicht den besten Abend hatte und die Stimme zu oft scharf und durchdringend klang. Aber ihr gelang das Schicksal der im ersten Akt so koketten Aristokratin, die durch die Revolution alles verliert und mit Chenier in den Liebestod geht, sehr überzeugend und erregte jene Anteilnahme, die der Rolle zukommt. Die gute Chemie mit Piotr Beczała (beide betonten es im Interview) war zu spüren.

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Mit dem russischen Bariton Igor Golovatenko hat die Met, die ihn diese Saison noch als Eugen Onegin einsetzen wird (in Wien ist er eher ein seltener Gast), eine starke Persönlichkeit für starke Rollen. Die Stimme, die auf einem metallischen Kern aufbaut, ist für italienischen Verismo ideal, aber er beeindruckt auch als Gestalter – als zorniger Bedienter im ersten Akt, als natürliche Führungspersönlichkeit der Revolution in der Folge, verliebt in Maddalena und trotz seiner Eifersucht auf Chenier letztlich ein Mann mit Anstand. Beeindruckend.

Wie man weiß, wimmelt es in „Andrea Chenier“ nur so an Nebenrollen – eine erst hochmütig, am Ende des ersten Aktes, von allen verlassen, gebrochene Gräfin (Nancy Fabiola Herrera), eine sehr degagierte Dienerin Bersi, die sich natürlich der Revolution anschließt (Siphokazi Molteno), eine notabene immer ergreifende alte Madelon die ihren Enkel der Revolution opfert (Olesya Petrova).

Der Männerrollen sind zu viele, aber wie Brenton Ryan den Spitzel Incroyable spielte und Maurizio Muraro den Volks-Einpeitscher Mathieu, das rückte die beiden für ihre Szenen in den Mittelpunkt.

Sie taten es in einer Inszenierung von Nicolas Joël (aus dem Jahr 1996, damals eine Pavarotti-Premiere), die unserer von Otto Schenk ähnlich ist, allerdings nicht ganz so überbordend, also ein Rahmen, der das richtige Milieu bietet und niemanden an persönlicher Entfaltung hindert.

Am Pult stand Daniele Rustioni, als neuer erster Gastdirigent der Met angekündigt, der einen dichten Abend lieferte, mehr dramatisch als auf das Schwelgerische bedacht, aber dafür waren die Sänger an diesem Abend ja auch nicht disponiert.

Viel Begeisterung an der Met, in Wien ein ziemlich volles Haus, allerdings leere vordere Reihen. Aber wer will im Kino schon vorne sitzen?

Renate Wagner

 

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