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NEW YORK – WIEN / Die Met im Kino: AIDA

Aus der Grabkammer geholt

 

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Fotos: MetOpera

NEW YORK – WIEN / Die Met im Kino /  Village Cinema Wien Mitte:
AIDA von Giuseppe Verdi     
25.
Jänner 2025

Aus der Grabkammer geholt

Gut möglich, dass in der Ära Trump die „politische Korrektheit“ nicht mehr so rigide verfolgt wird wie heute, aber noch ist Peter Gelb, Direktor der Metropolitan Opera in New York, der Großmeister darin, alles doppelt und dreifach richtig zu machen. Was kann man also tun, um dem Haus eine neue „Aida“ zu geben, die normal aussieht, also „altägyptisch“, wie es das Publikum erwartet, ohne dass man bestenfalls als altmodisch, schlimmstenfalls als reaktionär bezeichnet wird?

Michael Mayer, Theater-, Film- und Broadway-Regisseur, musste dazu also etwas einfallen. Er kreierte eine Rahmenhandlung, indem zu Beginn jemand von hoch oben durch einen Schacht nach unten herab gelassen wird – ein Archäologe! Er erforscht offenbar ein unbekanntes ägyptisches Grab, und siehe da, die Insassen werden lebendig… ein klassischer Kinoeffekt übrigens.

Natürlich kann man dazu auch noch eine Aussage anbringen (ziemlich knüppeldick sogar), wenn der Archäologe und seine Mannschaft während des Triumphmarsches massenhaft Goldstatuen von Anubis, Hathor, sogar einem Elefanten wegtragen… diese räuberischen Kolonialisten! Stimmt allerdings nicht ganz, denn während der Franzose Auguste Mariette, auf den sich die Inszenierung (laut Pausengespräch) bezieht,  übrigens sehr segensreich in Ägypten wirkte, stand das Land noch nicht  unter britischer, sondern noch unter osmanischer Herrschaft… Aber egal, man hat einen verfremdenden, kritischen Rahmen eingezogen und kann solcherart „Aida“ optisch „echt“ erzählen. Dass Ägypten schon geschmackvoller dargestellt wurde als von Bühnenbildnerin Christine Jones und Kostümgestalterin Susan Hilferty, sei nur nebenbei erwähnt. Eher dümmlich ist die Choreographie von Oleg Glushkov ausgefallen.

Immerhin, der Rahmen steht, und im Grunde bezieht jede Aida-Aufführung ihre Kraft aus dem zentralen Sänger-Dreieck– der Mann zwischen zwei Frauen, die übrigen möglichen Aspekte (die königlich äthiopische Geisel am ägyptischen Hof  – nein, sie muss nicht, wie einst bei Neuenfels, als Putzfrau agieren –  Unterdrückung und Rassismus!) kann man sich wirklich schenken, und das geschieht auch, weil es mit Verdis rein aufs Menschliche abzielender Geschichte nichts zu tun hätte.

Man hat vom Pech des Piotr Beczała gehört, als er die Premiere am Silvesterabend unbedingt singen wollte, obwohl er offensichtlich und hörbar krank war. Rundum breit besprochen, ist Beczala zur Rolle zurück gekehrt und beweist, dass er nun, zwei Jahre vor seinem Sechziger, immer noch auf der Höhe seiner dramatischen Kraft und Fähigkeiten ist. Auch hat er mit dem nunmehrigen Rollenfach (Lohengrin, José, Cavaradossi, Riccardo, Radames und heuer in Salzburg Chenier) gelernt, mit etwas (wenn auch vielleicht vorgetäuschtem) Temperament zu agieren. An diesem Abend, den die Met in alle Welt übertrug, war er als Feldherr, Held und Liebender stark.

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Nicht ganz die Höhe dessen, was Aida und Amneris bieten können, wurde von den Damen erreicht. Dass Angel Blue sich mit aller Überzeugungskraft in Aidas tragisches Schicksal geradezu hinein warf (glücklich ist das arme Mädchen ja nur anfangs im Nilakt-Duett mit Radames, aber das dauert nicht lang), war immer wieder ergreifend. Die wunderbaren Bögen, die weiche Lyrik der Rolle standen ihr nur teilweise zur Verfügung, da sie kaum je eine gewisse Schärfe aus der Stimme heraus bekam.

Das gilt auch für die ungarisch-rumänische Mezzosopranistin Judit Kutasi, deren eindrucksvolle Biographie (in Wien ist sie uns noch nicht begegnet) allerdings von einer „dunklen“ Stimme berichtet, die sie nicht wirklich hat. Auch war ihre Amneris die längste Zeit einfach nur routiniert da, bis zum Gerichtsakt, wo sie dann alles gab, was sie hat, und das war nicht wenig. Dennoch überwiegt als Haupteindruck ihr schrilles Tremolo.

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Quinn Kelsey blieb als Amonasro auch unter den Möglichkeiten dieser Rolle, der Äthiopierkönig kann stimmlich und darstellerisch dramatischer und eindrucksvoller sein. Zwei Bässe agierten unterschiedlich, der König (Harold Wilson) mit eher dürrer, Ramphis (Morris Robinson) mit saftiger Stimme.

Hatte man längere Zeit das Gefühl, Dirigent Yannick Nézet-Séguin neige eher zum Schleppen, vor allem in den zeremoniellen Szenen, die mehr Schwung vertragen können, so legten alle Beteiligten (auch das Orchester) ab der Pause, also ab dem Nil-Akt den berühmten Zahn zu, und so endete der Abend mit Dramatik und blühendem Aufschwung. Glücklicherweise kamen die Archäologen nicht wieder, beim Sterben (und das ist bei Verdi immer anbetungswürdig) soll man die Helden wirklich nicht stören.

Renate Wagner

www.cineplexx.at/opera

 

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