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NEW YORK/ MÜNSTER/ DIE MET IM KINO: IOLANTA / HERZOG BLAUBARTS BURG

15.02.2015 | Allgemein, Oper

Metropolitan Opera New York-Cineplex Münster –  Direktübertragung 14. Februar 2014

 Tschaikowsky Jolanta –  Bartók Herzog Blaubarts Burg

Iolanta_C_Andrea Kremper
Foto Iolanta_C_Andrea_ Kremper/ Cineplex Münster

 Zwei ganz unterschiedliche Einakter hat die Metropolitan Opera New York zusammen  mit dem Warschauer Teatr Wielki zu einem Abend zusammengestellt, der am vergangenen Samstag in die beteiligten Kinos übertragen wurde, beide inszeniert von Mariusz Treliński  und unter der Musikalischen Leitung von Valery Gergiev. Da war zunächst die lyrische Oper „Jolanta“ von Peter Tschaikowky auf einen Text seines Bruders Modest – die märchenhafte Erzählung von der  Prinzessin, die durch den Vater von der Welt abgeschirmt nicht weiß, dass sie blind ist und aus Liebe zu einem Grafen (Märchenprinz?) sehend werden möchte, und deshalb geheilt wird, was zum „happy end“ zwischen den beiden führt. Dazu passt die hochromantische Musik mit Arien und  grossen Liebesduetten.

 Nach der Pause folgte dann mit Béla Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“ auf einen Text von Béla Balász das Eindringen der liebenden Frau in das Wesen des  Herzogs, indem sie ihn bittet, die sieben Säle  seines Schlosses als tiefenpsychologisch gedeutete Charakterzüge zu öffnen und in dem letzten mit ihm zu seinen früheren Frauen in ewige Nacht untergeht. Dies wird begleitet von fast impressionistischer Musik  am Rande der Tonalität, aber doch angelehnt an ungarische Volksmusik zu einem der ungarischen Sprache angepassten Sprechgesang.

Ein Zusammenhang zwischen beiden besteht vielleicht darin, das eine Stück führt von der Nacht der Blindheit zum Licht des Sehens, das zweite von der Helligkeit zumindest des fünften Saals in die ewige Dunkelheit.

Diesen Zusammenhang zeigten auch die Bühnenbilder von Boris Kudlicka und die ungefähr im Stil der 20-er Jahre angesiedelten Kostüme von Marek Adamski, alle in schwarz – weiß und Zwischentönen gehalten, aber nicht bis zu fünfzig Schattierungen von grau, die gab es im Saal nebenan!

Farbig waren allein zwei rote Rosen, die Jolanta nicht von den weissen unterscheiden kann und so dem Grafen ihre Blindheit verraten, und ein grünes Abendkleid, das Judith trug, bis sie in Blaubarts Schatzkammer nackt in der Badewanne Schmuck bewunderte, um dann in einen weissen Morgenmantel zu wechseln. In beiden Stücken waren auch Jagdtrophäen zu sehen, die eine Wand von Jolantas Zimmer und Blaubarts Schloß schmückten.

Regisseur Treliński als Filmregisseur und  Bartek Macias sorgten für reichliche Verwendung von Videos. In „Jolanta“, wurden während des Vorspiels laufendes und verendendes Jagdwild projeziert, eigentlich unpassend, weil Jolantas Versteck mehrfach  „Paradies“ genannt wird  Danach wurde diese Hütte im Wald mit verschiedenen beweglichen Ornamenten umrahmt. Beklemmend war der Moment, als Vaudémont Jolantas Blindheit erkannte und die Bühne sich total verdunkelte, jeder teilte Jolantas Schicksal. Ganz viel Video gab es dann in „Blaubarts Burg“, wo man besonders in den Großaufnahmen  manchmal den Eindruck hatte, einen Horror-Film zu sehen – vom Zwischenvorhang der Opernbühne übertragen auf die Kinoleinwand.

Seinen ganz hohen Rang erhielt der Abend  durch die Sänger. Anna Netrebko war darstellerisch und vor allem stimmlich als Jolanta unübertrefflich. Als Beispiel sei erwähnt, wie sie in ihrer ersten Arie, wo sie als Blinde  fragte, ob sie nicht etwas entbehren müsse (Sind denn Augen nur zum Weinen da?) ihre Stimme melancholisch timbrierte ganz im Gegensatz zu erregten Momenten, als sie zum ersten Mal das Licht sah und den jubelnden Tönen im Liebesduett mit Graf Vaudémont. Diesen sang gleich hervorragend mit lyrischem Legato und strahlenden Spitzentönen Pjotr Beczala.  Ganz bewundernswert war der Schluß seiner ersten Arie, in der er vor der Bekanntschaft mit  Jolanta seiner Sehnsucht nach  märchenhafter Liebe Ausdruck verlieh. Hier schloß er ganz pp auf  einem hohen Spitzenton – grosse tenorale Gesangskunst! Höhepunkt war dann das  populäre Duett, wo beide zusammen gesanglich brillierten.

Die kleineren Partien wurden ausnahmslos hervorragend  gesungen, auch etwa die im Programm nicht namentlich genannte Amme Jolantas. Elchin Azi sang mit langen Legatobögen den von Selbstzweifeln geplagten Vater Jolantas König René, hatte aber mit den ganz tiefen Basstönen dieser Partie kleine Schwierigkeiten. Alexey Markov war die heitere Partie des Robert anvertraut, der aus sinnlicher Liebe zu einer anderen Frau gern auf die märchenhafte Jolanta verzichtet. Vom Zusammenhang zwischen Körper und Geist beim Heilen von Jolantas Blindheit dozierte mit etwas gleichförmigen Baß Echin Azizov. Für alle drei Letztgenannten gab es vom Publikum der MET Zwischenapplaus. Beim feierlichen Schlußgesang von „Jolanta“ konnte zusammen mit allen Mitwirkenden der Chor der MET festlich tönen. (Einstudierung Donald Palumbo)

„Jolanta“ ist Tschaikowskis letzte Oper, so bevorzugt er etwa im Stil der „Pathétique“ dunkle Orchesterfarben, die das Orchester unter Gergiev zuerst verhalten dann mit agogischer Steigerung bis hin zum beliebten grossen Duett von Jolantha und Graf erklingen ließ. Allerdings wies der Dirigent in der Pause darauf hin, daß die das nach drei Seiten offene Zimmer der Jolanta weit hinten auf der Bühne platziert war und deshalb das Orchester Rücksicht nehmen mußte, die Sänger nicht zu übertönen.

Diese Sorge war bei „Blaubarts Burg“ nicht notwendig. Der gesprochene „Prolog“ wurde von unheimlichen Waldgeräuschen begleitet (Mark Grey). Neben dem einleitenden und die Oper beschliessenden viertönigen Motiv mit folgendem Pralltriller wurden alle  rhythmischen und instrumentalen Feinheiten der Partitur  deutlich, die vielen Soli einzelner Instrumente waren zu bewundern, ganz gewaltig klangen Orgel und Posaunen beim Anblick der „weiten Lande“ Blaubarts.  Der eigentliche Star des Abends, auch weil nicht so bekannt, war  Nadja Michael als Judith. Leidenschaftlich, auch erotisch, spielte sie das tragische Schicksal  der alles auf den einen grausamen Mann fixierenden Liebenden. Stimmlich erfüllte sie alle Erwartungen, so den grossen Tonumfang ihrer Partie, überstrahlte das Orchester mit leuchtenden Spitzentönen, schaffte es auch, fast flüsternd hörbar zu bleiben, wenn sie etwa im fünften Saal beim Blick auf Blaubarts weite Lande ohne Orchester „Schön und groß sind deine Lande“ sogar liegend sang. Für den grausamen Herzog Blaubart fand Mikhail Petrenko mit  seinem ausdrucksvollen Bariton neben den gewohnten herrischen Timbre auch lyrische weiche Töne, mit denen er seiner besonderen Art von Liebe gegenüber Judith Ausdrucke verlieh.

Als zum Schluß Judith mit Blaubarts anderen Frauen im Dunkel verschwand, legte sich dieser zum jetzt wieder grün gekleideten Double ins offenen Grab – „Nacht bleibt es nun ewig“

Soweit im Kino zu verfolgen spendete das Publikum in New York reichlich Applaus, vor allen zuerst Netrebko und Beczala, dann auch Michael und Petrenko. Das Publikum im gut verkauften Kino folgte beiden Opern gespannt ohne Husten und sonstige Störungen. Nur ganz wenige Netrebko-Fans fehlten nach der Pause.

 Sigi Brockmann 15. Februar  2014

 

 

 

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