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NEW YORK / Die Met im Kino: DIE ZAUBERFLÖTE

15.10.2017 | KRITIKEN, Oper

Zauberflöte Met 2017 Szene mit Tieren~1
Foto: Met

NEW YORK / Die Met im Kino:
DIE ZAUBERFLÖTE von W. A. Mozar
14.
Oktober 2017

Grundsätzlich können Regisseure mit jeder Oper machen, was sie wollen, aber es scheint, dass Mozarts „Zauberflöte“ allein durch ihren Reichtum und ihre Vielfalt endlose Möglichkeiten bietet. Man erinnert sich, zuletzt im Theater an der Wien – Torsten Fischers weg von der Sinnlichkeit, hinein in die Zerebralität, Mozartland war abgebrannt. Da konnte man an der New Yorker Met (die es glücklicherweise für Opernfreunde wenigstens im Kino gibt) aufatmen. Mozart als wilde Fantasy-Welt – das war doch was!

Die Inszenierung von Julie Taymor, die bereits ein Dutzend Jahre auf dem Buckel hat, ist zeitlos in ihrem fröhlichen Einfallsreichtum, in der Bereitschaft, Schikaneders Libretto seinen Spaß und seine Optik zu geben, wenn es auch keine ägyptische ist, sondern vor allem im ersten Teil eine rein asiatische. Die Mischung aus China und Japan wird im zweiten Teil dann diffuser, modernistischer, auch Si-Fi-artiger, verfehlt aber nie die Geschichte, die erzählt wird, wie sie ist – mit Tiefe und Seichtheit gleichermaßen und prächtiger Personenführung.

Ja, und da sind noch die „Puppen“, um die szenischen Kunststücke so zusammen zu fassen – drei Damen, komisch wie noch nie, weil sie sich weiße Gesichter vorhalten und mit diesen wild in der Gegend herumwehen; Vögel und (teils riesige) Tiere aller Arten, die von schwarzgekleideten Spielern geführt, geweht, herumgeschleudert werden (wie im japanischen Bunraku); ein irrwitziges „Flamingo“-Ballett, das Papageno bei seinem Wunsch nach einem Mädchen oder Weibchen begleitet – und alles so ungemein musikalisch, immer im Stil und Rhythmus der Musik.

Es ist, wenn er sich denn – nach seiner schweren Krankheit – nur im Rollstuhl zum Dirigentenpult bewegt, auch der Abend des James Levine, in seiner 47. Saison (!) an der Met, der Mozart geschmeidig nimmt, immer mit den Sängern, mit dem Glanz der Chöre, der die Musik strahlen und leuchten lässt. Man kann es einen unproblematischen Mozart nennen, wenn man daran denkt, wie „problematisch“ er oft absichtsvoll auf Originalinstrumenten einherkommt, aber es sei erlaubt, diese Interpretation, die das Werk in aller Schönheit entfaltet, zu goutieren.

Star der Besetzung war, mit makellosem Deutsch prunkend, Golda Schultz bei ihrem Met-Debut als Pamina. Das ist nicht nur eine in der Höhe schöne, in der Mittellage tragfähige, technisch ausgereifte Stimme mit perfektem Mozart-Stil, sondern auch die verständigste, selbständigste, reizvollste, dominierendste Pamina, an die man sich seit langem erinnert. Eine junge Frau, die weiß, was sie will – in einer Oper, die vor albernen, frauenfeindlichen Sottisen nur so strotzt. (Aber weil Schikaneder in dieser Hinsicht dumm war, muss man nicht gleich das ganze Werk uminszenieren…) Golda Schultz, die seit langem fest in Münchner Besitz ist, wird ihren Weg in die Welt machen.

Charles Castronovo, der Amerikaner mit italienischen und südamerikanischen Vorfahren, der nicht nur wie ein Samurai hergerichtet ist, sondern auch bei jeder Gelegenheit in asiatische Kampfposition springen muss, hat es hingegen nicht so sehr mit dem Mozartstil: mit kräftigem, in der Höhe stählernem Tenor singt er Mozart wie einen dramatischen Italiener – auch er in sehr gutem Deutsch.

Markus Werba war die längste Zeit allerorten der Papageno vom Dienst, mittlerweile ist er zu Beckmesser und reiferen Rollen übergegangen, aber er hat Mozarts Vogelmenschen schon vor drei Jahren an der Met gesungen und ist nun für diese Rolle zurückgekehrt. Er ist kein geborener Komödiant wie viele Rollenvorgänger, er hat nicht die Entertainer- und Publikums-Fänger-Qualitäten, die man für den Papageno braucht, aber wer nicht vergleichen kann, konnte mit seinem leicht behäbigen, sympathischen Kerl zufrieden sein, ohne zu ahnen, was mit dieser Rolle alles zu machen ist. In Ashley Emerson hatte er ja auch für Wiener Verhältnisse nicht eben eine Spitzen-Papagena.

Dafür konnte Kathryn Lewk als Königin der Nacht reüssieren. Sie hat zwar die Koloraturen nicht mit der Qualität von Glockentönen absolviert, sondern dem Zuhörer lauter Dolchstöße in die Ohren platziert, aber diese hatten es in sich – Präzision, Attacke, Dramatik, alles da, dazu ein Kostüm mit den applizierten. riesigen wehenden „Fahnen“, die man von den Bösewichten des Kabuki-Theaters kennt. Wenn das keinen Eindruck macht.

Als Sarastro stand Rene Pape würdevoll herum, aber eindrucksvolle Bassesfülle hatte er an diesem Abend nicht zu bieten. Ein komisch-boshafter Monostatos, das Gesicht auch Kabuki-gleich geschminkt, war Greg Fedderly (wenn man sich auch keine Mühe gemacht hatte, den „bösen Mohr“ schwarz anzumalen), drei komische Damen brillierten, drei komische Knaben (denen man weiße Bärte umgehängt hatten) quakten hingegen kläglich. Da hätten wir ein paar Sängerknaben, ob Wiener, ob Florianer, abstellen müssen.

Der Abend hatte in der Sängerin Nadine Sierra (zuletzt die Ilia im Met-„Idomeneo“) eine hervorragende Gastgeberin, deren glasklar-prägnante Sprache ebenso bestach wie ihr Charme und ihre Souveränität im Interviewen, wobei die Sänger in diesem Fall in der Pause nur Floskeln von sich gaben.

Berichtet wurde auch von einem Dokumentarfilm, der die Geschichte der neuen Met (dabei ist das Haus am Lincoln Center, 1966 eröffnet, nun auch schon ein halbes Jahrhundert alt) dokumentiert und dazu ein offenbar bemerkenswertes Interview mit der Zeitzeugin Leontyne Price bietet. Außerdem gab es, mit Komponist Thomas Ades persönlich, einen Vorschau auf die nächste Met-Übertragung, „The Exterminating Angel“ in der Salzburger Inszenierung. Da wird man es nicht ganz so leicht haben wie mit dieser beschwingten „Zauberflöte“.

Renate Wagner

 

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