Neueröffnung: PRATERMUSEUM
Riesenrad, Affen-Zirkus
und Watschenmann
Im Prater blüh’n wieder die Bäume“ zitierte ein gut gelaunter Bürgermeister Michael Ludwig bei der Pressekonferenz vor der Neueröffnung des neuen Prater Museums. Nun, jedenfalls „blüht“ die Kultur in Form der Populärkultur. Hat das Wien Museum erst vor kurzem sein Haus am Karlsplatz neu eröffnet, bietet man mit dem neuen Prater Museum jetzt eine Dependance, der man unschwer großen Publikumserfolg voraus sagen kann. Denn 250 Jahre Prater-Geschichte bieten für ein unterhaltungssüchtiges Publikum (und nur dieses kommt in den „Wurstelprater“) einiges zum Schauen.
Von Renate Wagner
Der Prater und seine Popularität Wiens Prater ist mehr als nur der Wurstelprater, er ist ein rund sechs Quadratkilometer großer Naturpark im heutigen Bezirk Leopoldstadt – mit vielen Funktionen. Dort fuhr die Fürstin Feldmarschall zum Vergnügen aus, dort gab man sich Rendezvous, dort erledigten die noblen Herren der Monarchie ihre nicht immer harmlosen Duelle. Die Schönheit der Praterlandschaft wurde zahllose Male gemalt, am genialsten wohl von Tina Blau. Der Prater wurde besungen, fand sich immer wieder im Kino, ob Maria Schell und O.W. Fischer im Riesenrad turtelten oder James Bond Timonthy Dalton sich 1987 hier herumtrieb. Wenn die jungen Dichter Wiens (Schnitzler, Salten, Bahr) sich im Prater vergnügten, taten sie es allerdings im „Wurstelprater“, und die wohlhabenden Lebemänner endeten so wie die einfachen Leute bei einer Stelzn und einem Bier.
Denn vor 250 Jahren haben die Habsburger auf ihr einstiges Jagdgebiet verzichtet – es war natürlich Joseph II., der das Areal „für alle“ frei gegeben hat – als einen demokratischen Ort, um es so zu sagen, Treffpunkt jenseits von Stand und Namen. Und seither gehört er allen Wienern (und natürlich den Besuchern der Stadt). 1897 bekam der Prater mit dem Riesenrad – eine für damalige Zeit enorme technische Innovation – sein „Wahrzeichen“, das bis heute auf zahllosen Wiener Ansichtskarten auftaucht und ein Symbol der ganzen Stadt geworden ist.
Der Wurstelprater Ein Produkt des Biedermeier, wurde der „Wurstelprater“ ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Seele des Praters. Ein Vergnügungspark, der sich nicht mit konventionellen Ringelspielen begnügte, sondern das Publikum (derzeit sind es mehrere Millionen Besucher pro Jahr) stets mit neuen Sensationen lockte. Das waren technische Attraktionen und menschlich / tierische – und wie viel Sinn für Unsinn und Hintergründiges man hatte, beweist etwa der „Watschenmann“: Heute würde man die legitime Möglichkeit, auf ein dummes Gesicht straflos einschlagen zu dürfen, als Streß-Bewältigung betrachten…
Das neue Haus Am Anfang stand die Sammlung des Heimatforschers Hans Pemmer, der alles rund um den Wurstelprater sammelte und bei sich ausstellte. Als er die Sammlung 1964 der Stadt Wien schenkte, stellte man sie als „Pratermuseum“ im Planetarium aus. Mittlerweile sind für das Wien Museum noch viele „Sachspenden“ der zahlreichen Familien hinzubekommen, die ihre Wurstelprater-Etablissements über Generationen führen.
Das neue Gebäude ist leicht zu erreichen – folgt man direkt vom Eingang des Wurstelpraters geradeaus der Straße des 1. Mai, dann liegt das schmale und auf den ersten Blick unscheinbare Haus rechts inmitten der Häuserzeile. Auf den zweiten Blick wirkt es durch die vertikale Holzbauweise besonders und unverwechselbar. Zwei Geschoße erschließen keine üppigen, wenn auch reich bestückte Ausstellungsräume, immerhin der doppelte Platz des vorigen Pratermuseums, das nun auch „mitten im Geschehen“ liegt (während das Planetarium sich etwas außerhalb des Wurstelpraters befindet). Man hat dafür gesorgt, dass das neue (ökologisch gebaute) Haus einen gleich großen rückwärtigen Eingang / Ausgang besitzt – damit man dort den direkten Blick auf das Riesenrad genießen kann.
Meisterstück Wimmelbild Noch ohne Eintritt zu bezahlen, kann man in der Eingangshalle, die quer durch das ganze Gebäude führt, ein Meisterstück besonderer Art sehen – als „Wimmelbild“ bezeichnet. Der Künstler Olaf Osten hat die rund hundert Quadratmeter große Seitenwand mit Prater-Impressionen aus 250 Jahren bemalt. Attraktionen, die es nicht mehr gibt (wie die Rotunde) mischen sich mit Gegenwärtigen, man fährt mit dem „Käfer“ die Hauptallee entlang.
Aber wer genau hinsieht, wird auch Ludwig van Beethoven in charakteristischer Art (leicht vorgebeugt, die Arme hinter dem Rücken) auf dem Spaziergang durch den Prater finden. Auch Promis von heute sind dabei, auf der Suche kann man sich lange und vergnügt beschäftigen.
Was es zu sehen gibt Innerhalb von 400 Objekten (ein Teil digital) sieht man ein Modell des alten Praters und viele Pläne, Gemälde und Graphiken, Plakate und zahlreiche Fotos, die ganze Geschichten erzählen. Kasperl und Krokodil haben sich als haptische Objekte ebenso erhalten wie ein Hutschpferd, ein Riesenstoffbär, menschliche Wachsmodelle und eine Figur des „Starken Mannes“. Wirklich originell ist das „Heiraths Vermittlungs Bureau“ – eine Frühform von Tinder? An Originalität fehlt es ebenso wenig wie an Skurrilität.
Perspektiven-Wechsel Man lebte einst in naiveren Zeiten. Niemand dachte sich „Böses“ dabei, wenn man „Abnormitäten schauen“ ging – es gehörte zum Spaßangebot. Auch die „Indianer“, als man sie noch so nennen durfte, die mit Sitting Bull durch Europa zogen, um dem Weißen Mann die Rothäute vorzuführen, betrachteten das wohl nicht als Erniedrigung, sondern als Job. Natürlich kann ein Museum von heute, den heutigen Normen zufolge, nur den Kopf schütteln über ausgestellte Menschen und gequälte Tiere. Man könnte überlegen, ob sich unser Affen-Zirkus nicht auf die Polit- und Medienebene verlagert hat. Und was die Vergangenheit betrifft – historisches Denken bedeutet, andere Zeiten nach ihren Gesetzen zu beurteilen. Letztendlich sollte man das Thema aber noch genauer beleuchten und die gegenwärtige verordnete Redlichkeit ein wenig in Frage stellen. Wird heute nicht mit ähnlicher (kommerzieller) „Unschuld“ in der ganzen Welt den Touristen – von „Tiroler Abenden“ bis zu „Balinesischen Tempel-Zeremonien“ – verlogene Folklore vorgetanzt, ohne dass sich jemand den Kopf darüber zerbricht? Unsere „Abnormitäten“ stellen sich nackt bei Festivals in Performances aus und werden für ihren „Mut“ bewundert und gepriesen. Wie ehrlich ist das? Diskriminiert wird in unsrer Gesellschaft angeblich niemand mehr – außer jene, die es wagen, den derzeit vorgegebenen Normen des Denkens und Urteilens nicht zu folgen. Wo ist da der Fortschritt gegenüber den einst ach so restriktiven Zeiten?
Und manches wird auch ausgeblendet Dass in der legitimen Begeisterung über den „Prater“ manches unbehandelt bleibt, wundert bei der kritischen Haltung von heute. Mit der Kriminalität, die hier zweifellos ein Thema ist, wollte man sich nicht auseinander setzten. Warum auch? Jedermann weiß, dass man im Gedränge auf seine Brieftasche aufpassen muss, und wer Drogen kaufen will, wird sie hier genau so finden wie anderswo. Man muss sich das helle Bild auf den Prater als Vergnügungspark für alle, alle, alle nicht von Nebensächlichkeiten verstellen lassen. Angeblich ist er ja der beste und berühmteste der Welt. Am Balkon, mit Blick auf die Hauptstraße, findet man die anderen legendären Vergnügungsareale der Welt, von Kopenhagen bis Peking, aufgelistet.
Pratermuseum
Prater (Station U 1, Praterstern)
Straße des Ersten Mai 92, 1020 Wien
Öffnungszeiten, Dienstag bis Sonntag,11 bis 18 Uhr