Neue CD „Salon de Ravel“ mit Marina Baranova bei Berlin Classics/erschienen
Viele Inspiationsquellen
Die 1981 in Charkiw, Ukraine, geborene Pianistin Marina Baranova begibt sich in ihrem neuen Album auf eine Art musikalische Zeitreise. Sie habe sich oft gefragt, wie es wäre, mit den großen Komponisten der Vergangenheit direkt zu kommunizieren. Ravel sei für sie immer eine faszinierende Persönlichkeit gewesen, dessen Musik eine Mischung aus Raffinesse und emotionaler Tiefe biete. Im „Salon de Ravel“ beschäftigt sich Baranova intensiv mit den Inspirationsquellen Ravels. Sie interpretiert nicht nur bekannte Werke, sondern auch seine Hommagen an andere Komponisten wie Borodin und Chabrier. Sie arrangiert und interpretiert Stücke wie Ravels „Menuet sur le nom de Haydn“ oder „Berceuse sur le nom de Gabriel Faure“ neu für das Solo-Klavier. Sie hat als Komponistin auch selbst ein Stück im Stil Ravels geschaffen, was besonders interessant ist. Das sei eine besondere Gratulation an Ravel zum Geburtstag, aber auch ein Ausdruck einer tiefen Bewunderung für seine Kunst. Die Komposition „A la maniere de Ravel“ sei ihr Versuch, seine musikalische Sprache zu erfassen und gleichzeitig ihre eigene Perspektive einzubringen. Baranova sieht in ihrem Album zudem eine Hommage an die Salon-Kultur der Jahrhundertwende – ähnlich wie die musikalischen Zusammenkünfte, die sie als Kind in Charkiw erlebt habe. Vor kurzem eröffnete sie auch in ihrer Heimatstadt Hannover in der Villa Seeligmann einen Klaviersalon. So ist hier ein bemerkenswerter Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart entstanden. Das rauschhaft musizierte Scherzo von Emmanuel Chabrier reisst aufgrund seiner kontrapunktischen Meisterschaft den Hörer unmittelbar mit. Facettenreich spielt Marina Baranova auch die „Pavane pour une infante defunte“ von Maurice Ravel, die zudem als Orchesterstück bekannt ist. Die Poesie dieser Komposition kann sich überzeugend entfalten. Das Künstliche und Artistische in der Harmonik blitzt zudem bei Ravels Stück „Prelude aus Le Tombeau de Couperin“ deutlich hervor. Drei altberühmte Tanzformen werden dabei mit drei absoluten Formen zusammengefügt. Reminiszenzen an Franz Liszt sind spürbar. An Couperin erinnern hier die kunstvollen Verzierungen. Die C-Dur und G-Dur-Welt sticht hervor. Zum 150. Geburtstag Ravels ist auf dieser ungewöhnlichen CD aber auch eine „Melody“ von Edvard Grieg zu hören. Bildhafter Realismus vermischt sich in reizvoller Weise mit Farben, Erlebnissen und Erinnerungen. Und von Joseph Haydn erklingt sogar der erfrischend gespielte vierte Satz aus der Klaviersonate in D-Dur. Federleichte Thematik korrespondiert hier feinnervig mit dem impressionistisch-luftigen Stil Ravels. So kann man den dabei entstandenen Klangkosmos nur bewundern. Denn auch Francois Couperin kommt mit dem Stück „Le Dodo ou l’amour au berceau“ zu Gehör. Die Spielverzierungen und die Sustanz der Melodie werden überzeugend betont. Vielleicht vermisst man auf dieser CD ein Stück von Claude Debussy, was aber nicht sonderlich ins Gewicht fällt.
Alexander Walther