Wieder zwei Opernausgrabungen in Neuburg / Donau: „Schlaukopf und Dickschädel“ von Marcello Bernardini und „Der Hitzkopf“ von Ferdinando Paër (Vorstellung: 25. 7. 2015)
Seit dem Jahr 1969 führt die Neuburger Kammeroper im Stadttheater Neuburg an der Donau selten gespielte oder in Vergessenheit geratene Opern von gleichfalls fast vergessenen Komponisten auf. So auch in diesem Jahr mit den beiden komödiantischen Werken „Schlaukopf und Dickschädel“ („Furberia e puntiglio“) von Marcello Bernardini und „Der Hitzkopf“ („La testa riscaldata“) von Ferdinando Paër, die in deutscher Sprache aufgeführt wurden (Übersetzung und Bearbeitung: Annette und Horst Vladar).
Marcello Bernardini (geb. um 1740, gest. nach 1799), der oft nach seinem Vater Rinaldo da Capua, einem erfolgreichen Komponisten, auch Marcello da Capua genannt wurde, war als Nachfolger seines Vaters Kapellmeister in Rom, wo zwischen 1764 und 1789 seine meisten Werke aufgeführt wurden. Außerhalb Italiens kamen viele Opern, zu denen er meist auch das Libretto schrieb, u.a. auch in München, Dresden, Paris und in Wien zur Aufführung, ab 1795 lebte er in Polen. Von seinen vornehmlich komischen Opern, die voller Witz und Ironie waren, wurden Li tre Orfei, Le donne bistetiche und La donna di spirito noch im 19. Jahrhundert gespielt.
„Schlaukopf und Dickschädel“ von Marcello Bernardini mit Elžběta Laabs, Yvonne Steiner (stehend) und Manuel Ried (Foto: Ralf Pauli, Neuburger Kammeroper)
Die Opera buffa „Schlaukopf und Dickschädel“, deren Libretto Giuseppe Maria Foppa verfasste. wurde 1798 in Venedig uraufgeführt. Ihre Handlung in Kurzfassung: Der Kaufmann Guglielmo plant für seine Tochter Isabella eine „gute Partie“. Sie aber liebt den Offizier Federico, was dem Vater gar nicht passt. Deshalb setzt er sich dafür ein, dass Federico und Eugenia, die Tochter eines Bankiers, ein Paar werden. Vom Ergebnis seiner Bemühungen ist er dann allerdings sehr überrascht. Als er endlich seine Einwilligung zur Heirat seiner Tochter mit Federico gibt, wird er von Eugenia heftig umworben.
Die Inszenierung von Michael Hoffmann sprühte voll Witz und Komik, ohne je in Klamauk zu verfallen. Sehr eloquent auch seine Personenführung. Den Kaufmann Guglielmo gab der Bariton Stephan Hönig mit nobler Zurückhaltung und väterlichem Dickschädel. Seine Tochter Isabella spielte die attraktive Sopranistin Yvonne Steiner, schon seit langem der Star des Ensembles der Neuburger Kammeroper, mit köstlicher Schläue und stimmlicher Brillanz. Als fescher Offizier Federico musste sich der junge Tenor Manuel Ried den Avancen der Bankierstochter Eugenia zur Wehr setzen, was ihm mit ausdrucksstarker Mimik nur mühsam gelang. Stimmlich hatte er in der Höhe leichte Probleme, die er aber gut zu kaschieren verstand. In der Rolle der Eugenia spielte die Mezzosopranistin Elžběta Laabs ihr komisches Talent voll aus, ihr Mienenspiel war überragend. Eine besondere Leistung vollbrachte der Bariton Joachim Herrmann als Diener des Kaufmanns, dessen Komik von der ersten bis zur letzten Szene die Lachmuskeln des Publikums arg strapazierten. Den Bankier Bainer spielte mit starker Bühnenpräsenz und köstlichem Humor Horst Vladar, die „Seele“ der Neuburger Kammeroper, der bereits vor einigen Jahren mit dem Kulturpreis der Stadt Neuburg ausgezeichnet wurde.
Ferdinando Paër (1771 – 1839)
Nach der Pause stand der Einakter „Der Hitzkopf“ von Ferdinando Paër in der Inszenierung von Horst Vladar auf dem Programm. Für beide komödiantische Opern schuf Michele Lorenzini die Bühnenbilder, die dem Charakter der Stücke entsprachen und ein hübsches Ambiente bildeten.
Ferdinando Paër (1771 – 1839) studierte in seiner Heimatstadt Parma, wo er bereits als 20-Jähriger seine erste Oper Orphée et Euridice herausbrachte. Nach seinem großen Erfolg mit Circe 1792 in Venedig wurde er Kapellmeister in Parma, wo er mit der Opera semiseria Griselda einen Triumph erlebte. Von 1797 bis 1801 leitete er das Wiener Kärntnertortheater, wo Camilla 1799 und Achille 1801 (mit einem von Beethoven bewunderten Trauermarsch!) uraufgeführt wurden. Nach seinem Wiener Aufenthalt war er bis 1806 Hofkapellmeister in Dresden. Napoleon, der den Komponisten sehr bewunderte, veranlasste Paër, ihm nach Posen und Warschau zu folgen und sich anschließend in Paris niederzulassen, wo er die Opéra Comique und nach Spontinis Weggang das Théâtre Italien (einige Zeit gemeinsam mit Rossini) leitete. Neben Simone Mayr, der in Bergamo tätig war, gilt er als der bedeutendste Vertreter der italienischen Oper in der ersten Dekade des 19. Jahrhunderts.
Die Opera buffa „Der Hitzkopf“ („La testa riscaldata“), deren Libretto ebenfalls von Giuseppe Maria Foppa stammt, wurde 1799 in Venedig uraufgeführt. Ihr Inhalt handelt vom Gemüsehändler Brodolungo, der für seine Töchter standesgemäße Ehemänner sucht, doch haben sowohl Ambrosina wie auch Felicita längst ihre Liebhaber und versuchen, ihren sturen Vater in allerlei Verkleidungen auszutricksen. Schließlich gelingt es ihnen, mit Brodolungos Geld sein Einverständnis zur Heirat zu bekommen. Er versöhnt sich mit den Liebenden: sein Geld ist ja nicht verloren.
Szenenfoto zur Oper „Der Hitzkopf“ von Ferdinando Paër (Foto: Ralf Pauli, Neuburger Kammeroper)
Auch in diesem Einakter glänzte das gesamte Ensemble sowohl stimmlich wie schauspielerisch. Die Titelrolle hatte in diesem Stück Joachim Herrmann inne, der den Gemüsehändler Brodolungo mit eindrucksvoller Komik auf die Bühne stellte. Seine Töchter Ambrosina und Felicita gaben Yvonne Steiner und Elžběta Laabs, die beide ihre Rollen als „streitbare“ Schwestern zur Freude des Publikums auf lustvolle Weise spielten, wobei Yvonne Steiner ihre Arien mit besonderer Strahlkraft sang. Ihre beiden Liebhaber Canziano und Ernesto, die in verschiedenen Verkleidungen auftraten, wurden vom Bariton Michael Hoffmann und vom Tenor Manuel Ried dargestellt, deren humorvolles Spiel als Tanzlehrer mit Geigenspieler und Fechtmeister zu den komödiantischen Höhepunkten der Aufführung zählten. Den Diener spielte in dieser Opera buffa Stephan Hönig, der sein komisches Talent auch in dieser Rolle unter Beweis stellte.
Das Orchester, aus Musikern des Akademischen Orchesterverbandes München bestehend, brachte unter der einfühlsamen Leitung von Alois Rottenaicher die beschwingt klingenden Melodien der beiden Partituren voll zur Geltung. Das begeisterte Publikum belohnte verdientermaßen alle Mitwirkenden mit langem, nicht enden wollendem Applaus. Erstaunlich, wie es der Neuburger Kammeroper in jedem Jahr aufs Neue gelingt, Opernraritäten von zum Teil vergessenen Komponisten zu entdecken und sie auf hohem Niveau wiederzugeben. Kompliment!
Udo Pacolt