Joachim Herrmann, Horst Vladar, Elmar Göbel. Foto: Kammeroper Neuburg
Wieder Opernrarität in Neuburg an der Donau: „Der Bäbu“ von Heinrich Marschner (Vorstellung: 28. 7. 2018)
Auch im heurigen Jahr brachte die Neuburger Kammeroper eine echte Opernrarität zur Aufführung: „Der Bäbu“ von Heinrich Marschner. Diese komische Oper – im Jahr 1838 in Hannover uraufgeführt – war bereits die 50. Produktion im Stadttheater von Neuburg an der Donau und neuerlich ein großer Publikumserfolg.
Heinrich Marschner (1795 – 1861) wandte sich schon früh mit Kompositionen der Musik zu, wobei der Thomaskantor Johann Gottfried Schicht sein Mentor war. 1817 wurde er Musiklehrer des Grafen Zichy in Preßburg, wo er seine ersten Opern schrieb und bald zu einem der führenden deutschen Komponisten seiner Zeit wurde. Im Jahr 1824 wurde Marschner Musikdirektor der Semperoper in Dresden und von 1827 bis 1831 war er musikalischer Leiter der Oper in Leipzig, wo er mit seinen Werken Der Vampyr und Der Templer und die Jüdin große Erfolge erzielte. Von 1831 bis 1859 war Marschner Hofkapellmeister der Oper in Hannover. Zu einem Schlüsselwerk der deutschen romantischen Oper wurde1833 Hans Heiling. Marschners Hoffnungen, in Berlin die Nachfolge von Gaspare Spontini anzutreten, zerschlugen sich allerdings. Der Ruhm Meyerbeers und Wagners überstrahlte ihn, in seinen letzten Jahren war er fast vergessen.
Die Handlung der Oper Der Bäbu, deren Libretto Wilhelm August Wohlbrück verfasste und Horst Vladar für die Neuburger Kammeroper bearbeitete, spielt im Jahr 1820 in Britisch-Ostindien. Der gerissene Bäbu, ein selbstgefälliger Guru und Yogalehrer, ist ein Gauner und Betrüger. Nachdem er den Besitz des adeligen Ali Khan ergaunert hat, will er dessen Tochter Ranijana zur Frau. Sie liebt jedoch Captain Forester, der aus gesundheitlichen Gründen nach England zurückkehren musste. Um ihn dazu zu bewegen, täuschte sie sogar einen Selbstmord vor. – In England verlobt sich Forester mit Eva, der Nichte des Gouverneurs von Kalkutta. Wieder gesund, reist er nach Indien, da er sich seiner Gefühle unsicher ist. Als er Ranijana heil vorfindet, erwacht seine alte Liebe wieder. Eva, die den von ihm ausgestreuten Gerüchten von seinem Tod misstraute, taucht ebenfalls in Indien auf. Es wird chaotisch. Doch als Forester entdeckt, dass sein Freund Mosely und Eva einander lieben, scheint sich alles zum Guten zu wenden. Da bringt Ali die Nachricht, dass seine Tochter entführt wurde. Alle sind der Meinung, dass Bäbu dahinterstecken müsse. Tatsächlich finden sie Ranijana bei ihm. Es war ihr gelungen, den betrunkenen Guru in den Schlaf zu „tanzen“. Man überwältigt den völlig Verstörten und übergibt ihn der weltlichen Gerichtsbarkeit. Glücklich fallen sich die Paare unter dem Applaus der Freunde in die Arme.
Trotz dieser komplizierten und teils verworrenen Handlung der Oper gelang Horst Vladar – er war im Jahr 1969 Mitbegründer der Neuburger Kammeroper und ist seitdem auch ihr künstlerischer Leiter – eine treffliche und humorvolle Inszenierung. Im übrigen darf er als „Seele der Kammeroper“ und Tausendsassa bezeichnet werden, spielt er doch in dieser Produktion sogar drei Rollen: In der ersten Szene den Richter Muton, später zusätzlich Sir Tynebutt und einen der vier vermummten Räuber, die Ranijana entführen. Als Produktionsassistentin wirkte auch seine Ehefrau Annette Vladar mit.
Das kreativ gestaltete Bühnenbild, das auch das indische Flair äußerst anschaulich zur Wirkung brachte, schuf Michele Lorenzini. Für die Beleuchtung zeichneten Bernhard Kugler und Mario Liesler verantwortlich.
Alessia Schumacher. Foto: Kammeroper Neuburg
In der Titelrolle des Bösewichts Bäbu überzeugte der Bassbariton Stephan Hönig sowohl stimmlich wie auch durch seine starke Bühnenpräsenz. Immer wieder spielte er sein komisches Talent wirkungsvoll aus – wie auch der Chor als Gefolgschaft und Anhänger des Guru, die mit Mimik und Gestik großartig ihre kritiklose Treue spielten (Einstudierung: Norbert Stork). Der adelige Händler Jussuf Ali Khan wurde vom schlanken, großgewachsenen Bariton Joachim Herrmann dargestellt, der seine stärksten Szenen als liebender Vater hatte. Eine erstklassige Leistung bot die in Italien geborene Sopranistin Alessia Schumacher als seine hübsche Tochter Ranijana. Mit ihrer kräftigen Stimme meisterte sie nicht nur jede Höhe, sie brillierte auch darstellerisch, wobei sie als Gefangene des Bäbu auf köstliche Art den beschwipsten Guru schwindlig tanzte! Einige „Brava“– Rufe aus dem Publikum waren ihr verdienter Lohn. Ein gelungenes Debüt in der Neuburger Kammeroper! Man darf auf ihre weitere Karriere gespannt sein.
Ebenso erstklassig war die Leistung des Tenors Karsten Münster in der Rolle des Captain Henry Forester. Seine kräftige Stimme überstrahlte alle anderen Darsteller. Auch gelang es ihm, seine Liebesprobleme mimisch eindrucksvoll wiederzugeben. Stimmlich gut auch der kroatische Tenor Goran Cah in der Rolle seines Freundes Mosely, der sich in Eva verliebt und als Sänger gleichfalls ein gelungenes Debüt in Neuburg feierte. Als Eva Eldridge überzeugte die Ingolstädter Sopranistin Laura Faig sowohl stimmlich wie darstellerisch. Mit großem Temperament und köstlich-humorvoller Mimik gestaltete sie ihre Rolle auf glänzende Art. Ihr gegenüber blieb die elegante Sopranistin Ulrike Johanna Jöris als Lady Wrengthon, die Frau des Gouverneurs ein wenig blass.
In der komödiantischen Rolle des Gosain, Bäbus Vertrauten, konnte der Bariton Michael Hoffmann zur Freude des Publikums sein komisches Talent voll ausspielen. Sehr humoristisch legte auch Elmar Goebel in der Gerichtsszene die Rolle des Anwalts Butun Ghos an.
Die musikalische Leitung des Orchesters des Akademischen Orchesterverbandes e. V. lag in den bewährten Händen von Alois Rottenaicher. Es gelang ihm, die vielschichtige Partitur des Komponisten, deren romantische Melodien immer wieder ins Ohr gingen, in allen Facetten wiederzugeben.
Das begeisterte Publikum, das immer wieder den Sängerinnen und Sängern Szenenbeifall zollte, dankte am Schluss der fast dreistündigen Vorstellung allen Mitwirkenden mit nicht enden wollendem Beifall. Verdiente „Bravo“-Rufe gab es für Horst Vladar, dem man zu dieser neuerlichen Ausgrabung einer in Vergessenheit geratenen Oper gratulieren muss.
Udo Pacolt