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Muriel Asseburg: PALÄSTINA UND DIE PALÄSTINENSER

15.10.2021 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

buch palästina

Muriel Asseburg:
PALÄSTINA UND DIE PALÄSTINENSER
Eine Geschichte von der Nakba bis zur Gegenwart
365 Seiten, C.H. Beck Verlag, 2021  

Schon im Vorwort bemerkt die Autorin mit leisem Grimm, dass Deutschlands Nachkriegsgeschichte durch die Schuld, die das Dritte Reich auf die Nation geladen hat, auf das engste mit Israel verbunden sei. So stark, dass in diesem deutschen Sprachraum zum Thema des Staates Israel immer nur die jüdische Seite eine Stimme bekäme.

Nun gibt es Tendenzen, auch die Palästinenser (zumindest zwischen Buchseiten)  zu Wort kommen zu lassen – eben jene Muriel Asseburg, deutsche Nahost-Expertin, deren Wurzeln nirgends öffentlich gemacht werden, die aber aus ihrer Tendenz eindeutig hervorgehen. Sie will die palästinensische Sache aus deren Sicht beleuchten, darüber hinaus, wie sie es schon 2016  in dem Buch „Der Nahostkonflikt“ getan hat.

„Palästina und die Palästinenser“ ist nun gewissermaßen die Fortsetzung, setzt dort ein, was auf Arabisch „Nakba“ genannt wurde, nämlich die Vertreibung von rund 700.000  arabischen Palästinensern aus dem früheren britischen Mandatsgebiet Palästina nach dem UN-Teilungsplan für das Land 1947. Damals war der Druck, dem durch den Holocaust so schwer geschlagenen jüdischen Volk ein eigenes Land zu geben, so groß, dass man – wie viele meinen – die Rechte der einheimischen Bevölkerung mit den Füßen getreten hat. Für die Palästinenser, die heute noch in Israel leben, sind die Juden die Besatzungsmacht, und ob der Konflikt sich je lösen wird, kann niemand voraus sagen. Die Autorin als profunde Kennerin der Materie kann es sich jedenfalls nicht vorstellen.

Vor die Staatengründung ist eine kurze Vorgeschichte gesetzt, denn schon in den 1880er Jahren flohen Juden zu Hunderttausenden vor dem Antisemitismus, vor allem vor den Pogromen des Zarenreichs, aber auch aus Europa. Daraus erwuchs der Zionismus Theodor Herzls, und die Juden stellen es gerne so dar, als wären sie in ein leeres Land gekommen.

Nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reichs, zu dem Palästina gehörte, übernahmen die Briten die Region als Mandatsgebiet und versprachen schon 1917 in der so genannten „Balfour-Deklaration“ etwas, das sie eigentlich nicht durften – nämlich „die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina“, in einem Land, das zu 90 Prozent von Palästinensern bewohnt wurde.

Dass die so genannte „Teilung Palästinas“ nach dem Zweiten Weltkrieg nie stattfand, Israel „als Kolonialmacht“, wie in dem Buch immer betont wurde, das ganze Land übernahm und die Palästinenser vertrieb – darauf beruhen alle Konflikte, Kriege, Attentate, die nun folgten. Wobei die Autorin den Palästinensern das Recht zum Widerstand (was er auch koste) zubilligt, zeigen doch Flüchtlingslisten, dass Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Und nur ein geringer Prozentsatz schaffte es aus den Lagern in andere Länder, in eine neue Existenz.

In der Folge werden die Palästinensische Freiheitsbewegung, der Sechstagekrieg (der Israel so legendär machte)., die beiden Intifada (1987 und 2000), die blutigen palästinensischen Aufstände gegen Israel, und schließlich die vielen erfolglosen Verhandlungen und auch die vergeblichen Bemühungen von außen thematisiert.

In der richtigen Annahme, dass der westlichen Welt mit Ausnahme von Jassir Arafat die führenden Köpfe der Palästinenser unbekannt sind, liefert die Autorin in ihrem Buch (in Einschüben) zahlreiche Porträts wichtiger Persönlichkeiten, Männer und Frauen, von denen man tatsächlich noch nie gehört hat, von denen sich die meisten für ein Palästina mit gleichen Rechten für alle einsetzten.

Die Anklage, dass Israel ein „Apartheit“-Staat sei, steht einer Ein-Staaten-Lösung entgegen, und Zukunftsvisionen sind düster, auch weil Fatah und Hamas sich auf Konfrontationskurs befinden. Zumal hätten, so die Autorin, die lange in der Region gelebt hat, die jungen Palästinenser ihr Land so weit aufgegeben, dass sie hier keine Zukunftsperspektive mehr sähen. Trübe bis trostlose Aussichten.

Jedes Ding hat zwei Seiten, und hierzulande gibt es Verständnis dafür, dass die Juden nach dem Holocaust (der gelungenen Ausrottung von sechs Millionen Menschen) eine eigene Heimat wollten – und dass schon Theodor Herzl ihr „Land der Bibel“ für seine zionistische Bewegung auserwählt hat. Ob man sich über die enorme Verdrängung, Vertreibung und  Enteignung, die stattfinden musste, damals schon klar war, sei dahingestellt. Man sah nur ein Land für die Juden, nicht, mit welchem Unrecht die Besitznahme verbunden sein würde – dass neue Heimat für die einen Verlust der alten Heimat für die anderen bedeutete.

Die Einseitigkeit, die dem Buch von Muriel Asseburg schon vorgeworfen wurde, ist vermutlich eine bewusste Antwort auf die Einseitigkeit, mit der nach Meinung der Palästinenser Israel von Seiten der Juden und ihrer Befürworter dargestellt wird.

Der Leser (welchen Geschlechts auch immer) muss sich die Informationen im eigenen Kopf ausbalancieren. Jedenfalls ist es besser, die palästinensische Sache argumentativ zwischen Buchdeckeln zu vertreten, als sich mit Selbstmordbomben in die Luft zu sprengen.

Renate Wagner

 

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