MÜNCHEN, Bayerische Staatsoper, Giacomo Puccini, „LA BOHÈME“, 14.12.2012
Mit Puccinis Drama um die kleine Blumenstickerin ist immer ein volles Haus zu erreichen, erst recht vor Weihnachten, ‚wo man auch mal ins Theater geht‘ (wie mir mein Nachbar anvertraute). Doch mehr noch war die ausverkaufte Vorstellung wohl dem „Tenor-Star“ Vittorio Grigolo geschuldet. Ihn wollte man sehen (sicher nicht unbedingt seine Hosenträger wie im 1. Bild!) und hören. Grigolo spielte routiniert den italienischen lover, entlockte seiner Kehle gekonnt einige Schluchzer an den passenden Stellen. Die Stimme springt in der Höhe leicht an, ist aber für Puccini ein bißchen schmal, doch dringt er gut durchs Orchester. Wie gesagt, alles gekonnt, viel Show, aber keine irgendwie berührende Darstellung des Charakters.
Perfekte Künstlerhallodris dagegen seine Mitbewohner: Der bärenhafte Levente Molnár mit seinem üppigen dramatischen Bariton als Marcello, der mit etwas weniger Material ausgestattete, aber sehr schönstimmige Simone Del Savio als Schaunard, der Bass Goran Juric als Colline, bei dessen Mantelarie einem regelrecht warm ums Herz wurde, weil so innig und sanft gesungen. Alles recht lustige Gesellen denen man die Nonchalance im Umgang mit Kälte und Hunger gern glaubte.
Ana Maria Martinez als Mimi klang in ihrer Auftrittsarie noch recht grell, erst im Laufe des 3. Bildes und in ihrer Schlussszene konnte sie überzeugen. Uneingeschränkte Freude machte dagegen Anna Virovlansky als Musetta. Schon sehr lange nicht mehr habe ich das „Quando m’en vo“ so zart und blühend und doch mit der nötigen Spur Koketterie gesungen, gehört. Heiterkeit erregend wie immer das langjährige Ensemblemitglied Alfred Kuhn, der aus dem Auftritt des versoffenen Hausherrn Benoit wieder ein kleines Kabinettstückchen machte.
Das Bayerische Staatsorchester spielte engagiert unter der sängerfreundlichen Hand von Paolo Carignani.
Am Schluss sprang Herr Grigolo wie ein Sportler vor den Vorhang, warf sich auf die Knie, öffnete sein Hemd und „riss sich sein Herz aus der Brust“, um es dem Publikum darzubieten. Seitens der Galerie wurde diese Geste mit schrillem Kreischen und Gejohle quittiert – nun ja.
Die Rezensentin erinnerte sich bei diesem Spektakel kopfschüttelnd an etliche Bohème-Aufführungen mit weitaus glanzvolleren Tenören von Dvorsky bis Calleja, wo es mehr Theater auf der Szene und nicht vor dem Vorhang gab.
Seis drum – es war ein routinierter Repertoireabend. Puccini hälts aus und diese betagte Schenk-Inszenierung auch.
Jakobine Kempkens