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MÜNCHEN/ Gärtnerplatztheater im Zelt: IM WEISSEN RÖSSL

25.10.2012 | KRITIKEN, Oper

MÜNCHEN, Gärtnerplatztheater im Zelt, Ralph Benatzky, „IM WEISSEN RÖSSL“, 25.10.2012,


Daniel Prohaska, Sigrid Hauser. Foto: Thomas Dashuber

Auch für Nicht-Fußballbegeisterte gibt es nun einen dringenden Grund, in den Münchner Vorort Fröttmaning zu fahren. Dort steht nämlich nicht nur die bekannte Fußballarena, sondern auch das Theaterzelt des „Deutschen Theaters“, eines der Ausweichquartiere des Gärtnerplatztheaters, dessen Stammhaus in der Innenstadt saniert wird. Bereits im Foyer empfängt den Besucher eine Blaskapelle, der Kinderchor des Gärtnertheaters schwärmt von der „Waldesluhuhuuust….“ und eine herrlich verschrobene Reiseleiterin (Susanne Heyng, mit Nadelstreifenkostüm und Strickstrümpfen) begrüßt die Theatertouristen per Megaphon in Deutsch und Englisch und erklärt, dass „Se doors will open soon….“. Und dann geht es hinein ins pralle Theaterleben – oder nein in die weiland so beliebte alpenländische Sommerfrische.

Intendant JOSEF E. KÖPPLINGER inszenierte zum Auftakt seiner ersten Spielzeit die Urfassung des „Weissen Rössls“ von 1930. Dieses erst 2008 wiederentdeckte Original ist bissiger als die später gespielten Heimatfilm-Versionen, außer dem Orchester sorgen noch eine Jazzband, eine Blaskapelle und ein Zithertrio für das instrumentale Fundament. Köpplinger und sein Bühnen- und Kostümbildner RAINER SINELL fühlen sich ganz den seinerzeit beliebten Revuen im Berlin der Zwanziger-/Dreissigerjahre verpflichtet und stellen einen bunten Bilderbogen auf die Bühne. Ein ganzes Füllhorn an Gags und witzigen Einfällen wird ausgeschüttet, so dass man als Zuschauer gelegentlich Mühe hat, die eigentliche Handlung noch wahrzunehmen. Doch was solls, tanzende Kühe, ein strippendes Hochzeitspaar, ein Gästebus und ein Flugzeug als Laubsägearbeiten, die dampfende Karre Mist, die ein Knecht über die Bühne fährt, die sich vor dem Kaiser ehrfürchtig neigenden schon etwas reiferen Jungfrauen – Köpplinger bedient bedient augenzwinkernd jegliches Klischee und nimmt komisch, aber liebevoll die gelegentlichen Verständigungsschwierigkeiten zwischen alpenländischen Eingeborenen und zugereisten Flachlandtouristen aufs Korn. Das ist temporeich, sehr komödiantisch, niemals platt oder gar bösartig. Kurz – es ist eine Freude.


Sigrid Hauser (Rössl-Wirtin), Tilmann Unger (Dr. Siedler) und Ensemble. Foto: Thomas Dashuber

Auch alle 22 aufgebotenen Sängerschauspieler sind jeder für sich einfach klasse und dank der beiden Wien-Importe SIGRID HAUSER (Rössl-Wirtin) und DANIEL PROHASKA (Leopold) klingen die Dialoge recht authentisch nach k. und k. SIGRID HAUSER ist eine gstandene und resche Person, der man auch im richtigen Leben ohne weiteres die Führung eines Hotels anvertrauen würde. DANIEL PROHASKA als renitenter Zahlkellner verfügt über den wunderbaren Schmelz und die Leichtigkeit des Operettentenors und ist ein rechter Feschak. Köstlich HANS TEUSCHER als urpreußischer Wilhelm Giesecke, IVA MIHANOVIC weiß als seine Tochter Ottilie den Vatertyrannen gekonnt zu überlisten. TILMANN UNGER (Dr. Siedler) mit üppigem Strahletenor und MICHAEL VON AU (Sigismund Sülzheimer) mit Schmetterlingsnetz und Knickerbockern und bemerkenswerten sängerischen Qualitäten fügen sich wunderbar in die Szene. WOLFGANG KRAßNITZER als skurril-sparsamer Privatgelehrter Hinzelmann, der in dieser Fassung das wehmütige Chanson „s‘ ist einmal im Leben so“ singen darf und bei dessen Vortrag es mucksmäuschenstill im Auditorium war. Und der Kaiser? Wurde an diesem Abend vom Gärtnerplatz-Urgestein FRANZ WYZNER mit nobler Würde und noch überraschend intakter Stimme gegeben.

JÜRGEN GORIUP hielt die orchestralen Fäden mit Verve und Sinn für die lyrischen Momente zusammen.

Eine rundum sehenswerte Produktion, Unterhaltung auf hohem musikalischem und szenischem Niveau – Operette, wie sie sein soll und wie sie verzaubern kann.

Also, geneigte Leser, auf nach Fröttmaning und an der S-Bahn-Haltestelle nach links (!) abbiegen, nach rechts gehts in die öde Fußballarena…

Gespielt wird en suite noch bis 11. November und vom 29. – 31.12.2012.

Jakobine Kempkens

 

 

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