MÜNCHEN, Bayerische Staatsoper, Giacomo Puccini, „TOSCA“, 24.7.2012
Die drei hätten auch vor einer weißen Wand stehend singen können – und das Drama hätte sich trotzdem in allen Facetten erschlossen: Catherine Naglestad (Tosca), Massimo Giordano (Cavaradossi), Bryn Terfel (Scarpia). Womit nichts gegen die manchem als zu harmlos, weil nicht spektakulär erscheinende Regie von Luc Bondy gesagt sein soll (die Meinungen auch unter Merkern sind da ja kontrovers). Nein, solche Protagonisten vermögen es einfach kraft ihrer großen Vokal- und Schauspielkunst einen packenden Abend so zu gestalten, dass man froh war, dabei gewesen zu sein.
Catherine Naglestads Stimme hat seit ihrer Siegfried-Brünnhild Wärme und Dunkelheit gewonnen, ohne ihre Leuchtkraft in der Höhe zu verlieren. Ihr Sopran klingt sinnlicher und hat noch mehr Durchschlagskraft ohne Schärfe. Ihr Spiel begeistert mich nach wie vor. Von strahlendem Jubel bis zur tiefen Hingabe zeichnet Catherine Naglestad die Entwicklung einer Frau, zunächst die kapriziöse Diva, die eifersüchtige Geliebte und schließlich die gebrochene, verzweifelt kämpfende Liebende.
Der, für dessen Leben sie bereit ist alles zu geben, Mario Cavaradossi, war bei Massimo Giordano in den besten Händen. Zwar hat der Sänger ein eher lyrisches Timbre und ist nur wenig dramatisch, doch mit seiner schlanken Tongebung und müheloser Höhe meistert er auch die Vittoria-Rufe und singt als Todgeweihter eine wunderbar zurückgenommene Sternenarie, ganz verhalten, fast wie im Selbstgespräch.
Der „bad boy“ vom Dienst (dessen rare Anwesenheit in München wohl viele in die Vorstellung gelockt hatte), Bryn Terfel zeigte den Prototyp des grausamen Schreibtischtäters, der sich aufgeilt an der Angst der Anderen, der mit einem leisen Zucken im Gesicht oder einer minimalen Veränderung der Stimme seine Schergen dirigiert. Ein Kerl wie er widerwärtiger nicht sein kann und in dessen Innern die brodelnde Gewalt und die ekstatische Lust so nah beieinander liegen. Ein schlimmer Bruder von Jago und Mefistofele, böse, gefährlich – und doch ungemein faszinierend.
Die Nebenrollen waren mit Goran Juric (Angelotti), Christoph Stephinger (Mesner), Francesco Petrozzi (Spoletta) und Christian Rieger (Sciarrone) mit kraftvollen Stimmen und spielfreudigen, rollendeckenden Sängern aus dem Hausensemble besetzt.
Im Graben gebot Marco Armiliato den Puccinischen Orchesterfluten – nicht immer liebevoll den Sängern gegenüber, doch auf jeden Fall hochdramatisch. Das Bayerische Staatsorchester war denn auch vor allem gleichberechtigter Partner der Bühne und weniger deren Diener.
Alles in allem: Ein Sängerfest und eine festspielwürdige Vorstellung.
Jakobine Kempkens